Stanisław Zalewski im Jänner 2023 bei einer Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz.
Stanisław Zalewski im Jänner 2023 bei einer Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz.
AP/Michal Dyjuk

"Sie sehen gut aus!" Diesen Satz hat der mittlerweile 99-jährige Pole Stanisław Zalewski schon oft gehört. Allein im Film Botschafter des Erinnerns – Ambasador Pamięci, der am Dienstagabend in Wien präsentiert wird, hört man ihn mehrmals. "Ich muss ja auch gut aussehen", antwortet er einmal. Nicht für sich selbst, sondern für die anderen. Denn Stanisław Zalewski hat eine Mission: Er erzählt von seiner Gefangenschaft in den Konzentrationslagern der Nazis – "damit so etwas nie wieder passiert".

Für den Umgang mit dem Erlebten hat er sich eine ganz persönliche Strategie zurechtgelegt. Oder zumindest eine Metapher, mit der er diesen Umgang am besten beschreibt: Er hat seine Erinnerungen in eine wasserdichte Kiste gepackt, diese fest verschlossen, mit einer Schnur umwickelt und dann ins Wasser geworfen. Dort unten, am Meeresgrund, belässt er sie eigentlich auch gerne. Außer er wird gefragt. Dann zieht er die Kiste hoch und spricht, benützt den Inhalt als Werkzeug, um an dem zu arbeiten, was ihm am wichtigsten ist: daran, dass "der Mensch dem Menschen ein Freund ist".

Wie schwierig ist das? Und hat der Umgang mit eigenem Hass dabei jemals eine Rolle gespielt? Zalewski ist tatsächlich einer, der mit dem Erlebten arbeiten will, anstatt nur darin zu wühlen. Entsprechend ist er um Distanz bemüht: "Als ich zur Schule gegangen bin, haben wir in Mathematik noch Rechenschieber benutzt, mittlerweile sind daraus richtige Wunder entstanden", sagte er nach der Presseaufführung am Montag zum STANDARD. Den Film hatte auch er da zum ersten Mal gesehen. "Ich bin kein Freund davon, das Damals mit dem Jetzt zu vergleichen. Man muss die Welt so wahrnehmen, wie sie heute ist. Sich ständig nur mit der Vergangenheit zu beschäftigen, das wäre eigentlich ein Rückschritt."

Politischer Häftling

Zalewski wurde 1925 in Polen geboren. Als Hitlerdeutschland sein Land überfiel und so den Zweiten Weltkrieg auslöste, war Zalewski gerade mal 14 Jahre alt. Er begann eine Ausbildung als Automechaniker und schloss sich bald einer Widerstandsgruppe an, wo er unter anderem versuchte, durch Sabotage an Fahrzeugen seinen Beitrag zum Kampf gegen die Besatzer zu leisten. Und er malte mit Gleichgesinnten Zeichen des polnischen Widerstands an Warschauer Hauswände.

Dass man dabei nur Gebäude auswählte, in denen bereits niemand mehr wohnte, wirft ein helles Schlaglicht auf die Atmosphäre im besetzten Polen: Es sollten keine Menschen in Gefahr gebracht werden, denen man das Anbringen der Symbole an ihrem Haus vielleicht angelastet hätte. Im September 1943 aber wurde Zaleswki bei solch einer Aktion selbst erwischt und verhaftet. Es war der Beginn seiner Odyssee durch drei Konzentrationslager, in denen er insgesamt 600 Tage verbrachte – bis zur Befreiung im Mai 1945.

Stanisław Zalewski hat als politischer Häftling Auschwitz, Mauthausen und Gusen überlebt. Regisseurin Magdalena Żelasko kehrte gemeinsam mit ihm an die Originalschauplätze zurück, ließ ihn erzählen, gab ihm viel Zeit, um seine Botschaft zu vermitteln. Drei Jahre lang begleitete sie ihn immer wieder auf seinen Reisen und erzählte dann weitgehend chronologisch, ohne dramaturgische Effekthascherei. 100 Stunden Material hat sie gesammelt. 100 Minuten Film sind am Ende daraus geworden.

Keine fremde Stimme

"Als ich Herrn Zalewski vor vier Jahren kennengelernt habe, konnte ich nicht glauben, dass noch niemand einen Film über ihn gemacht hat", erzählt sie. Wo im Film Polnisch gesprochen wird, gibt es deutsche Untertitel – und umgekehrt. Entsprechend wird es künftig auch Untertitel in vielen anderen Sprachen geben. Auf Voiceover, also gesprochene Übersetzungen, hat Żelasko bewusst verzichtet: "Wir wollten die Stimme von Herrn Zalewski unbedingt beibehalten und nicht mit einer Übersetzung überdecken."

Ab 1. September 2024, 85 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, wird Botschafter des Erinnerns – Ambasador Pamięci in ganz Österreich und in zahlreichen weiteren Ländern im Kino zu sehen sein. Wenig später feiert Stanisław Zalewski seinen 100. Geburtstag. (Gerald Schubert, 6.5.2024)