Gehen Sie am Wochenende einkaufen, steht eine größere Anschaffung bevor, wie ein neues E-Auto oder ein Rasenmäher? Wenn Sie das Geld dafür haben, aber die Antwort Nein lautet, sind Sie wohl mitverantwortlich für die zunehmend triste Lage, in der sich Österreichs Wirtschaft befindet. Zum Trost: Sie sind nicht allein schuld.

Die Hoffnungen der Ökonomen, dass es nach der Flaute doch bergauf geht, ruhen auf dem heimischen Konsum.
Heribert Corn

Die Rezession scheint gar kein Ende mehr nehmen zu wollen. Seit dem ersten Quartal 2023 geht es bergab. Zunächst sah es aus, als wäre alles bloß eine kleine Delle. So zumindest prognostizierten es die Wirtschaftsforscher. Noch im März 2023 war die Rede davon, dass die Wirtschaft bald anspringen werde. Im Juni wurden die Prognosen runterkorrigiert. Und dann noch einmal im Dezember. Jetzt noch einmal im März.

Das Wifo rechnet zuletzt nur noch mit einem Miniwachstum von 0,2 Prozent für heuer. Damit dieses Mini-Plus zustande kommt, müsste die Wirtschaft nach einem schlechten Start ins Jahr noch in die Gänge kommen. Ob das geschieht, wird zunehmend zur "Zitterpartie", sagt Wifo-Ökonom Johann Baumgartner. Arbeitsmarktchef Johannes Kopf rechnet für die kommenden Monate bereits mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr. "Wir sind offenbar immer noch in der Rezession", sagt er. Die Frühindikatoren zeigten bisher nämlich keine Erholung.

Es geht bergab und bergab

Gut möglich, dass bald die nächste Korrektur der Wirtschaftsforscher erfolgen wird und Österreich das zweite Jahr hintereinander in einer Rezession steckt. Das wird die Politik beschäftigen, nicht zuletzt, weil Wahljahr ist. Die Frage, die sich aufdrängt: Soll der Staat die Wirtschaft anschieben – und wenn ja, wie? Das Problem ist, dass eine komplexe Gemengelage für die Schwäche verantwortlich ist.

Die Hoffnungen der Ökonomen, dass es nach der Flaute doch bergauf geht, ruhen auf dem heimischen Konsum. Aber da tut sich bisher nichts. Die EU-Kommission lässt regelmäßig erfragen, wie es um die Kauflaune der Menschen bestellt ist. Aktuelle Zahlen zu Österreich, die aus dem März stammen, zeigen, dass die Zahl derer, die angeben, aktuell oder in den nächsten zwölf Monaten eine größere Anschaffung zu tätigen, derzeit niedriger ist als in der Pandemie oder in der Finanzkrise.

Was nach einer kurzen Delle ausgesehen hat, wächst sich zu einer veritablen Schrumpfkur für die Wirtschaft aus. Die Ursachen der Krise sind vielfältig.
Der Standard

Das ist nicht die einzige schlechte Nachricht. Der größte Lichtblick war bisher der Jobmarkt. Der blieb in der Krise erstaunlich stabil. Zwar ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Aber im Vergleich mit früheren Episoden von ähnlich schwachen Wachstum, geht es dem Arbeitsmarkt ganz gut. Dabei spielten zwei Faktoren zusammen: Der demografische Wandel sorgt dafür, dass die Zahl der Menschen im Erwerbsalter stagniert und laut Prognosen der Statistik Austria heuer sogar sinkt.

Dazu kommt, dass viele Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht gehen lassen wollten. Die Erfahrungen aus der Pandemie spielten dabei wohl eine Rolle, als nach Ende der Lockdowns plötzlich überall Personalmangel herrschte. So haben viele Betriebe mehr Personal behalten, als die Auftragslage hergibt. Je länger die Krise dauert und je mehr die Arbeitslosigkeit doch ansteigt, umso mehr Firmen dürften dann doch Personal abbauen. Das macht sich nun bemerkbar. So geben immer mehr Haushalte an, einen Jobverlust zu fürchten. Das schlägt auf die Stimmung: Wer geht schon üppig shoppen, wenn er um den Job fürchtet?

Lage ist besser als Stimmung

Die gute Nachricht ist, dass die Stimmung der Menschen schlechter ist als die Lage. Die Inflation hat den Menschen zwar Kaufkraft gekostet. 2021 und 2022 sind die realen Nettoeinkommen gefallen, im vergangenen Jahr sind sie stagniert. Heuer sollten Einkommen aber kräftig wachsen. Die Inflation dürfte zwischen drei und vier Prozent liegen, die Lohnabschlüsse betragen sechs bis acht Prozent. Aber das bei den Menschen kaum an, die Menschen nehmen die gestiegenen Preise stärker wahr als ihre steigenden Einkommen. "Die Auswirkung der Inflation wird generell überschätzt", sagt der Chefökonom der Bank Austria, Stefan Bruckbauer.

Dabei ist es allein schon Ausdruck einer Schwäche, dass Österreich auf den Konsum als Impulsgeber hoffen muss. Doch sonst gibt es derzeit wenig Lichtblicke. Die hohen Zinsen in Europa sorgen dafür, dass die Unternehmensinvestition rückläufig sind. Der Bau steckt wegen hohen Kredit- und gestiegener Materialkosten in einer Krise.

Aktuelle Zahlen zu Österreich zeigen, dass die Zahl derer, die angeben, aktuell oder in den nächsten zwölf Monaten eine größere Anschaffung zu tätigen, derzeit niedriger ist als in der Pandemie oder in der Finanzkrise.
APA/FLORIAN WIESER

Auch vom Export kommt wenig. International ist die Nachfrage nach österreichischen Maschinen und Autoteilen verhalten – auch weil in anderen Ländern die Kaufkraft unter der Inflation gelitten hat. Bereits im Vorjahr brach die abgesetzte Produktion der heimischen Industriebetriebe um 14,2 Prozent ein. Die Industrie meldet für die ersten Monate 2024 einen schwachen Auftragseingang.

Die Industrie steht aber auch vor einem strukturellen Problem. Weil die Inflation hierzulande deutlich über jener in der Eurozone lag, stiegen 2023 und 2024 die Löhne stärker. Die Kluft in der Entwicklung zu Deutschland sei so groß, dass Österreich das nicht mehr wie in Vergangenheit durch Produktivitätssteigerungen wettmachen könne, sagt der Ökonom Bruckbauer. Es drohen Abwanderungen. Dazu kommt, dass die Energiepreise zwar gesunken, aber immer noch höher sind als vor Kriegsbeginn in der Ukraine.

Ein anderes Problem betrifft die öffentlichen Investitionen. Nicht in Österreich, wo der Staat hohe Defizite einfährt, sondern im Motor der Eurozone, Deutschland. "Das Land ist gelähmt", sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Die Misere ist selbstverschuldet, die deutsche Schuldenbremse sorgt dafür, dass Deutschland trotz schwächelnder Wirtschaft weniger Geld ausgibt. Dabei investiert der Staat gemessen an der Wirtschaftsleistung laut Internationalen Währungsfonds ohnehin deutlich weniger als zum Beispiel die USA.

Milliarden für Konjunkturhilfen?

Hohe Zinsen, verunsicherte Konsumenten, ein gelähmtes Deutschland, das zu wenig nachfragt, und die Folgewirkungen der Inflationskrise sind also die Zutaten der aktuellen Krise. Was ist der Ausweg? "Noch vor wenigen Jahren hätte die Antwort dazu gelautet, mehr Handel und neue Abkommen mit anderen Ländern unterzeichnen", sagt Felbermayr. Doch die zunehmenden Rivalitäten, besonder jene von China mit Europa und den USA, dürften diesen Weg aktuell versperren.

Wachstum muss also woanders herkommen. Damit kein Missverständnis entsteht: Österreichs Wirtschaft ist nicht kaputt. Die Industrie produziert immer noch um 70 Prozent mehr als vor 20 Jahren. Zwei Jahre leichte Rezession lassen sich auch aushalten. Und manchmal geht das mit der Erholung schneller als gedacht. Zumindest die Erwartungen der Unternehmen für die nahe Zukunft sind nicht mehr so pessimistisch wie vor kurzem. Gut möglich, dass die Konsumlaune der Haushalte im Frühjahr zurückkehrt.

Aber was, wenn das für eine Trendwende nicht reicht, zumal neue Probleme absehbar sind? Sollte in den USA Donald Trump die Wahlen gewinnen, ist eine neue Runde an Handelskonflikten mit der EU wahrscheinlich. Mit China rückt ein Streit über den Import chinesische E-Autos näher. Sollten die Europäer auf Protektionismus setzen, würde China zurückschlagen.

Steuerliche Anreize

Ist die heimische Politik gefordert, mehr für die Konjunktur zu tun? Bisher gibt es nur ein Hilfspaket für die Bauwirtschaft über zwei Milliarden Euro. "Die Politik sollte etwas tun", sagt Wifo-Chef Felbermayr. "Es muss aber etwas sein, das den Optimismus anschiebt." Gegen ein großes Konjunkturprogramm spricht, dass das teuer wäre und das Defizit in Österreich ohnehin schon recht hoch ausfällt.

Felbermayr wäre deshalb lieber für Maßnahmen, um gezielt Investitionstätigkeit der Unternehmen anzuregen, etwa über steuerliche Anreize. Und: Der Binnenmarkt gehöre vertieft, etwa was die Kapitalmärkte betrifft.

Ob das für den großen Wumms reicht? Sein Kollege Bruckbauer sagt, dass alles, "was den Unternehmen hilft, ihre Kosten zu reduzieren, richtig wäre". Das liefe auf eine Lohnnebenkostensenkung hinaus. Wogegen sich freilich Gewerkschaften aussprechen, die Leistungskürzungen fürchten.

Eine einfache Lösung gibt es also nicht, Ideen liegen immerhin schon einmal auf dem Tisch. Nun müsste sie wer aufgreifen. (Andras Szigètvari, 14.4.2024)