Die irische Kinderdarstellerin Alisha Weir ist hier gar nicht so lieb wie in der Musicalverfilmung
Die irische Kinderdarstellerin Alisha Weir ist hier gar nicht so lieb wie in der Musicalverfilmung "Matilda" nach Roald Dahl, in der sie 2022 spielte.
AP/Bernard Walsh

Damit man Menschen dazu bringt, ins Kino zu gehen, muss man seinen Film manchmal ruinieren. Der Vampir-Horrorfilm Abigail ist ein gutes Beispiel für diese Praxis. Hätte man nämlich nicht bereits im Trailer damit geworben, dass sich die kleine titelgebende Ballerina bei knapp der Hälfte des Films in eine blutrünstige Blutsaugerin verwandelt, dann wäre das eine angenehm überraschende Wendung gewesen. Aber würde man überhaupt ins Kino gehen, wenn man das nicht weiß? Hollywood steht vor dem Marketingparadoxon, in seinen Trailern eigentlich zu viel verraten zu müssen, um Leute anzulocken.

In Abigail geht es um eine Gruppe von Kriminellen, die eine zwölfjährige Ballerina entführen sollen, die Tochter eines mächtigen Unterweltbosses. Das Mädchen – Alisha Weir – bringen sie in ein entlegenes Herrenhaus, in dem sie 24 Stunden lang auf sie aufpassen müssen. Danach wollen sie Lösegeld in der Höhe von 50 Millionen US-Dollar erhalten. Wir als Zuseher wissen bereits, dieses Mädchen, das so gerne zu Tschaikowskis Schwanensee tanzt, wartet eigentlich nur darauf, die Gangster blutdürstig zu töten – und sie spielt gerne mit ihrem Essen.

Prominent besetzt

Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett, gemeinsam Gründer des Produktionsstudios Radio Silence Productions, sind zurzeit die Starregisseure neuerer, wirklich brutaler Horrorfilme, die sich aber selbst nicht ganz ernst nehmen. Ready or Not und vor allem der fünfte und sechste Teil der Scream-Reihe sind Filme, denen die Lächerlichkeit mancher Regeln des eigenen Genres durchwegs bewusst ist. Mit Melissa Barrera, die ihre Scream-Hauptrolle aufgrund ihrer Äußerungen zum Krieg in Israel und Gaza eben erst abgeben musste, ist auch die zurzeit prominenteste Schauspielerin im Genre "blutüberströmt schreien" an Bord.

Auch sonst ist Abigail wunderbar selbstironisch-klischeehaft besetzt: Angus Cloud, der im letzten Jahr verstorbene Euphoria-Schauspieler, verkörpert den eingerauchten Fluchtfahrer. Dan Stevens ist ein Ex-Cop mit Hang zum Kriminellen, und Kevin Durand, optisch ein Elon-Musk-Double, spielt den lieben, gehirnzellenlosen Muskelmann. Überzeugend in einer Nebenrolle ist auch Giancarlo Esposito, der am bekanntesten als Breaking Bad-Schurke Gustavo Fring ist.

In Kammerspielmanier tanzt sich Abigail mit ihren spaßigen Ballettchoreografien durch blutspritzende Gliedmaßen und explodierende Körper. Das ergibt einen Film, der etwas für Menschen ist, die den Unterhaltungswert einfallsreich abgetrennter Extremitäten zu schätzen wissen. Alle anderen sollten um die Geschichte vom Abschlachten und Geschlachtetwerden eher einen Bogen machen. Unmittelbar erinnert das aber an den Kultfilm From Dusk Till Dawn, der auch ab der Hälfte das Genre vom Roadmovie hin zum Vampir-Gemetzel wechselt. Nur fehlt hier Quentin Tarantinos fetischisierende Obsession mit Füßen – man kann auf die aber verzichten. (Jakob Thaller, 19.4.2024)