Slowakei EU Fico Orban
Kein slowakischer Viktor Orbán: Premier Robert Fico.
Foto: AFP / Kenzo Tribouillard

Die Slowakei spielt, seit der friedlichen Scheidung von Tschechien 1993, eine wechselvolle Rolle, geprägt von den Kontrasten in der Politik der Persönlichkeiten an der Regierungsspitze und von dem Auf und Ab der Aktivität der Zivilgesellschaft. Am Vorabend der Rückkehr Robert Ficos an die Macht, des Vorsitzenden der nur dem Namen nach sozialdemokratischen Smer-Partei, habe ich mich schon einmal mit der "unberechenbaren Slowakei" beschäftigt (siehe DER STANDARD, 18. 9. 2023).

Bei den Pendelschlägen der slowakischen Politik hat die Persönlichkeit des vom Volk direkt gewählten Staatsoberhaupts von Anfang an – trotz beschränkter Kompetenzen – die Entwicklung beeinflussen können. Der Präsident kann Richter und Staatsanwälte ernennen und Gesetze blockieren. So hat die vor fünf Jahren zur Präsidentin gewählte Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Zuzana Čaputová nach der Bildung der vierten Fico-Regierung versucht, die autoritäre Wende durch eine Klage beim Verfassungsgericht aufzuhalten. Nachdem die populäre Čaputová wegen Drohungen gegen ihre Familie nicht mehr antrat, wurde bekanntlich im zweiten Wahlgang die frühere rechte Hand Ficos, Ex-Premier Peter Pellegrini, zum Präsidenten gewählt.

Autoritärer Kurs

Trotz der Massendemonstrationen gegen die von Fico angestrebte Abschwächung der Antikorruptionsgesetze und gegen seinen neuerlichen Zugriff auf den öffentlichen Rundfunk wurde bei der Präsidentenwahl die linksnationale und prorussische Regierungspolitik bestätigt. Pellegrini wird den autoritären Kurs Ficos mit Sicherheit mittragen. Das Orbán-Regime hat mit massiver Propaganda in den Reihen der vor allem in kleinen Ortschaften lebenden Ungarn (7,7 Prozent der Bevölkerung) zur Niederlage des liberalen, proeuropäischen Ex-Außenministers Ivan Korčok beigetragen und den Sieg des Fico-Pellegrini-Lagers laut mitgefeiert.

Es wäre trotz seiner besorgniserregenden Aktionen in der Justiz- und Medienpolitik falsch, Fico etwa als einen slowakischen Viktor Orbán zu betrachten. Erstens ist seine Machtposition schwächer und die slowakische Zivilgesellschaft nachweislich stärker als die ungarische. Darüber hinaus unterscheidet sich seine tatsächliche Ukraine-Politik trotz der prorussischen Positionen im Wahlkampf von der Linie Orbáns. Er sperrt die Slowakei nicht für den Transit von westlichen Rüstungslieferungen für die Ukraine und fördert sogar den ukrainischen Kauf von Waffen aus slowakischer Produktion. Darüber hinaus sprach sich Fico für eine "baldige Mitgliedschaft" der Ukraine in der EU aus.

Politischer Flirt

Im Gegensatz zu Orbán wird der wendige Fico, der sich mehrmals neu erfunden hat, zweitens nicht von ideologischem Eifer, sondern von zynischem Pragmatismus in der Europapolitik getrieben. Hinter der Rhetorik im Einklang mit den weitverbreiteten russlandfreundlichen Gefühlen in breiten Schichten der ländlichen Bevölkerung laufen massive kommerzielle Waffenlieferungen, und es gibt aus der Slowakei keine Behinderung der Finanzhilfe für die Ukraine.

Trotz des politischen Flirts der beiden Nationalisten in Bratislava und Budapest wäre es also unklug, wesentliche Unterschiede in ihrer Europa- und Ukraine-Politik zu übersehen. (Paul Lendvai, 16.4.2024)