Lopatka mit Anzug.
Reinhold Lopatka war am Sonntag in der "ORF"-Pressestunde zu Gast.
REUTERS/LEONHARD FOEGER

Wien – Der ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Reinhold Lopatka, schließt eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der FPÖ in Österreich auf Bundesebene aus. "Ich halte es für unmöglich, mit dieser Führerpartei mittlerweile zusammenzuarbeiten", sagte Lopatka am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Dies gelte auch, wenn FPÖ-Chef Herbert Kickl einen Schritt zur Seite machen würde, denn: "Die FPÖ ist Kickl." Bei den Grünen sieht Lopatka "eine Reihe offener Fragen" in der Causa Schilling.

In der Vergangenheit habe auch er mit der FPÖ in der Regierung auf Bundesebene zusammengearbeitet, aber "die Kickl-FPÖ ist eine völlig andere", meinte Lopatka. Er sehe auch im Umfeld des freiheitlichen Parteichefs derzeit "niemanden, der ernsthaft interessiert ist, diese Radikalisierung zu beenden".

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Auch im Europaparlament schloss Lopatka einmal mehr eine Zusammenarbeit mit der FPÖ und deren Verbündeten in der Rechtsaußen-Fraktion ID aus. Eine Zusammenarbeit mit Parteien aus der rechtskonservativen Fraktion EKR wie der postfaschistischen Fratelli d'Italia der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni kann sich der ÖVP-Kandidat aber sehr wohl vorstellen.

Darauf, dass die EU-Kommissionspräsidentin und EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen dieses Amt weiter ausführen solle, wollte sich Lopatka nicht festlegen. Dazu sei es zu früh, denn zunächst seien die Regierungschefs nach der EU-Wahl am Wort, und das sei auch richtig. Er habe aus der Erfahrung der letzten Wahl gelernt, wo sich die Regierungschefs nicht für den Spitzenkandidaten der siegreichen EVP, Manfred Weber, entschieden, sondern mit von der Leyen für eine andere aus der Parteienfamilie. "Ich habe dazugelernt, die Kandidatin oder der Kandidat, der die Hürde schafft, wird meine Unterstützung haben", so Lopatka.

FPÖ sieht "verzweifelten Rundumschlag"

Für Kritik sorgten die Aussagen Lopatkas bei der FPÖ, die von einem "verzweifelten Rundumschlag" des ÖVP-Spitzenkandidaten sprach. Lopatka versuche die Bürger für dumm zu verkaufen, "die katastrophalen Fehlentwicklungen – Stichwort illegale Einwanderung, Stichwort Teuerung, Stichwort Wohlstandsvernichtung usw. – schönzureden" und die Freiheitlichen "anzupatzen", befand der FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky laut Aussendung.

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SPÖ-Kandidat Andreas Schieder bezeichnete dagegen "Lopatkas Versuche, sich von rechts-außen zu distanzieren" als "vollkommen unglaubwürdig". Die ÖVP lasse sich die Hintertür offen "und blickt wieder einmal nach rechts, wenn es um den eigenen Machterhalt geht", meinte Schieder.

Die Neos warfen der ÖVP vor, "den Europakurs längst verlassen" zu haben. So habe die Volkspartei entgegen ihrem Europaprogramm die Idee einer Verteidigungsunion mit einer europäischen Armee wieder verworfen und blockiere einen umfassenden Asyl- und Migrationspakt der EU sowie den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgariens, kritisierte der pinke EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter.

Lopatka sieht "Reihe offener Fragen" bei Grünen

Zu den "schweren Vorwürfen" gegen die grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling wollte sich Lopatka in der ORF-"Pressestunde" zunächst nicht äußern, fand dann aber doch Worte: Es sei Sache der Grünen, dass sie das, was sie immer forderten, etwa auf EU-Ebene eine Ethikbehörde, um den Charakter der EU-Abgeordneten zu durchleuchten, auch selbst tun.

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Nicht nachvollziehen kann Lopatka die Argumentation Schillings, die Vorwürfe hätten nichts mit Politik zu tun. Schilling habe "gemeint, das eine ist der Charakter, das andere die Politik. Ich sehe gegenteilig, für mich ist Charakter Grundvoraussetzung für Politiker", so Lopatka. Aus seiner Sicht gibt es "eine Reihe offener Fragen", die von den Grünen bisher nicht beantwortet worden seien.

Auf die Frage, ob sich Lopatka von seiner Spitzenkandidatur zurückgezogen hätte, wäre er mit solchen Vorwürfen konfrontiert, erklärte der ÖVP-Politiker: "Wenn ich davon ausgehe, dass das stimmt", dann hätte er mit seinen "Parteifreunden" gesprochen. Dann hätte es eine Entscheidung gegeben, die er nicht alleine getroffen hätte. "Man hat ja auch eine Verantwortung seiner Bewegung, seiner Partei gegenüber", sagte Lopatka. Ob er den Rücktritt anbieten würde? "Selbstverständlich würde ich den Rücktritt anbieten, aber ich würde es nicht entscheiden."

Schilling: "Ich bleibe Spitzenkandiatin"

Am Sonntag erschien ein Krone-Interview mit Lena Schilling. "Natürlich waren die letzten Tage nicht einfach", sagte die EU-Spitzenkandidatin der österreichischen Grünen. "Da geht es auch um ganz viele private Dinge, die ich niemanden erörtern kann oder will, weil es nicht nur um mich geht, sondern auch um mein Umfeld, das ich schützen mag. Deshalb ist es extrem schwierig, aus dieser Situation wieder herauszukommen."

Allgemein sagte Schilling: "Da stehen einfach so viele Dinge verstrickt und diffus im Raum, die aus dem Zusammenhang gerissen sind. Das alles bis ins Detail aufzuklären würde ganz, ganz tief in meinen privatesten Raum hineingehen. Da geht es nicht nur um mich, sondern auch um Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen und das vielleicht auch nicht möchten."

Schilling blickt rechts beim Bild hinaus.
Lena Schilling ist die EU-Spitzenkandidatin der österreichischen Grünen.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Es sei wichtig, "das Relevante vom Irrelevanten zu trennen." Schilling spricht von einer "Grundsatzentscheidung. Fangen wir jetzt wirklich an, im Privatleben von Menschen herumzukramen und alles offenzulegen? Oder beginnen wir uns wieder auf das zu konzentrieren, was Politik eigentlich sein sollte?" Sie habe in den letzten Tagen viele Solidaritätsbekundungen innerhalb der Partei bekommen. Zum Abschluss sagte sie: "Ich bleibe grüne Spitzenkandidatin."

Grünen-Parteichef Werner Kogler verteidigte Schilling im "Kurier": "Immer dann, wenn kompetente, junge Frauen den Schritt in die Politik wagen, wird auf sie plötzlich mit besonderer Energie hingehauen. Das darf uns nicht kalt lassen". Was man dagegen tun könne? "Ein Anfang wäre, dass die, die irgendwelche Vorwürfe erheben, diese zunächst einmal offen auf den Tisch legen", sagte Kogler. (APA, red, 12.5.2024)