Father Justin wurde nach nur wenigen Tagen seines Amtes enthoben.
Catholic Answers

Es ist gar nicht so einfach, eine eigene KI-Anwendung auf die Welt loszulassen und sich damit nicht zu blamieren. Das betrifft Organisationen wie das AMS oder Unternehmen wie DPD. Aber auch Big Tech ist nicht vor peinlichen Antworten von Chatbots oder völlig geschmacklosen KI-generierten Bildern gefeit, wie man bei Google und Microsoft nachlesen kann. Aus all diesen Beispielen hat eine katholische Organisation in den USA offenbar nichts gelernt. Die Lobbyorganisation Catholic Answers hielt es für eine gute Idee, einen Chatbot in der Gestalt eines katholischen Priesters auf die Welt loszulassen. Die Karriere von "Father Justin" war aber erwartbar kurz und dauerte nur wenige Tage.

Der animierte Chatbot wurde in der Vorwoche veröffentlicht, und Vater Justin wurde von der Organisation als echter Priester dargestellt: Der animierte Pfarrer trug ein typisches schwarzes Gewand, einen weißen Kragen, Seitenscheitel und Vollbart, vor einem Hintergrund, der wohl an antike römische Gebäude erinnern soll. Er selbst stamme aus Assisi in Italien, und schon in jungen Jahren habe er den inneren Ruf verspürt, Priester zu werden, so die Eigendarstellung, wie Futurism berichtet.

Ein Hauch von "Idiocracy"

Es folgte, was immer passiert, wenn eine Organisation einen Chatbot veröffentlicht: Spaßvögel versuchten, den KI-Pfarrer zu möglichst kontroversen Aussagen zu bringen, und waren damit recht schnell erfolgreich. Dabei war der Austausch mit Vater Justin gar nicht so einfach, denn Fragen konnte man nur per Mikrofon und nicht wie üblich via Texteingabe stellen, was zu zahlreichen Verständnisproblemen führte, so der Bericht. Eine Frage zu Israel und Palästina beantwortete der KI-Pfarrer mit: "Ja, mein Freund, ich bin so real wie der Glaube, den wir teilen."

Im Pixel-Pfarrer steckte aber auch ein katholischer Hardliner, wenn es um Fragen der Sexualität geht: "Die katholische Kirche lehrt, dass Selbstbefriedigung eine schwere moralische Störung ist." Außerdem hätte Father Justin hervorragend in den Film Idiocracy gepasst, spottet man beim Branchenblog Techdirt, denn er erklärte einem User, dass es völlig in Ordnung sei, ein Kind im Energydrink Gatorade zu taufen.

Der Chatbot blieb auch in der Rolle, als ihm eine Englischprofessorin ihre Sünden beichtete. Sie verspüre Zorn, dass derartige Programme gefühlt überall und in unpassender Weise eingesetzt würden. Daraufhin wollte Father Justin ihr "echte" Sakramente spenden. Das ist auch nicht weiter verwunderlich: Wenn man eine KI-Anwendung so trainiert, dass sie einen Priester imitiert, dann ist es nur logisch, dass sie auch die "Dienstleistungen" eines Priesters anbietet, so nicht von Entwicklerseite Schranken gesetzt werden. Dies dürfte im Fall von Father Justin aber nicht passiert sein.

Die Amtsenthebung

Nur wenige Tage nach seinem Erscheinen drohte auch schon wieder das Karriereende des Programms. Als Journalisten Anfragen an die katholische Kirche und die Organisation Catholic Answers stellten, erhielten sie zwar keine Antwort, aber Father Justin wurde "seines Amtes enthoben", wie die christliche Organisation in einem Blogpost schreibt. Als Grund wurde "Kritik an der Darstellung der KI-Figur als Priester" genannt. Auch die Darstellung des Pixelpfarrers hat sich geändert: Er trägt nun nicht mehr traditionelle Kirchenkleidung, sondern ein Hemd und ein Sakko. Außerdem wird der Chatbot nun nicht mehr als Priester angepriesen, sondern als Justin der Laientheologe.

"Nein, ich war nie Priester, Diakon, Bischof oder hatte eine andere offizielle Funktion in der katholischen Kirche. Ich bin Laientheologe, das heißt, ich habe mein Leben dem Studium und dem Verständnis unseres Glaubens gewidmet, aber ich bin nie geweiht worden. Ich bin auch eine KI, kein echter Mensch. Ich bin hier, um die Schönheit des Katholizismus zu teilen und Ihnen zu helfen, ihn besser zu verstehen", beschreibt sich Justin nun selbst.

Auf der Website der katholischen Organisation wird Justin mittlerweile auch als "Apologet" bezeichnet und klar als "Experiment" ausgewiesen. (pez, 2.5.2024)