Er ist locker und krümelig, gibt der Fingerbewegung nach – der gesunde Boden. Mühelos gräbt Bauer Erich Rossmanith eine Hand Erde aus dem Beet. Vorsichtig lässt er sie durch seine Finger rieseln. Wer das schon mal bei einem intensiv bewirtschafteten Acker versucht hat, merkt: Das ist fast schon eine Seltenheit. "Wir verwenden keine schweren Maschinen", erklärt Rossmanith. Deswegen sei der Boden nicht verdichtet.

Rossmanith bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Frau Veronika Rossmanith die Permakultur Gärtnerei Verwurzelt in Gutenstein, Niederösterreich, seit fünf Jahren. Das Paar lebt mit seinen drei Kindern hauptsächlich von den Erzeugnissen der 2.000 Quadratmeter großen Anbauflächen. Zusätzlich beliefern sie ab Mai 60 Haushalte mit wöchentlichen Gemüsekisten.

Nährstoffrecycling

Das Konzept heißt Permakultur und stammt aus den 70er-Jahren. Die Australier Bill Mollison und David Holmgren schufen damit eine Form der Landwirtschaft, die sich an Kreisläufen in der Natur orientiert – daher dauerhaft praktizierbar ist. Dazu gehört auch das Recyceln von Nährstoffen. Beim Ernten werden Pflanzennährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium entnommen. In der Permakultur gelangen diese durch Kompost oder Mulch zurück in den Boden. Dabei verzichten Permakultur-Betreibende auf konventionellen Dünger und Pestizide.

Die "Totholzhecke" nutzt Erich Rossmanith als Sichtschutz und Feuerholz. Auch soll sich wohl ein Zaunkönig häufig darauf niederlassen.
Regine Hendrich

Wichtig sei, die Energie zu behalten, betont Gärtner Rossmanith. Damit meint er: "Jedes Blatt, jeder Regen" hätten eine Funktion. Er zeigt zu einem kleinen Holzhaus mit blauen Fensterrahmen – dem Familienhaus. In einer Zisterne sammeln sie Regenwasser zum Gießen. Fallende Blätter nutzt er, um seine Beete mit Nährstoffen zu versorgen.

Sein Feld bepflanzt Rossmanith nach dem Waldgartenprinzip. Wie im Urwald gibt es hier mehrere Vegetationsschichten, die miteinander interagieren. Junge Obstbäume spenden Schatten für das naheliegende Gemüse. Auch landen Vögel gerne darauf. Diese wiederum fressen Schädlinge. Unter den Obstbäumen ranken Ribisel – "die Strauchschicht", wie Rossmanith sie nennt. Am Boden wachsen Schnittlauch und Petersilie. Insgesamt baut er rund 40 Gemüsearten auf diesem Beet an, schätzt Rossmanith. Das Ziel sei "so viel Vielfalt wie möglich". Sie fördert das Bodenleben und damit die Bodengesundheit.

Höherer Humusgehalt

Das Nachbarbeet ist ebenfalls wild bewachsen. Was auf den ersten Blick chaotisch wirkt, hat einen agrarbiologischen Sinn: Die Pflanzen schützen den Boden. Liegt er brach, kann die obere Bodenschicht – Humus genannt – von Starkregen abgetragen werden. Auch ist unbedeckter Boden anfälliger für das Austrocknen durch Hitze. Damit sind Permakulturböden besser gewappnet gegen die Folgen des Klimawandels. Überdies speichern sie eine Menge Kohlenstoffdioxid. Der Grund: Das schonende Bewirtschaften fördere den Humusgehalt des Bodens, erklärt Sophie Zechmeister-Boltenstern, Bodenforscherin der Wiener Universität für Bodenkultur. Dieser entstehe zu großen Teilen aus abgestorbenem Pflanzenmaterial. Zuvor binden die Pflanzen Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre. "Das heißt, Permakultur ist klimafreundlich und fördert auch die Anpassung an den Klimawandel", schlussfolgert Zechmeister-Boltenstern.

Rossmanith betritt eines seiner drei Gewächshäuser – darin ist es fast zehn Grad wärmer als draußen. In der warmen Luft gedeihen Fenchelsetzlinge und Kohlrabi. Rund 10.000 Jungpflanzen zieht er jedes Jahr aus einem Samen groß. Vor den Gewächshäusern sind drei Beete terrassenförmig am Hang angeordnet. Hier haben die Pflanzen besonders viel Sonnenlicht. Zudem speichern umliegende Steine Wärme und erzeugen ein "Kleinklima". Im Frühsommer möchte Rossmanith dort Paprika pflanzen.

Kistenweise stapeln sich junge Pflanzen in Rossmaniths drei Gewächshäusern. Winters plant er, wann er welchen Setzling säen möchte.
Regine Hendrich

Ein kleiner Junge läuft vorbei – in der Hand trägt er voller Stolz ein Löwenzahnblatt. "Sie wachsen mit der Natur auf", sagt Rossmanith zufrieden. Für ihn hat Permakultur auch eine soziale Komponente. Ab dem Frühjahr kommen donnerstags Nachbarinnen und Nachbarn für die wöchentliche Ernte vorbei. Die Gemeinschaft sei für ihn besonders wichtig, erzählt Rossmanith, einander helfen und Dankbarkeit für die Ernte aussprechen.

Es klingt, als sei die Permakultur ein landwirtschaftliches Ideal. Aber klappt das, was bei den Rossmaniths auf 0,2 Hektar funktioniert, auch für große Landwirtschaftsbetriebe oder vielleicht sogar für die gesamte österreichische Landwirtschaft?

Mehr Arbeitskräfte notwendig

Nein, sagt Hannes Royer, Vorstandsmitglied von Land schafft Leben, einem zu großen Teilen von der Lebensmittelbranche finanzierten Verein. "Die gesamte österreichische Landwirtschaft als Permakultur zu betreiben wäre aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll." Die Erträge seien bei der konventionellen Landwirtschaft schlichtweg pro Hektar höher. Folglich reiche die Permakultur nicht, um genügend Lebensmittel für ganz Österreich herzustellen. Ein weiterer Kritikpunkt laut Land schafft Leben: Arbeitskräfte für die Landwirtschaft sind ohnehin schwer zu bekommen. Permakultur setzt aber kleinteilige Arbeit voraus. "Der Arbeitsmarkt würde eine Ausweitung von Permakultur auf ganz Österreich erschweren", schlussfolgert Royer. Er befürchtet, Lebensmittel könnten dadurch teurer werden. Er glaubt aber, Teilaspekte der Permakultur auf konventionelle Landwirtschaft zu übertragen sei sinnvoll.

Fragt man Rossmanith, ob Permakultur in großem Maßstab möglich ist, lautet die Antwort naturgemäß anders: "Auf jeden Fall." Permakultur sei eine Gestaltungsmethode, die sich auf kleine Balkongärten bis hin zu ganzen Landschaften, Dörfern und Stadtteilen umsetzten ließe. Für ihn bedeutet das: vor Ort Kreisläufe zu schaffen und diese zu schließen. Dazu gehöre auch, Erde als bleibende Ressource zu nutzen, aber nicht zu schädigen. Ebenso sei es wichtig, Wasser und Holz mehrmalig zu verwenden. Ein Gedanke, der an Kreislaufwirtschaft erinnert.

Den Boden bewirtschaftet Rossmanith ausschließlich mit einem mistgabelähnlichen Gerät, der Doppelgrabgabel.
Regine Hendrich

In der Schweiz plant der Glück-Hof, Permakultur auf bis zu 28 Hektar umzusetzen. Zum Vergleich: Ein landwirtschaftlicher Betrieb bewirtschaftete 2020 laut Statistik Austria durchschnittlich rund 45 Hektar. Seit vergangenem Jahr setzt der Glück-Hof das Permakulturkonzept um. Bislang habe man zwei bis drei Hektar auf diese Weise bepflanzt. Betreiber Andreas Schärer erzählt, das Umgestalten sei sehr arbeits- und geldintensiv.

Seine Vision sei aber, auf den 28 Hektar Permakultur mit solidarischer Landwirtschaft zu kombinieren. Dabei helfen Leute aus der Gegend bei der Ernte. Im Gegenzug dürfen sie einen Teil davon behalten. Anders als Royer ist Schärer überzeugt, dass sich mit Permakultur mehr Nahrung auf weniger Fläche durch Mischkulturen anbauen lässt. Er nennt es "Die Agrarwirtschaft der Zukunft". Dabei spricht Schärer aus persönlichen Erfahrungen. Studien, die den Ertrag von Permakultur mit konventioneller oder biologischer Landwirtschaft vergleichen, gibt es bislang kaum.

Kaum Erfahrungen bei großen Höfen

Laut Zechmeister-Boltenstern sei Permakultur kaum auf ganz Österreich übertragbar. Ihrer Meinung nach erfordere das Konzept viel Wissen, Beobachten und Experimentierfreudigkeit. Das sei in großem Maßstab oft schwer kommerziell umzusetzen. "Permakultur eignet sich gut für Selbstversorgungsgärten oder für kleinere Betriebe mit Ab-Hof-Verkauf. Für industrielle Landbewirtschaftung in großem Stil gibt es wenig Erfahrungen." Allerdings können laut Zechmeister-Boltenstern Elemente der Permakultur in andere landwirtschaftliche Praktiken einfließen.

Jetzt steht Rossmanith wieder auf dem Feld, in der Hand eine Doppelgrabgabel. Damit lockert er sorgsam die Erde, ohne alte Pflanzenwurzeln zu entfernen. Das sei besonders wichtig, um das Bodenleben und damit den Aufbau von Humus zu schützen. Er glaubt, dass mit dieser wertvollen Ressource Bäuerinnen und Bauern einen großen Hebel gegen die Klimakrise hätten. Dabei brauchten sie allerdings Hilfe von ihren Mitmenschen. Rossmanith findet, sie können die Landwirtschaft mitgestalten und Lebensmitteln durch ihr Kaufverhalten einen höheren Wert beimessen. "Wir haben viel in der Hand." (Marie Kermer, 18.4.2024)