Jeder noch so gute Plan hat irgendwo seine schwächste Stelle. In jenem von Rolf Majcen entpuppte sich diese als der Lauf auf den 510 Meter hohen Goldvaterberg in Oberpetersdorf im Südburgenland. Ultrafad ist der "Aufstieg" nämlich, der fadeste von Majcens Tour, meint der Extremsportler. "Aber ich musste da hinauf", sagt er. Und letztlich war es dann doch ganz schön.

Rolf Majcen bei einem Gipfelkreuz.
23 Gipfelkreuze gibt es im Burgenland. Extremsportler Rolf Majcen ist sie alle angelaufen. An einem Tag. 16 Stunden hat er dafür gebraucht, und es war ihm ein Training für seinen nächsten Lauf in den Rocky Mountains.
Rolf Majcen

Das war am 11. April. In den Monaten davor hatte Majcen, der im niederösterreichischen Teesdorf lebt, versucht, alle Gipfelkreuze im Burgenland zu recherchieren. Das macht nicht einmal ein extremer Mensch wie Majcen einfach nur zum Spaß.

Er tat dies in Vorbereitung auf seinen Lichtbildervortrag "Berge Burgenlands", mit dem er ab Herbst auf Tour gehen möchte. Dafür ist er bereits viel im Burgenland unterwegs gewesen, hat Bilder aufgenommen und für diese versucht, Positionen zu wählen, die es ihm erlauben, den menschlichen Einfluss auf die Landschaft wegzulassen. Und auf seinen Touren ist er unweigerlich auf Gipfelkreuze gestoßen.

"Ich bin Bergsteiger und Alpinist", sagt der Mann, der schon im Mutterbauch auf dem Kilimandscharo war, dann in Südafrika geboren wurde, später in Graz studierte: "Gipfelkreuze sind für mich etwas Schönes."

Die Stiegen der Welt

So war es also gar nicht mehr so weit zur Idee, alle Gipfelkreuze im Burgenland aufzusuchen. Dabei gab nur eine Hürde: Es existiert tatsächlich kein Verzeichnis aller Gipfelkreuze im Burgenland. Was nur ein weiterer Ansporn für Majcen war, der sich vor der Pandemie einen Namen damit gemacht hatte, mit anderen Menschen um die Wette die Stiegenhäuser der höchsten Gebäude der Welt zu durchmessen.

Majcen beim Laufen in einem Weinberg.
Manchmal führt der Weg zum Kreuz am Wein vorbei.
Rolf Majcen

158 Treppenläufe auf fünf Kontinenten hat er gemacht – bevor er sich auf die Suche nach den Gipfelkreuzen im Burgenland machte. "Ich bin auf 23 Gipfelkreuze gekommen", sagt Majcen, und: "Zugegeben, zwei, drei sind dabei, die nur auf einem sehr kleinen Hügel stehen, dennoch habe ich sie mit aufgenommen, um nicht den Anschein zu erwecken, etwas übersehen zu haben." Mit dieser Liste ausgestattet war es für den Extremsportler gedanklich nur mehr ein Katzensprung dahin, alle Gipfelkreuze an einem Tag anlaufen zu wollen.

Die Etappen zwischen den Bergläufen erledigte er mit dem Auto. Dennoch steht am Ende im Tagebuch eine Laufstrecke von 36 Kilometern – mit 1530 Höhenmetern. 16 Stunden dauerte die Gipfeltour, die um fünf Uhr morgens, noch im Dunkeln, in Neusiedl am See begann.

Überraschung im Dunkeln

Bei sternenklarem Himmel bestieg Majcen mit einer Stirnlampe den 159 Meter hohen Kalvarienberg. "Der erste Gipfel war schon sehr eindrücklich", erzählt er später. "Es war der letzte Gipfel, den ich erforscht habe. Ich war beim Erkunden tagsüber dort, und es war wegen der Aussicht so schön. Im Finstern war es noch einmal beeindruckend: Der Blick über die beleuchteten Kirchen von Neusiedl und Jois zum Leithagebirge erinnerte mich an Bergdörfer in den Dolomiten."

Aber es sollte eben nicht nur so schön weitergehen, auch wenn als Nächstes der Sonnenaufgang mit einem herrlichen Morgenrot über dem Neusiedler See vom Sühnekreuz auf dem 269 Meter hohen Kirchberg folgen wird. Doch mit jedem Gipfel, den Majcen erklimmt, nähert er sich auch dem Goldvaterberg.

Weil oben auf dessen Spitze jemand mit Birkenholz ein Gipfelkreuz errichtet hatte, konnte er den Berg schlicht nicht auslassen. Da tat es nichts zur Sache, dass der Aufstieg über einen langweiligen Forstweg ohne schöne Aussicht führte. Wohl aber, dass das Gipfelkreuz inzwischen zerfallen ist. Denn Majcen nahm alles mit hinauf, was er brauchte, um das alte Kreuz notdürftig wieder aufzustellen. "Jetzt steht es wieder dort, und auf den fadesten Aufstieg folgte eines der schönsten Gipfelerlebnisse."

Noch eine Überraschung im Dunkeln

Alle anderen Läufe waren toll, die Gipfel schnell zu erreichen. "Völlig überrascht hat mich der Tafelberg in Jennersdorf", erinnert sich der Sportler. Es war schon dunkel, als er auf dem Gipfel ankam, und das Kreuz war beleuchtet. "Auf dem vorletzten Berg meiner Tour war das noch einmal ein richtiger Motivationsschub."

Fast immer kommt Majcen auf die schöne Aussicht zu sprechen, die er auf seiner Tour hatte. Im Norden sind es der Schneeberg und das Ruster Hügelland mit dem Neusiedler See, im Mittelburgenland die Weingärten, im Südburgenland der Blick auf die Burg Güssing oder jener hinüber nach Slowenien.

Rolf Majcen beim Wegweiser zum Gipfelkreuz in Oggau.
Rolf Majcen nutzt den Wegweiser zum Gipfelkreuz in Oggau für ein Foto.
Rolf Majcen

Doch für Letzteren war es schon zu finster, als Majcen von Bonisdorf über 132 Stufen auf den 418 Meter hohen Stadelberg lief. "Es war 20.45 Uhr. Ich war ganz allein, und es war nichts zu hören außer dem Geschrei von ganz vielen Eulen. Es war wirklich einzigartig. Das ist eine Gegend, in der das Burgenland nur mehr Natur und Vogelparadies ist."

Zu wenig fordernd war ihm die Tour nicht. Vielmehr diente sie ihm als Training für sein nächstes Abenteuer, ein Berglauf in sechs Wochen, in den Rocky Mountains. Ein Halbmarathon. Einen ganzen ist er zuletzt in Linz gelaufen.

Steilhang-Training

"Das Burgenland wird oft als flach belächelt, und ich habe selber schmunzeln müssen, als ich ein Verkehrsschild sah, das vor der Steigung warnte – aber es gibt sie, die steilen Wege und Straßen", erzählt er – und von einem Hang, den er zu Trainingszwecken 30-mal hinauflaufen muss – weil er zwar steil, aber eben auch kurz ist.

"15 Gipfel über 700 Meter gibt es im Burgenland, davon sind sechs 800er. Wenn man die auf einer ausgewählten Route besteigt, dann sind das wunderschöne Bergtouren", verspricht er. Folgt nach seinen Steiermark-Wanderbüchern etwa eines über das Burgenland? Angedacht muss er das schon haben, wenn er sagt: "Daran hat kein Verlag Interesse." Aber wenn sich das ändert, Rolf Majcen würde es schreiben. (Guido Gluschitsch, 27.4.2024)