Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Hochhausquartiers The Marks lösten den Dezibelstreit aus.
Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Hochhausquartiers The Marks lösten den Dezibelstreit aus.
APA/EVA MANHART

An manchen Freitagvormittagen sind Termine mit der MA 36 etwas Schönes. "Die Behördenverhandlungen sind positiv verlaufen", erzählt Mario Weisch, Kulturmanager der Arena Wien. Nur Detailfragen müssen noch geklärt werden. Dass sich die Nachbarn im neuen Hochhausquartier The Marks über den Lärm der Open-Air-Events beschwerten, stürzte das selbstverwaltete Kulturzentrum voriges Jahr in eine Krise. Seitens der MA 36 wurden dann auch Indoor-Events bis in die frühen Morgenstunden untersagt. Die ersten Veranstalter sagten ihre Partys ab – eine schnelle Lösung musste her.

In der vergangenen Woche wurde das hochmoderne Soundsystem Panther der Firma Meyer geliefert und eingerichtet. Mit 595.000 Euro hat sich die Stadt Wien daran beteiligt. "Mit dem neuen System ist es möglich, passgenau dort hinzusteuern, wo man den Sound braucht", erklärt Mario Weisch. Das heißt, die Lautstärke auf dem Gelände bleibt gleich, während die Schallemissionen nach außen minimiert werden. "Für das Publikum klingt die Arena in Zukunft noch besser", sagt der Kulturmanager.

Solidarische Bewohner

"Wir haben nicht damit gerechnet, so schnell Förderungen in dieser Höhe zu erhalten", sagt Thomas Kern, der stellvertretende Obmann der Arena. Viele Bewohner seien auch solidarisch gewesen. "Auf Instagram kann man sehen, wie viele von ihren Balkonen aus bei den Konzerten mitfilmen", lacht Weisch. Aber wie viele Beschwerden waren es überhaupt, die diesen umständlichen Umbau ausgelöst haben? "Ich habe vielleicht vier E-Mails bekommen, die mit einer netten Antwort aber auch wieder abgeschlossen waren", erzählt er. Laut dem Kulturmanager sind bei der MA 36 im vergangenen Jahr 33 Beschwerden eingegangen, im Kontext von über 20 Open-Airs sei das gar nicht besonders viel. "Oft rufen dieselben Leute an", sagt er.

Das neue Soundsystem
Das neue Soundsystem Panther der Firma Meyer Sounds soll für gleichbleibende Lautstärke auf dem Gelände bei weniger Emissionen außerhalb sorgen.
APA/EVA MANHART

Dietmar Klose, Abteilungsleiter der MA 36, will sich nicht konkret zur Arena äußern. Grundsätzlich müsse aber jeder Beschwerde nachgegangen werden. Auch eine reiche schon aus. "Wenn die Beschwerde die Lautstärke einer Veranstaltung betrifft, wird überprüft, ob die gesetzlich vorgegebenen Lärmwerte eingehalten sind", erklärt der Jurist. Die Messung erfolge durch eine sachverständige Person der Behörde. Lokalbetreiber kritisieren, dass auch ein Amtsarzt hinzugezogen werden kann, der ohne weitere Schallmessung ein Gutachten erstellen darf. Laut Klose ist die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen selten.

Kein Einzelfall

Dass bereits eine Beschwerde reichen kann, weiß auch Sami Ercan, der am Gürtel den Kramladen betreibt. "Bei uns beschwert sich seit mehr als einem Jahr anonym eine Dame", sagt er. Auch bei der MA 36 hat sie Beschwerde eingereicht, und es kam zu einer Messung. "Wir haben den Bereich um das DJ-Pult von beiden Seiten zehn Zentimeter dick mit Spezialmaterial isoliert. Dann hat es erneute Messungen gegeben", sagt Ercan. Das Verfahren laufe noch. Laut Bezirksgrenze ist der Kramladen im achten Bezirk, von dieser Seite gebe es auch keine Beschwerden. "Wir warten ab und spielen inzwischen leiser", sagt er und hofft, dass jetzt alles in Ordnung ist. Immerhin will er keine Probleme mit der MA 36 haben.

Probleme mit Anrainern kennt auch Rudolf Konar, einer der Geschäftsführer der Strandbar Hermann. "Wir haben bestimmt schon 50.000 Euro in Lärmschutzgutachten investiert", erzählt er. "Wenn ein Anrainer sich gestört fühlt, muss die Behörde dem nachgehen, auch wenn dieser Anrainer physikalisch gar nicht von unserer Emission erreichbar ist", klagt der Lokalbetreiber. Für die Strandbar Hermann sind Beschwerden laufend ein Thema. "Wir machen eigentlich nur Hintergrundmusik, die man bei uns auf dem Gelände nicht einmal überall hört." Auch er kritisiert die Willkür bei Hinzuziehung eines Amtsarztes. "Wenn es ein schwerhöriger Amtsarzt ist, hat es der Betreiber leichter", witzelt er mit ernstem Unterton.

Kunstfreiheit

Der Vienna Club Commission, einer kostenlosen Servicestelle für Anliegen im Wiener Club- und Veranstaltungsbereich, sind alle diese Probleme auch bekannt. Gemeinsam mit der Universität für Musik und darstellende Kunst hat die Vienna Club Commission ein Gutachten zur Wesensveränderung von Musikspielstätten durch behördliche Auflagen veröffentlicht. Das Verbot von zu lauten Instrumenten könne man nämlich auch als Eingriff in die Kunstfreiheit werten. "Wenn es so weitergeht, dass jede Lärmbeschwerde zu Einschränkungen führen kann, die auf den Club zurückfallen, wird sich die Clubkultur in der Form nicht mehr qualitativ hochwertig halten können", sagt Geschäftsführerin Martina Brunner. (Jakob Thaller, 27.4.2024)