Vergangenes Jahr fand in Wien ein Lichtermeer für Kinder aus der Ukraine statt. Jetzt bräuchte es auch noch die passenden Schulen und vor allem die Lehrerinnen und Lehrer, die sich um Kinder aus Kriegsregionen kümmern können.
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Wir haben ein Problem. Oder reden wir gerade eines herbei? Es geht um Flüchtlinge. Viele Menschen sehen es als Bedrohung, dass Österreich so viele Asylwerber aufnimmt, unterstrichen und befeuert wird das durch die Begleitmusik, die aus der Politik kommt: Dass Flüchtlinge eine Gefahr sind, der wir kaum noch gewachsen sind, wird vor allem von der FPÖ so kommuniziert, sehr stark aber auch von der ÖVP und von Teilen der SPÖ.

Was derzeit für Diskussionen sorgt, ist die ungewöhnlich hohe Anzahl an Menschen, die über die Familienzusammenführung nach Österreich kommen. Das sind enge Familienangehörige von Menschen, die in Österreich bereits Asyl bekommen haben. Und nein, es sind nicht Onkel, Tanten und Cousins, wie die FPÖ behauptet, es sind minderjährige Kinder, Eltern von minderjährigen Kindern und Ehepartner. Die Hälfte derjenigen, die jetzt über den Titel Familienzusammenführung nach Österreich kommen, sind Kinder, das sind etwa 500 im Monat. Und die brauchen eine Schule, entweder jetzt gleich oder in absehbarer Zeit. Das stellt vor allem Wien vor eine Riesenherausforderung.

Unsolidarische Länder

Der Bund und die anderen Länder zeigen sich in dieser Situation nicht sehr solidarisch. Die anderen Länder putzen sich ab. Wird Wien das hinkriegen? Das scheint auch der schwarz-grün geführten Bundesregierung herzlich egal zu sein.

Vorschläge, wie das zu meistern sei, gibt es, sie sind aber nicht praktikabel. Eine Nullquote lässt sich in der Praxis ebenso wenig umsetzen wie eine Obergrenze von 10.000. Den 10.001. Asylantrag nimmt man nicht mehr an? Oder lässt das Kind nicht einreisen? Auch der Vorschlag Wiens, eine Residenzpflicht einzuführen, also Asylberechtigten ein Bundesland vorzuschreiben, scheint rechtlich schwer bis gar nicht umsetzbar.

Chance, nicht Bedrohung

Aber es braucht Lösungen, in unser aller Interesse: Die Kinder, die da sind, müssen in die Schule gehen, es muss ihnen gutgehen, damit es auch der Gesellschaft gutgehen kann. Sie brauchen nicht nur Klassenräume, sie brauchen vor allem Lehrerinnen und Lehrer. Und zwar motivierte Lehrerinnen, die das nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen. Die gehören kräftig unterstützt und gut bezahlt.

Es wäre falsch, das Thema auf die leichte Schulter zu nehmen oder schönzureden. Das ist eine Herausforderung, die auch viele Probleme mit sich bringt. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und politischen Intrigen verschärfen sich diese Probleme, die wir letztendlich alle ausbaden müssen, wenn das Schulsystem nicht mehr funktioniert, Integration nicht stattfinden kann und die Gesellschaft auseinanderbricht. Das kann nur im Interesse derer sein, die unsere Gesellschaft zerstören wollen, um ein anderes politisches Modell draufzusetzen.

Was wir brauchen, ist Zusammenhalt, nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch politisch: Die Länder müssen solidarisch sein, und der Bund, die Bundesregierung muss alles tun, um Wien zu unterstützen. Die Politik muss alles tun, damit die Neuangekommenen gute Bürgerinnen und Bürger werden können. Das beginnt in der Schule. Und dann kann man auch über Rechte und Pflichten reden. Nein, wir brauchen nichts schönreden. Aber wir müssen handeln. (Michael Völker, 19.4.2024)