Der australische Künstler Archie Moore wurde auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen geehrt.
Der australische Künstler Archie Moore wurde auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen geehrt.
EPA/Andrea Merola

Im Unterschied zu Nachbarn in den Giardini war der Pavillon Australiens mit "Kith and kin" von Archie Moore an den Previewtagen in Venedig nicht durch lange Schlangen aufgefallen. Nachdem die Jury der Biennale das sehr zeitgemäße Projekt am Samstag mit einem Goldenen Löwen auszeichnete, änderte sich das schlagartig. Im Pavillon wird nicht nur die Genealogie der Ureinwohner des Kontinents rekonstruiert, der Künstler hat für sie auch einen würdevollen Erinnerungsort geschaffen.

Die australischen Aborigines repräsentieren zwar eine der ältesten ununterbrochenen Kulturen der Erde, in Ermangelung schriftlicher Zeugnisse und bedingt durch die gewaltsame Marginalisierung dieser Gruppe durch die britischen Kolonisatoren, gibt es jedoch massive Leerstellen in der Erinnerung dieses Volkes. Archie Moore, Jahrgang 1970 und selbst ein Angehöriger dieser Minderheit, recherchierte lange Zeit und widmet sich in "Kith and kin" ("Kind und Kegel", Anm.) verlorenem Wissen. Für den schwarzen Kubus des 2015 finalisierten Pavillons seines Landes schuf er eine eindrucksvolle Installation, die durchaus gerechtfertigt nun auch ausgezeichnet wurde.

Stammbäume mit Kreide gezeichnet

Nachdem die Besucherinnen und Besucher des Pavillons vorweg hingewiesen werden, dass es sich beim Projekt um eine Art Erinnerungsort handelt, kommt man nach dem Vorzimmer in einen schwach beleuchteten quadratischen Raum mit zwei Elementen: Auf einem ebenso quadratischen Podest im Zentrum stehen wohlsortierte Kopien von Archivdokumenten, die insbesondere vom Tod von vielfach inhaftierten Ureinwohnern erzählen.

An den Wänden rekonstruiert Moore schließlich Genealogien und zeichnete mit Kreide Stammbäume von konkreten Angehörigen seines Volkes. In den allermeisten Fällen lassen sich dabei einige direkte Vorfahren konkret benennen, ab der fünfte oder sechsten Generation ist nur noch von der ethnischen Zugehörigkeit die Rede, noch weiter zurück kann gar nichts mehr Konkretes gesagt werden. Der Künstler schreibt ab dieser Ebene nur noch Namen in den Ursprachen, die eine große Menge von möglichen Vorfahren darstellen, die seit mehr als 60.000 Jahren den australischen Kontinent bevölkern. Mit künstlerischen Mittelns kommen sie in Venedig somit in das kulturelle Gedächtnis zurück. (APA, 21.4.2024)