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Mit "The Tortured Poets Department" untermauert Taylor Swift einmal mehr ihren Status als Marketing-Weltmeisterin.
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Sie haben den Namen vermutlich schon einmal gehört. Rekapitulieren wir aber kurz, was während der letzten Wochen bei Taylor Swift alles los war. Kurz gesagt, es ist mittlerweile ein bisserl zu viel von allem: Während sich in Südostasien die Regierungen von Thailand und Singapur darum gestritten haben, in welchem der beiden Länder Taylor Swift im Rahmen ihrer Eras-Tour exklusiv auftreten wird (Singapur hat gewonnen), fürchten sich daheim die Republikaner davor, dass die frischgebackene Popmilliardärin (!!!) eine Empfehlung bezüglich der Stimmabgabe für die anstehende US-Präsidentschaftswahl abgeben könnte. Taylor Swift besucht den Super Bowl, was weltweit zu Rekordeinschaltquoten bei einem Spiel wie American Football führt, gegen das Fußball wie eine Aufführung von Schwanensee in der Staatsoper wirkt.

Taylor Swift - Topic

Ihr neuer Boyfriend Travis Kelce hat mit seiner Mannschaft übrigens gewonnen. Das führt zu einem reißenden Absatz von T-Shirts und Kapperln seiner Mannschaft Kansas City Chiefs. Im deutschen Heidelberg bereitet man sich in der dortigen Heiliggeistkirche gerade darauf vor, im Mai zwei Messen im Zeichen von Taylor Swifts Musik und ihrem depressiven Superhit Anti-Hero auszurichten. Die zwei Messen sind restlos ausgebucht. Der Superstar selbst hat gemeinsam mit Instagram und Travis Kelce voriges Wochenende das kalifornische Selfie-Festival Coachella besucht. Und Taylor Swift ist nach finanziellen Streitigkeiten mit ihrer Musik gerade zu Tiktok zurückgekehrt.

Man gönnt sich ja sonst nichts

Das kommt einer Tatsache sehr zugute. Ab sofort ist ihr neues, bis dato elftes Album namens The Tortured Poets Department erhältlich. Man gönnt sich ja sonst nichts. Nur 18 Monate nach ihrem Album Midnights und sechs Monate nach 1989 (Taylor’s Version) geht es unter der Produktionsregie der Co-Komponisten Aaron Dessner von den Rotweinmelancholikern The National und dem auch für Lana Del Rey, St. Vincent, Lorde und zuletzt für The 1975 und deren Sänger Matty Healy arbeitenden Jack Antonoff wieder einmal um die Kernkompetenz Taylor Swifts: das Leiden einer jungen Frau an der Welt und vor allem an der Liebe. Im Wesentlichen handelt es sich bei den insgesamt 31 (!!!) neuen Liedern auf The Tortured Poets Department zwei Stunden lang um das von den deutschen Lausejungen Deichkind geborgte Motto "Auch im Bentley wird geweint".

Taylor Swift - Topic

"I love you, but you're ruining my life": Es geht neben dem Beziehungsende mit Langzeitlover Joe Alwyn um die Trennung von besagtem Matty Healy 2023, der im Swiftyverse immer als Problemfigur galt und jetzt nicht nur im Titelsong sein Fett wegbekommt: "I scratch your head, you fall asleep / Like a tattooed Golden Retriever." Das Hundsi war allerdings neben seinen Tattoos auch sonst ein wenig verhaltensauffällig und lumpte etwa in Podcast-Gefilden mit rassistischen Witzen herum. Das führte zu Petitionen von Swifties, sich doch möglichst sofort von diesem Ungustl zu trennen.

My Boy Only Breaks His Favourite Toys oder The Smallest Man Who Ever Lived beziehen sich offensichtlich ebenso auf Healy und seine in einer Beziehung schwer handbaren Probleme: "Oh, here we go again, the voices in his head ..." In But Daddy I Love Him, einem laut Swiftie-Fachwelt vom Disney-Film Arielle, die Meerjungfrau geborgten Satz, heißt es ergänzend: "He was chaos / He was revelry." Chaos und bacchantische Gelage passen nicht mit der Arbeitsmoral zusammen. Während ihre gleichaltrigen Freunde und Freundinnen sich mit Mitte 30 dazu entschlossen haben, entweder nach Kiffgras oder nach kleinen Babys zu riechen, ziehen Taylor Swift und ihr Team die Welteroberung mittels Popmusik eisern durch: "I cry a lot but I am so productive / It’s an art!"

Mehr Mater Dolorosa als Madonna

Musikalisch lässt sich über das neue Album nicht viel Aufregendes berichten. Textlich Mater Dolorosa, Gesang eher Madonna. Ein wenig glatter Indiepop von der Stange, ein wenig seichte Country-Wurzelpflege, ein wenig pflegeleichter Synthiepop aus den 1980er-Jahren. I Can Do It With a Broken Heart klingt wie eine aus guten Gründen unveröffentlichte Version eines alten Songs der Pet Shop Boys und behandelt ein hochpreisiges Unglück als erfolgreichster Popstar der Welt: "I can handle my shit / They said, 'Babe, you gotta fake it til you make it.' / And I did: Lights, camera, bitch smile / Even when you want to die." Die erste Single Fortnight mit Gast Post Malone könnte auch aus einer verstaubten Ablage der US-Autofahrer-unterwegs-Band The Cars stammen. Dasselbe lässt sich über das mit Florence + The Machine eingespielte Florida!!! sagen.

Taylor Swift

Übrigens attackiert Taylor Swift erstmals auch ihre Hardcore-Fans. Textlich wird das recht elegant versteckt: "I’ll tell you something right now / I’d rather burn my whole life down / Than listen to one more second of all this bitching and moaning / I’ll tell you something about my good name / It’s mine alone to disgrace / I don’t cater to all these vipers dressed in empath’s clothing." Bis zu den Wien-Konzerten im August werden wir das alles auswendig können. Wen das im Pop spätestens seit den Boygroups ewig leidende Gesumse nicht interessiert: auf Durchzug schalten. Es fällt nicht schwer. (Christian Schachinger, 19.4.2024)