Es wiegt, was es hat – und das ist sehr schwer: Mit dem direkten Angriff aus dem Iran auf israelisches Territorium wurden in der Nacht zum Sonntag die Einsatzregeln im Nahen Osten neu geschrieben. Er ist der erste in der Geschichte der 1979 gegründeten Islamischen Republik, in deren DNA die Erzfeindschaft zu Israel festgeschrieben ist. Teheran hat sich auch durch diplomatischen Druck und militärische Drohungen nicht davon abhalten lassen, selbst Vergeltung für den Angriff auf sein Konsulat in Damaskus am Ostermontag zu üben und nicht, wie üblich, dafür seine Stellvertreterkräfte in der Region einzusetzen.

Auf Teherans Straßen sind Plakate mit Kriegsbotschaften und Kriegsdrohungen gegen Israel allgegenwärtig. Doch nicht alle Regierungen in der Region teilen diese Ansicht.
AFP/ATTA KENARE

Als Nebeneffekt hat der Iran aber auch die arabische Nachbarschaft Israels quasi zu einem Offenbarungseid gezwungen – und das Ergebnis ist politisch für Teheran unerfreulich. Etliche arabische Staaten, die derzeit die israelische Kriegsführung im Gazastreifen scharf kritisieren, stellten sich explizit gegen die Iraner, indem sie bei der gelungenen Verteidigung Israels kooperierten oder sie zumindest zuließen. Das wurde nach Teheran vorab auch so kommuniziert: Dort wusste man also – hätte man es vielleicht sonst nicht gemacht? –, dass der quantitativ massive Angriff wahrscheinlich ohne größere Schäden bleiben würde. Ob die gefährliche Kalkulation aufgeht, dass es damit getan ist, bleibt zu sehen.

Die arabische Positionierung setzt aber wiederum Israel unter Druck. Arabische Regierungen, die mit den USA bei der Verteidigung Israels kooperiert haben, rufen Israel nun ganz deutlich zur Zurückhaltung auf. Washington, das die erstmals getestete Allianz geschmiedet hat, ist ihnen im Wort, das Gleiche zu tun. Keiner von ihnen will einen erweiterten Krieg. Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate: Alle verlangen von Israel "maximale Selbstkontrolle".

Araber würden nicht mitgehen

Verteidigungsminister Yoav Galant zeigt in seinen Äußerungen deutlich, dass er sich der Fragilität dieser mühsam aufgebauten israelisch-arabischen Verteidigungsallianz bewusst ist. Die Araber würden nicht mitgehen, wenn Israel die jetzige Situation weiter eskaliert, um neue Fakten zu schaffen. Die offene Ausschaltung der iranischen Atomanlagen wird ja in Israel seit Jahren diskutiert. Auf verdeckter Basis, durch Sabotage und Anschläge, ist hier längst ein Kleinkrieg im Gang.

An arabischen Staaten, die in der Nacht zum Sonntag in unterschiedlichem Ausmaß mitgewirkt haben, werden Jordanien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien genannt. Letzteres hat keinen Friedensvertrag mit Israel; er war stets Benjamin Netanjahus großes politisches Ziel. Saudi-Arabien deutet immer wieder an, dass bei allem Entsetzen über den Gazakrieg kein völliger Bruch mit Israel intendiert ist. Aber es wird verlangt, dass die israelische Regierung ernsthaft politische Lösungen für die Palästinenser sucht.

Das Regime in Riad hat im vergangenen Jahr jedoch auch seine schlechten Beziehungen zu Teheran normalisiert. Warum? Wenn all die großartigen "Visionen" – so nennen diese Staaten meist ihre Wirtschaftsprogramme, "Vision 2030" im Fall Saudi-Arabiens – aufgehen sollen, mit denen die Regime ihre Macht über die Erdölzeit hinaus absichern wollen, dann braucht es Entspannung und regionale Kooperation und nicht einen neuen Krieg. Iran und Saudi-Arabien müssen koexistieren. Und Israel muss sich entscheiden, wo es in dieser Vision eines Nahen Ostens bleibt. Aber gerade das Hamas-Massaker am 7. Oktober hat das israelische Vertrauen, dass es einen solchen geben kann, schwer erschüttert.

Jordanische Kampfjets

Die militärischen Details werden nicht öffentlich diskutiert, aber es ist klar, dass die militärisch aktivste Rolle in der Nacht zum Sonntag Jordanien zukam: Das ist schon deshalb logisch, weil die aus dem Iran abgeschossenen Drohnen und Raketen jordanischen Luftraum verletzten. Jordanische Jets waren aktiv an ihrem Abschuss beteiligt. Die jordanische Führung erklärte das durch die akute Gefährdung des eigenen Territoriums. Es bleibt nicht aus, dass König Abdullah dafür als "israelischer Polizist" verunglimpft wird. Die Mehrheit der jordanischen Bevölkerung ist palästinensischstämmig, zuletzt gab es offene Pro-Hamas-Demonstrationen. Die nichtdemokratischen Regime all dieser Staaten tun sich prinzipiell damit schwer, Proteste einzudämmen, die sich gegen Israel richten. Oft sind sie auch das Ventil für die allgemeine Unzufriedenheit.

Eine Ausweitung des israelisch-iranischen Krieges könnte die Stabilität Jordaniens und damit die Existenz des haschemitischen Königshauses gefährden. Für König Abdullah, der 1999 den Thron von seinem viel beliebteren Vater Hussein übernahm, ist das allein schon deshalb besonders bitter, weil er einer derjenigen war, die am lautesten vor dem Aufstieg des Iran gewarnt hatten. 2003, nachdem die USA in Bagdad Saddam Hussein gestürzt hatten, prognostizierte er das Entstehen des "schiitischen Halbmonds" in der Region. Er sollte recht behalten: Daraus ist die vom Iran so genannte Achse des Widerstands der iranischen Stellvertreterkräfte in der Region geworden, auf der auch die sunnitische Hamas ihren Platz hat.

Irakischer Luftraum

Die Koordinationsbasis der USA für den Einsatz an der Seite Israels befindet sich im vielgescholtenen Emirat Katar: die Al-Udeid Luftwaffenbasis. Neben Saudi-Arabien erlaubte erstaunlicherweise aber offenbar auch der Irak die Benützung seines Luftraums für die US-Stratotanker. Erstaunlich ist das deshalb, weil die mit dem Iran alliierten schiitischen Milizen im Irak große politische Macht haben. Der irakische Premier Mohammed Schia al-Sudani hängt von ihrer Zustimmung ab. Er hielt sich gerade in Washington auf. Um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen, sollen sich die irakischen Milizen, zusammengefasst als "Islamischer Widerstand im Irak" bekannt, nach eigener Aussage zurückgehalten haben. Auch die jemenitischen Huthis, die während des iranischen Angriffs aus vollen Rohren schossen – alles wurde abgefangen –, wollen laut eigenen Statements nicht intensiver angegriffen haben, als sie das ohnehin immer tun.

In Israel mögen viele Ältere während des iranischen Angriffs an 1991 gedacht haben, als Saddam Hussein im Golfkrieg aus dem Irak Scud-Raketen Richtung Israel abfeuerte. Damals übte Israel Zurückhaltung: Hätte es geantwortet, wären die arabischen Verbündeten der USA gegen den Irak abgesprungen. Nach dem Krieg machte US-Präsident George Bush senior Druck auf Israel, mit den Arabern über Palästina zu reden. Das führte zur Friedenskonferenz in Madrid im Oktober 1991 und letztlich zum Oslo-Friedensprozess. (Gudrun Harrer, 15.4.2024)