Vienna City Marathon Läufer Läuferinnen Publikum Strecke
Der 41. Vienna City Marathon hat mehr als 42.000 Menschen in den diversen Bewerben in Bewegung gesetzt – und die eine oder andere Frage aufgeworfen.
REUTERS/Lisa Leutner

Wien – Sie hat sich noch nicht verlaufen, im Gegenteil. Die Aufregung um die "Zeitumstellung", die der Vienna City Marathon (VCM) anlässlich seiner 41. Auflage am vergangenen Sonntag vorgenommen hatte, dauert an. Zur Erinnerung: Beim VCM wurde heuer erstmals nicht nur für die Elite, sondern für alle Teilnehmer die Bruttozeit ab dem Startsignal für eine offizielle Resultatliste herangezogen. Und nicht, wie bisher, die mit dem Chip gemessene Nettozeit von der Startlinie bis zur Ziellinie. So ergab es sich, dass nicht wenige den Eindruck bekamen, sie wären um ein besseres (offizielles) Ergebnis gebracht worden. Wobei von den VCM-Organisatoren betont wurde und es gar nicht verschwiegen werden soll, dass auch die "Chip Time" ausgeschildert ist samt der dazugehörigen Nettoplatzierung – dies zunächst aber eben quasi zweitrangig und nicht gereiht.

So ist Wien

Beim VCM hatte man sich nicht zuletzt auf eine Vorgabe des Weltverbands World Athletics (WA) berufen, der sich wünsche, dass unbedingt in jener Reihenfolge gewertet werde, in der der Zieleinlauf erfolge. Diesem Wunsch würde ein Ranking nach Nettozeiten zuwiderlaufen. Da könnte einer, der fünf Minuten später gestartet ist, einen anderen "überholt" haben, der das Ziel drei Minuten früher erreichte. Im Bereich der Hobbyisten kommt das unzählige Male vor, und es kam auch in Wien bis zum 40. VCM im Vorjahr unzählige Male vor – die Aufregung darüber hielt sich jedoch in Grenzen. Damals hatte man genau aus diesem Grund in Elite und Fußvolk unterschieden. Viele Marathons, auch die meisten großen, tun das nach wie vor. Sie gehen davon aus, dass sich die World-Athletics-Vorgabe rein aufs Elitefeld bezieht, und übermitteln dem Weltverband demgemäß auch nur das Elite-Resultat.

London ist anders

Siehe etwa Boston oder siehe London, wo ebenfalls am Sonntag gelaufen wurde, parallel zu Wien. Auf der Webseite des London-Marathons findet sich bei allen Finishern jeweils nur eine erzielte Zeit, aber es gibt eben zwei Kategorien, "Elite" und "Mass". "Elite" fasst die Läuferinnen und Läufer zusammen, die eingeladen oder jedenfalls registriert waren und deren Bruttozeit gemessen wurde, "Mass" meint alle anderen, deren (Netto)-Zeit vom Chip ausgeworfen wird. Fast auf den ersten Blick ist festzustellen, was die VCM-Organisatoren vermeiden wollten bzw. wollen. In London nämlich waren etliche "Hobbyläufer" unterwegs, die mit ganz ausgezeichneten Zeiten ins Ziel kamen, die zwei besten blieben sogar unter 2:15 Stunden. Wären sie unter "Elite" gelaufen, hätten sie dort die Plätze zwölf und 13 belegt. Die London-Veranstalter nehmen das sehenden Auges in Kauf, weil sie wiederum vermeiden wollen, mit einer generellen Bruttozeitmessung vergleichsweise viel mehr Teilnehmer vor den Kopf zu stoßen.

Freilich wäre auch Wien mit der Brutto-Betonung nicht allein auf weiter Flur. Die VCM-Organisation verweist etwa auf Salzburg, auf Valencia und Košice, den ältesten Stadtmarathon Europas. Dort würden die Bruttozeiten fürs offizielle Ranking herangezogen. "Und es wird niemandem etwas weggenommen", betonen die Wiener Veranstalter. Aber sie sagen auch, dass sie vom Ausmaß der Aufregung überrascht worden sind. "Wir nehmen zur Kenntnis, dass es Irritationen gegeben hat."

Urkunden werden verändert

Und so gab es bereits am Dienstag eine Reaktion auf die Irritation, und noch innerhalb der nächsten Tage soll es auch eine Umstellung geben. "Bei den Benennungen", kündigt das VCM-Team an, "werden wir wieder auf Brutto/Netto umstellen und die Möglichkeit bieten, beide Rankings anzuzeigen, wobei als Grundeinstellung die Nettozeit angezeigt werden wird. Die Urkunde, die bei mika:timing als Download vorhanden ist, wird ebenfalls deutlicher die Nettozeit ausweisen. Für die meisten Hobbyläufer*innen ist die Nettozeit ja das persönlich wichtige Resultat innerhalb eines großen Teilnehmerfeldes." Was die erste Fünf-Kilometer-Splitzeit angeht, so wurde bereits eine nachträgliche Adaptierung vorgenommen. Diese Splitzeit wird nun als "Nettozeit" ab dem Überqueren der Startlinie angezeigt, nicht wie zuvor als Zeit ab dem Startsignal. "Es tut uns leid", hält die VCM-Organisation fest, "dass es hier eine unpassende Darstellung gab."

Was Rekorde, Bestleistungen, Rankings von Verbänden, Top-Platzierungen oder Siegerehrungen auch in Altersklassen angeht, so werde beim VCM weiterhin "die Bruttowertung zum Tragen kommen". Da habe der VCM gar keine andere Wahl, als sich an das World Athletics Book of Rules zu halten. Denn dieses bilde "für alle beim Österreichischen Leichtathletik-Verband gemeldeten Laufveranstaltungen den Rahmen".

Linz ist anders

Zwei Wochen vor dem VCM hatte es auch beim Linz-Marathon etliche Zeitnehmungsirritationen gegeben. Resultate von Eliteläufern mussten nachträglich um einige Sekunden korrigiert werden, so auch die Siegerzeit von Goitom Kifle aus Eritrea von 2:08:11 auf 2:08:15 Sekunden. Auch Linz weist Brutto- wie Nettozeiten aus, allerdings kommt die Bruttozeit ausschließlich im Elitebereich zur Geltung, für die Hobbyisten wird die Netto- bzw. Chip-Zeit herangezogen. "Wie soll ich einem Hobbyläufer erklären, dass er sich vor dem Start genau dort hinstellt, wo er stehen soll, wenn er dann im Ziel ein paar Minuten auf seine Zeit aufgebrummt bekommt", fragt sich der ehemalige Spitzenläufer und Linz-Marathon-Organisator Günther Weidlinger. "Und wie soll ich ihm danach erklären, dass er mit 4:07 Stunden in einer Ergebnisliste steht, wenn er de facto 3:59 gelaufen ist?" Fragen, die nun auch der Vienna City Marathon weitgehend beantwortet haben will. (Fritz Neumann, 23.4.2024)