Ein politisches Comeback sorgte am Sonntag in Graz für Staunen: Mario Eustacchio, der ehemalige FPÖ-Vizebürgermeister von Graz, der vor zweieinhalb Jahren im Zuge der Finanzaffäre um mutmaßlich veruntreute Steuergelder seiner Stadtpartei zurücktrat, kehrt zurück. Nicht als Vizebürgermeister, denn seine Partei erlitt schon einige Wochen, bevor der Skandal ruchbar wurde, eine Wahlniederlage. Auch nicht als Blauer, denn Eustacchio trat auch aus der FPÖ aus.

Eustacchio wird von der gegen zehn Personen ermittelnden Staatsanwaltschaft in Klagenfurt (Graz gab den Fall wegen Befangenheit ab) als Beschuldigter geführt. Was ist nun die neue Aufgabe des Ex-Politikers und zwischenzeitlichen Beraters in der Stadtpolitik? Er nimmt ein Mandat wahr, das frei wurde, weil ein ebenfalls Beschuldigter aus dem Gemeinderat ausscheidet: Roland Lohr, bei dem zum Verdacht der Finanzdelikte Ermittlungen nach dem NS-Verbotsgesetz dazukamen.

Könnte schon in der nächsten Gemeinderatssitzung am Donnerstag als parteifreier Gemeinderat angelobt werden: Mario Eustacchio, ehemaliger Vizebürgermeister im ehemals schwarz-blauen Graz und weiterhin Beschuldigter im Finanzskandal der dortigen FPÖ.
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Wie berichtet, gab es auch eine Handvoll Unverdächtige, die die Partei übernahmen, aber nach kurzer Zeit von Landesparteichef Mario Kunasek, ebenfalls Beschuldigter in der Finanzaffäre, und Bundesparteichef Herbert Kickl aus der FPÖ ausgeschlossen wurden: Unter ihnen der heutige Klubchef des KFG (Korruptionsfreier Gemeinderatklub) Alexis Pascuttini und die KFG-Stadträtin Claudia Schönbacher.

Diese stellten nicht nur Fragen zu Geldströmen innerhalb der FPÖ, sondern wollten– anders als Kunasek – auch den belasteten Lohr nicht weiter in ihrem Klub haben. Sie gründeten nach ihrem Rauswurf den KFG. Die FPÖ selbst hat nach wie vor nur noch einen Mandatar: Günter Wagner.

Beschuldigter folgt Beschuldigtem

Denn Lohr verließ später selbst die FPÖ und saß viele Monate weiter als wilder Mandatar im Rathaus. Warum er genau jetzt ausscheidet, erklärt er mit "persönlichen Gründen".

Kundgetan hat Eustacchio seine Wiederkehr am Sonntag im von Anzeigen finanzierten Gratisblatt Der Grazer in einem Interview, in dem ihm kritische Nachfragen gänzlich erspart blieben. So behauptet Eustacchio darin zum Beispiel, dass nur "anonyme Anzeigen und anonyme Mitteilungen" zum Finanzskandal geführt hätten. Tatsächlich erstattete – wie in allen Medien berichtet – sein damaliger Klubfinanzreferent Matthias Eder im Herbst 2021 Selbstanzeige wegen rund 700.000 Euro veruntreuter Gelder.

Eder war jahrelang getreuer Weggefährte von Eustacchio, auch in deren gemeinsamer Burschenschaft. Dass er ein Bauernopfer sei im Finanzskandal, in dem wegen Untreue und Veruntreuung in der Höhe von rund 1,8 Millionen Euro ermittelt wird, stritt man in der FPÖ vehement ab. Es gilt für alle Genannten die Unschuldsvermutung.

In dem besagten Interview nennt Eustacchio nun auch gänzlich andere Gründe für seinen Rücktritt als im Herbst 2021. Damals führte er die Abwendung von Schaden an seiner Familie und seiner Partei als Beweggründe an, heute sagt er dem Grazer: "Der wirkliche Grund war, dass ich ein Angebot aus der Privatwirtschaft gehabt habe und ohnehin an meinen Stellvertreter Armin Sippel übergeben wollte." Sippel trat aber gemeinsam mit Eustacchio zurück.

Zur Erinnerung: Eustacchio und seinem früherer Klubchef Sippel wurde vorgeworfen, regelmäßig über Vereine, Barbehebungen oder Verfügungsmittel zusätzlich zu ihren Politikergehältern hohe Summen bezogen zu haben - ohne Parteibeschluss. Bei Eustacchio sollen das jährlich 50.000 Euro gewesen sein.

Dem STANDARD liegt nun eine Überweisung vor, wonach im Jänner 2017 die "Freiheitliche Partei Österreichs, FPÖ LP Steiermark Landesgeschäftsstelle" 50.000 Euro an das "FPÖ Stadtratsbüro Mag. (FH) Mario Eustacchio" überwiesen haben soll. Als Verwendungszweck wurde angegeben: "Zwischenfinanzierung laut Vereinbarung vom 17.1.2017".

Auf Nachfrage bei der Landespartei, ob es sich hier um eine dieser bereits bekannten oder zusätzliche 50.000 Euro handle, verweist der Pressesprecher der Landespartei auf Rechtsanwalt Christoph Völk. Doch der hatte am Sonntag keine Erklärung für die Überweisung, er müsse das erst im Akt nachsehen. Eine Möglichkeit sei, so Völk und der Pressesprecher, dass manchmal für eine Kontonummer verschiedene Kontoinhaber angeführt wurden bzw. der Name des Auftraggebers auf der Überweisung nicht vollständig ausgefüllt worden sei.

"Verhöhnung"

Als "Verhöhnung" bezeichnet KFG-Stadträtin Schönbacher Eustacchios Rückkehr, die Ankündigung im Grazer sei ein "Schönwetterinterview". "Er selbst könnte schnell und einfach Licht in den dunklen Finanzskandal bringen, sollte man meinen", schreibt Schönbacher in einem Pressestatement, "doch hier sieht man die Abgehobenheit sowie den mangelnden Respekt vor dem Steuerzahler".

Zudem glaube Schönbacher nicht, dass Eustacchio, wie er erzählt, noch nicht von der Kriminalpolizei einvernommen worden sei. Auf STANDARD-Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft sagt Behördensprecher Christian Pirker am Sonntag, es gebe "bezüglich einer Einvernahme keinen neuen Zwischenbericht der Kriminalpolizei im Akt". Zwischenberichte kämen aber nicht jede Woche, so Pirker.

Überraschte Koalition

Die regierende Koalition zeigte sich überrascht angesichts der Rückkehr Eustacchios als wilder Mandatar. "Diesen Fall hat die Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ zum Anlass genommen, die Klubförderrichtlinien grundlegend zu überarbeiten und transparenter zu machen", sagt KPÖ-Klubdirektor Hanno Wisiak dem STANDARD. Die Klubförderung sei schon "dreimal seit unserem Amtsantritt 2021 um jeweils zehn Prozent gekürzt" worden.

Klubchef Karl Dreisiebner von den Grünen ergänzt: "Die bis 2021 weitestgehend ungeregelte und folglich beinahe frei gestaltbare Verwendung der Klubförderung – immerhin einer städtischen Subvention aus öffentlichen Mitteln – hat offenbar über Jahre zumindest einen Klub dazu eingeladen, sogar die damaligen Nichtregeln mehr als auszureizen. Jeder Versuch, die damalige schwarz-blaue Koalition zu mehr Transparenz, Kontrolle und einer starken Subventionsordnung zu bringen, blieben von Schwarz-Blau ungehört."

Erst der Machtwechsel in Graz und das Bekanntwerden der FPÖ-Skandale in der Steiermark hätten bei "so gut wie allen im Gemeinderat vertretenen Parteien ein Umdenken" bewirkt, sagt Dreisiebner. (Colette M. Schmidt, 21.4.2024)