Angst vor Buh-Orkanen beim israelischen Beitrag von Eden Golan lässt im Vorfeld über den Einsatz von Fake-Applaus mutmaßen.
Angst vor Buh-Orkanen beim israelischen Beitrag von Eden Golan lässt im Vorfeld über den Einsatz von Fake-Applaus mutmaßen.
REUTERS/Leonhard Foeger

Im italienischen Fernsehen ist es üblich, dass bei jeder Voting-Show ein Laufband mit den Ergebnissen läuft. Beim Eurovision Song Contest ist dies jedoch verboten, zumal in den beiden Halbfinalshows. Dem italienischen Sender RAI 2 passierte es während des Votings trotzdem. Demnach führte Israel haushoch mit 39,31 Prozent vor den Niederlanden mit 7,32 Prozent. In den Wettquoten stieß Israel sofort auf Platz zwei vor. Nur Kroatien liegt noch vor Israel.

Dabei hat die EBU alles versucht, den Eurovision Song Contest von politischen Statements zu befreien, muss aber wohl selbst feststellen, nicht alles kontrollieren zu können. Bereits im ersten Semifinale am 7. Mai hat der schwedische Sänger Eric Saade den Produzenten einen Streich gespielt. In dem Moment, als er das Mikrofon zum Mund führte, sah man um sein Handgelenk eine palästinensische Kufiya, ein sogenanntes Palästinensertuch, gewickelt.

Ein weiteres Thema in Malmö ist die Stimmungsmanipulation mittels eingespielten Applauses, eine Art Anti-Buh-Technik. Ob dieser Fake-Applaus dieses Jahr zum Einsatz kommt, wurde offiziell noch nicht bestätigt. Zum ersten Mal wurde die Technik in Wien beim ESC 2015 genutzt, nachdem die russischen Zwillinge Tolmachevy 2014 wegen eines von Russland kurz zuvor installierten Anti-LGBTIQ-Gesetzes ausgebuht worden waren. Man wollte also für 2015 gewappnet sein, nachdem Russland die Krim überfallen hatte: Vorab aufgezeichneter Jubel konnte über Buhs und Pfiffe gelegt werden. Im Pressezentrum in Malmö behaupten einige Journalistinnen und Journalisten, Israel hätte diese Anti-Buh-Technik explizit abgelehnt.

Anti-Buh-Technik

In der Malmö-Arena waren viele internationale Fans selbst die Anti-Buh-Technik. Sie jubelten bei Eden Golan besonders laut, um Unmutsäußerungen zu übertönen, die vor allem in den oberen Rängen zu vernehmen waren. Für israelische Fans gestaltet sich die Reise zum Song Contest jedenfalls schwierig. In den Zügen und Warteschlangen vor der Arena spricht man untereinander lieber Englisch statt Hebräisch, die meisten übernachten lieber auf der anderen Seite der Öresundbrücke in Kopenhagen.

Tausende beteiligen sich in Malmö aktuell an anti-israelischen Protesten. Plakate mit der Aufschrift
Tausende beteiligen sich in Malmö aktuell an antiisraelischen Protesten. Plakate mit der Aufschrift "Welcome to genocide song contest" (Willkommen beim Völkermord-Song-Contest) sind zu sehen.
via REUTERS/Johan Nilsson/TT

In Malmö sind unterdessen bis Samstag weitere Demonstrationen angekündigt. Am Donnerstag gingen 30.000 Menschen gegen Israel durch sie Straßen. Auch Greta Thunberg hielt eine Rede, die selbst aus einer Song-Contest-affinen Familie stammt. Ihre Mutter Malena Ernman war die schwedische Vertreterin 2009 in Moskau. Derzeit sieht es aber so aus, dass die Demonstrierenden das Gegenteil erreichen. Israel ist plötzlich in einer Favoritenrolle für den Sieg. Und womöglich stimmen Menschen gerade wegen dieser Demonstrationen nun für Israel ab.

Dass man den Eurovision Song Contest frei von Politik halten will, ist verständlich. Doch statt dies zu übertünchen, wäre es an der Zeit, offensiv zu erklären, warum der israelische Sender KAN Mitglied der EBU ist. Weil es ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Sender ist, in dem Kritik an der Regierung erlaubt ist. Und worum es beim Eurovision Song Contest eigentlich gehen soll: um Songs. (Marco Schreuder, 10.5.2024)