Überschwemmte Straße
Aufnahme aus Rio Grande do Sul vom 9. Mai.
AFP/ANSELMO CUNHA

Porto Alegre – Nach äußerst heftigen Regenfällen im Süden Brasiliens kämpfen die Menschen in der Region gegen die Wassermassen. Im Teilstaat Rio Grande do Sul standen große Landstriche unter Wasser, Straßen und Häuser wurden überschwemmt. 107 Menschen kamen infolge des Unwetters bisher ums Leben, teilte der örtliche Zivilschutz am Donnerstag mit. "Die Auswirkungen der Überschwemmungen und das Ausmaß der Tragödie sind verheerend", schrieb der Gouverneur von Rio Grande do Sul, Eduardo Leite.

Seine Regierung gehe davon aus, dass für den Wiederaufbau mindestens 19 Milliarden Reais (3,4 Milliarden Euro) benötigt werden, so Leite auf X. Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte der Region ein Hilfspaket in Milliardenhöhe zu. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Bürokratie uns daran hindert, den Menschen in Rio Grande do Sul zu helfen", schrieb er auf X. Papst Franziskus sagte als Soforthilfe umgerechnet 100.000 Euro für die Opfer der Überschwemmungen zu, wie die brasilianische Bischofskonferenz mitteilte.

Verletzte und Vermisste

Nach Angaben des Zivilschutzes wurden 754 Menschen verletzt und 134 weitere noch immer vermisst. Von dem Hochwasser seien mehr als 1,7 Millionen Menschen in 431 Ortschaften der Region betroffen. Über 395.000 Menschen hätten ihre Häuser verlassen und bei Angehörigen oder in Notunterkünften Schutz gesucht.

Zahlreiche Gemeinden im Katastrophengebiet waren von der Strom- und der Wasserversorgung abgeschnitten. Auch die Telefon- und die Internetverbindungen wurden in vielen Ortschaften unterbrochen. Die Luftwaffe brachte Hilfsgüter in die Region, darunter Medizin, Wasseraufbereitungsanlagen und Lebensmittel.

Besonders hart traf es die Stadt Canoas. "Die Stadt ist zerstört worden. Von den 27 Gesundheitszentren haben wir 19 verloren, von den fünf Bezirksapotheken sind vier zerstört", sagte Bürgermeister Jairo Jorge beim Fernsehsender Globo TV. "Alle Schulen wurden beschädigt, wir haben Infrastruktur und Sportzentren verloren und müssen alles wieder aufbauen."

Im Kampf gegen die Fluten waren zahlreiche Feuerwehrleute und Katastrophenschützer im Einsatz. In Canoas retteten sie am Donnerstag ein Pferd, das auf dem Dach eines Hauses gestrandet war. Das Tier wurde betäubt und in einem Schlauchboot an Land gebracht, wie im Fernsehen zu sehen war.

Weitere Regenfälle erwartet

Der brasilianische Wetterdienst INMET sagte von Freitag bis Sonntag weitere starke Regenfälle für die Region voraus. Der Zivilschutz von Rio Grande do Sul gab für einen großen Teil des Bundesstaats eine Warnung vor starkem Regen und heftigem Wind mit Geschwindigkeiten von mehr als 90 Kilometern pro Stunde heraus. Es bestand auch die Gefahr von Gewittern und Hagelschlag.

"Die Regenfälle in Rio Grande do Sul haben alle Rekorde gebrochen. Die Daten zeigen, dass es in weniger als 15 Tagen im ganzen Teilstaat so viel geregnet hat wie in fünf Monaten zuvor, und es wird eine neue Kaltfront mit noch mehr Regen prognostiziert", sagte der Meteorologe Carlos Nobre der staatlichen Nachrichtenagentur Agência Brasil. "Es wird zwar nicht so viel regnen wie in der letzten Woche, aber die Pegelstände der Flüsse werden hoch bleiben, und die Menschen in den niedrig gelegenen Gebieten werden weiterhin mit Überschwemmungen zu kämpfen haben."

Brasilien litt zuletzt immer wieder unter extremen Witterungsbedingungen. Ende vergangenen Jahres beispielsweise ächzte das eigentlich feuchte Amazonasgebiet unter einer Jahrhundertdürre und extremer Hitze. Die Pegelstände vieler Flüsse sanken dramatisch, viele Tiere verendeten.

Klimawandel

Extreme Wetterereignisse wie die Überschwemmungen im Süden von Brasilien kommen zwar von Natur aus immer wieder vor. Nach Einschätzung von Wissenschaftern erhöhen sich durch den Klimawandel allerdings sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität. "Der Klimawandel – aufgrund der globalen Erwärmung durch Treibhausgase, die wir in die Atmosphäre freisetzen – ist der Grund dafür, dass extreme Ereignisse immer häufiger auftreten und Rekorde brechen", sagte der Meteorologe Nobre. (APA, 10.5.2024)