John Zorn mit Sängerin Barbara Hannigan, die sich mit seiner Komposition quält.
John Zorn mit Sängerin Barbara Hannigan, die sich mit seiner Komposition quält.
Filmgarten

Heiter ist jene Szene, in der John Zorn sein Wissen über Weißwurst und ihr Verhältnis zum Österreicher preisgibt. Der Österreicher, so Zorn, schäle die Weißwurst nicht, er sauge sie tatsächlich einfach aus, erzählt er einer lachenden Kollegenschaft. In der Trilogie John Zorn I, II, III über den komponierenden Saxofonisten aus New York ist auch für Verwechslungen von Bayern und Alpenrepublik Platz, und das ist gut so. Man kommt dem ernsten Innovator im Geiste der Postmoderne unerwartet nahe.

Bedenkt man, dass Zorn mittlerweile zu einer Art Abwesenheitsfigur wurde, die öffentliche Statements scheut und sich konzertmäßig rarmacht, erlangen solche Szenen erhellende Reize. Es gab eine Zeit, da pilgerte John Zorn mit seinem Stilmix ohne Unterlass durch die Welt. Seine Band Naked City raste durch Klänge, deren rhythmischer Charakter an Trickfilmmusik gemahnte. Zorns Blitzreise durch die Musikgeschichte entführte hörend Staunende vom Hardcore zum Free Jazz, von rasanter Bop-Linearität zur Westernmusik, von Noise zum Kitsch. War etwas Neues – dann tauchte Zorn irgendwann aber ab.

Zorn und die Kollegen

Das hier Paradoxe: Der Stilnomade, der sich zurückzog und sich auf ganz persönliche Identitätssuche begab, die ihn zu seinen jüdischen Wurzeln zurückführte, hat Regisseur Mathieu Amalric selbst animiert, ihn filmisch zu begleiten. Entstanden ist seit 2010 eine Trilogie, die Zorn ausgiebig auch bei der Interaktion mit seiner Kollegenschaft zeigt.

Wer sich für die Genese von Interpretationen interessiert, wer Backstage-Emotionen näher studieren mag, wird reichlich mit Nahaufnahmen beschenkt. Da übt Gitarrist Marc Ribot recht hilflos Passagen unter Zorns beobachtender Anleitung. Da wird episch das quälende Erarbeiten eines Werkes für Sopranistin Barbara Hannigan ausgebreitet. Die Verzweiflung über ihre "Unfähigkeit", manche Passagen zu bewältigen, drückt sie brieflich aus und fleht von der Verpflichtung entbunden zu werden. In ebendieser Form antwortet Zorn so beharrlich wie pathetisch aufmunternd. Schließlich gelingt das Stück Jumalatteret, dem Zweifel folgt gewissermaßen die Lust am Gelingen.

Epische Szenen

Im Gegensatz zu Zorns Musik, die schnelle Wechsel forciert, hat Mathieu Amalric hier oft lange draufgehalten, um in die Tiefe zu gehen und Szenen Zeit zu geben, sich zu entfalten. Eine Stärke der Doku. In der Entschleunigung kommt Authentisches zum Vorschein.

Da sitzt Zorn andächtig und einsam an der Orgel, spielt, während er das Tasteninstrument zugleich mit Saxofontönen würzt. Zorn, mittlerweile vor allem Komponist, schildert auch das Schreiben als einen Akt der Selbsthypnose, bei dem sich ein Stück irgendwann selbst fabriziert. Das dürfte doch hin und wieder passieren. Nach der Trilogie will man sich den Mann als doch oft zufriedenen Musiker vorstellen. (Ljubiša Tošić, 26.4.2024)