Gastbeitrag: Barbara Stöttinger, Martin Giesswein

Ein gelber Roboter sitzt mit Tastatur am Schreibtisch
Eine entscheidende Frage, die sich Führungskräfte stellen müssen: Sollte ich selbst KI nutzen? Ja, sagen Fachleute.
Midjourney/DER STANDARD

Das Internet ist voll mit Tipps rund um die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). Aber was ist wirklich wichtig? Auf welche Bereiche sollten Führungskräfte ihr Augenmerk legen, und wo fängt man am besten an? Antwort auf diese und weitere Fragen haben Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, und der Digitalisierungsexperte Martin Giesswein in drei Themenbereichen als wichtigste "AI Thinking Points" zusammengefasst.

Teil 1: Ihr Business mit KI

Welches Bild hat die KI von Ihrem Unternehmen?

Was hat die KI in ihrer Lernphase von Ihrem Unternehmen gespeichert und weiterverarbeitet? Fragen Sie mal ChatGPT: "Ist {meine Firma} ein guter Arbeitgeber für {Ihre Berufsbezeichnung}?" Im Fall der WU Executive Academy etwa bekommt man relevantes Feedback zu dieser Frage mit 2073 Zeichen. Als Managerinnen und HR-Leiter müssen wir uns also überlegen, wie wir ein richtiges (und attraktives) Bild nicht nur auf Online-Plattformen, sondern ab sofort vor allem auch in den wichtigsten lernenden KI-Modellen – allen voran ChatGPT – bieten können.

Endlich ein Produktivitätssprung

Eines der großen Versprechen der KI-Anbieter ist die gesteigerte Produktivität im Arbeitsalltag: durch sekundenschnelle Textvorschläge, automatisch erstellte Präsentationen, KI-generierte Software oder Werbedesigns. Wie viel Zeitersparnis bringt das? Wir als Wissensarbeiter sparen viele Stunden, derzeit insbesondere beim Generieren, Optimieren und Übersetzen von Texten mit DeepL und ChatGPT. Aber auch als Sparringpartner für neue Ideen oder die Ausarbeitung von Konzepten ist KI extrem hilfreich und erspart viel Zeit, die wiederum anderswo frei wird. Damit die KI-Effizienz aber auch tatsächlich auf die Straße kommt, braucht es Know-how in den Unternehmen, um nicht selbsternannten KI-Gurus ausgeliefert zu sein.

Die Rolle der C-Levels

Jetzt die Gretchenfrage: Wie hält es eigentlich der Chef mit der Verwendung von KI? In der gegenwärtigen Phase der generativen KIs ist das eigene Ausprobieren für Führungskräfte ein Muss: kann es doch Augenöffner und Grundlage für eine strategische Einordnung zugleich sein, wie wir in der Zusammenarbeit mit vielen unserer Kunden gesehen haben, die aktuell eigene Lernschienen aufstellen, um KI-Know-how in alle Ebenen des Unternehmens zu bringen.

Teil 2: Ihre KI-Strategie für die nächsten Jahre

Ich will meine eigene KI!

Die Arbeitserleichterung, die von frei im Internet verfügbaren KI-Tools ausgeht, ist verlockend und gefährlich zugleich. Täglich werden dank schlecht geschulter Mitarbeitender Unmengen von vertraulichen Firmen- und Kundendaten Teil eines fremden KI-Modells. Die Firma Samsung etwa musste diese schmerzvolle Erfahrung bereits machen. Genauso problematisch ist die KI-Bearbeitung personenbezogener Daten, die ohne Zustimmung von einer Nicht-EU-KI verarbeitet werden. Die Lösung für diese Herausforderungen ist für viele Unternehmen ein firmeneigenes, maßgeschneidertes KI-System (CompanyGPT oder CompanyAI), also eine firmenexklusive Nutzung eines in Europa gehosteten KI-Modells. Hat eine Firma einen reichen Datenschatz, kann auch das Erstellen, Trainieren und Nutzen eines eigenen KI-Modells sinnvoll sein.

Haben Sie schon eine KI-Richtlinie?

Wer kennt sie nicht: Firmenrichtlinien oder Guidebooks, wie man sich beruflich in Social Media zu verhalten hat, Trainings-Manuals, wie man Cybergefahren im Arbeitsalltag abwehrt, oder regelmäßige Governance-Tests. Aufgrund der anfangs ungesteuerten KI-Nutzung erstellen immer mehr Unternehmen grundlegende Regeln, wie Mitarbeiter mit KI umgehen sollen: Welche Daten dürfen eingegeben werden? Wie wird Datenschutz sichergestellt? Welche internen Systeme gelten als sicher und sollen daher verwendet werden? Wie schaut das Trainingsprogramm aus? Wie gehen Sie mit frei werdender Arbeitszeit um?

Wie sieht Ihre Firma in fünf Jahren aus?

Einige Business-relevante Fragen beschäftigen dieser Tage viele Unternehmen ganz besonders: Welche meiner Produkte und Services werden durch KI-Anbieter bedroht? Überholt mich die Konkurrenz, weil sie mithilfe von KI neue Prozesse, Geschäftsmodelle oder Märkte bedienen kann? Derartig elementaren Veränderungen kann man nicht einfach mit einem Jahres-Forecast oder sauberer Strategieplanung begegnen.

Was es braucht, ist Strategic Foresight und eine entsprechende Szenarioplanung. Diese Methode funktioniert deshalb so hervorragend, weil es klassische vergangenheitsorientierte Performance-Managementsysteme mit operativer Strategieimplementierung und situativen Tools des Zukunftsmanagements verbindet. Mit Foresight gelingt es, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft gleichzeitig zu managen. Unternehmen, die in diesem Umfeld gut aufgestellt sind, wissen daher genau über ihre Vergangenheit Bescheid, bewältigen die Aufgaben des täglichen operativen Business erfolgreich und gestalten ihre Zukunft aktiv.

Teil 3: Ihre Corporate AI Responsibility

Kennen Sie Ihren Digital-Impact?

Jede Organisation hat einen digitalen Impact: Durch die verwendeten digitalen Systeme werden zum Beispiel Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden, aber auch die Umwelt wesentlich beeinflusst. Systeme mit Künstlicher Intelligenz haben die Frage nach dem richtigen Umgang mit "dem Digitalen" noch mehr ins Zentrum der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Diskussion gerückt. Unter dem Titel "Digitaler Humanismus" oder auch "Corporate Digital Responsibility (CDR)" rückt in immer mehr Firmen dieses Thema in den Fokus. Zu Recht, wie wir meinen. (Barbara Stöttinger, Martin Giesswein, 22.5.2024)