In Summe 2400 Ideen für ein besseres Klima wurden in den vergangenen zwei Jahren eingereicht und diskutiert.
MA 20/Christian Fürthner

Eine riesige Blumenwiese, ein Mini-Wald und Toiletten mit Sägespäne-Spülung in Parks: Das sind drei Beispiele für Klimamaßnahmen, die sich Wienerinnen und Wiener für Simmering gewünscht haben. Und die auf Kosten der Stadt Wien tatsächlich umgesetzt wurden.

Möglich gemacht hat das ein Bürgerbeteiligungsprojekt: das Klimateam. Die Idee: Bürgerinnen und Bürger sollen die sozialökologische Transformation mitgestalten, die im Kampf gegen den Klimawandel als nötig erachtet wird. 2022 startete das Projekt als Pilotversuch, ab heuer ist es ein fixes Angebot. Oder, wie Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) zum STANDARD sagt: "Die Klimateams sind gekommen, um zu bleiben."

Konkret heißt das: Ab nun werden jedes Jahr drei Bezirke ausgewählt, für die Bürgerinnen und Bürger Maßnahmen mit positiver Wirkung auf das Klima entwickeln können. 2024 sind der Alsergrund, Meidling und Rudolfsheim-Fünfhaus an der Reihe, wurde jetzt fixiert. Genauso wie die eine oder andere Änderung im Ablauf – unter anderem, um einen zentralen Kritikpunkt an derartigen Formaten zu adressieren: fehlende Transparenz.

Erfolgreiches Experiment

Grundsätzlich ist der Prozess beim Klimateam vierstufig. Erstens reichen Bürgerinnen und Bürger in den ausgewählten Bezirken ihre Ideen ein. Zweitens wird stadtintern geprüft, ob die Vorschläge sozial gerecht sowie binnen zwei Jahren realisierbar sind und ob der Magistrat Kapazitäten zur Umsetzung hat. Ist das der Fall, kommen die Ideen weiter: Sie werden drittens konkretisiert – bei einem physischen Treffen zwischen Ideengeberinnen und Magistratsmitarbeitern. Viertens wählt eine Jury, bestehend aus Bürgerinnen und Bürgern, aus den verfeinerten Vorschlägen jene aus, die Realität werden. Pro Bezirksbewohnerin und Bezirksbewohner stellt die Stadt dafür 20 Euro bereit.

"Wir wollen uns nicht zur Beratung zurückziehen, sondern gemeinsam beraten", sagt Czernohorszky. "Das schafft Vertrauen."
APA/EVA MANHART

Das klingt zwar etwas kompliziert. Aus Rathaus-Sicht zahlt sich der Aufwand aber aus, wie eine Evaluierung der Pilotphase ergab. In Summe 2400 Ideen kamen demnach binnen zwei Jahren in sechs Bezirken zusammen, 53 Projekte wurden beziehungsweise werden realisiert. Die Zahl der Einreichungen habe die Erwartungen übertroffen, sagt Czernohorszky: ein Indiz dafür, dass man das Bedürfnis abhole, das eigene Grätzel mitzugestalten.

Weiteres Resultat: Für einen beträchtlichen Anteil war das Klimateam eine Premiere. 2023 betrug der Anteil jener, die zuvor noch nie bei einem Beteiligungsprojekt mitgemacht hatten, 60 Prozent. Ein noch etwas größerer Anteil hat das Experiment augenscheinlich nicht bereut: 66 Prozent wollen in Zukunft definitiv wieder bei einem derartigen Format dabei sein.

Los für mehr Diversität

Was die Auswertung noch nahelegt – und worauf man im Klimaressort besonders stolz ist: Es wurden Menschen erreicht, die für Beteiligungsangebote schwer zu gewinnen sind. Um sich einzubringen, braucht es nämlich Ressourcen. Sprachkenntnisse und Bildung etwa, oder Zeit, die nicht für Erwerbsarbeit aufgewendet werden muss. Deshalb ist es mitunter schwierig, in solchen Formaten gesellschaftliche Diversität herzustellen.

Beim Klimateam bedient man sich deshalb eines Tricks: Während sich jede und jeder eigeninitiativ dafür entscheiden kann, eine Idee einzureichen, werden die Jurymitglieder im ganzen Bezirk ausgelost. So werden nicht nur jene angesprochen, die sich von sich aus beteiligen. Der Effekt: Hatten unter den Ideeneinreichern nicht einmal zehn Prozent eine andere Erstsprache als Deutsch, war es in der Jury ein Viertel. Und: In der Jury war der Anteil Einkommensschwächerer deutlich höher als unter den Einreichern.

Neuer Rhythmus

Eine Schwäche offenbarte die Evaluierung auch: mangelnde Nachvollziehbarkeit – besonders bei der Prüfung der Ideen, also im zweiten Prozessschritt. Daher werden Einreichungen künftig nicht stadtintern, sondern gemeinsam von Bürgern und Magistratsmitarbeiterinnen gesichtet. Sie entscheiden zusammen, welche Ideen weiterkommen. "Wir wollen uns nicht zur Beratung zurückziehen, sondern gemeinsam beraten", sagt Czernohorszky. "Das schafft Vertrauen."

Weitere Neuerungen: Man will künftig verstärkt in einfacher Sprache und Fremdsprachen über das Klimateam informieren. Auch der zeitliche Ablauf wird justiert. Bisher wurden die Ideen ab Frühling gesammelt und im Winter die Siegerprojekte gekürt. Künftig werden die Sommerferien ausgeklammert. Ab heuer startet die Ideensuche erst im Herbst. Und die Sieger – egal ob Blumenwiese, Wäldchen, Spezialklo oder ganz etwas anderes – stehen zu Schulschluss fest. (Stefanie Rachbauer, 10.5.2024)