Eine Krankenschwester aus den Philippinen zieht eine Spritze auf.
Krankenschwestern aus den Philippinen haben bereits in den 1970er-Jahren das Gesundheitssystem in Österreich unterstützt.
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Der Verkehr in der Metropolregion Manila, wo mehrere Städte zu einem Moloch mit knapp 20 Millionen Einwohnern zusammengewachsen sind, ist nervtötend. Wer zur Arbeit fährt und keine Klimaanlage im Auto hat, ist arm dran. Die Motorradfahrer sowieso, auch wenn das Fortkommen auf zwei Rädern schneller geht. Aber bei knapp 40 Grad hört sich der Spaß auf. Viele wollen weg, nicht nur wegen der Hitze, sondern auch aufgrund der anderswo deutlich besseren Verdienstmöglichkeiten. Viele sind bereits weg.

"Wir werden derzeit überrannt mit Nachfragen; in vielen Ländern erkennt man, was man an philippinischen Arbeitskräften hat, und schätzt das immer mehr", sagte Patricia Yvonne M. Caunan, Staatssekretärin im Ministerium für Migration der Philippinen, im STANDARD-Interview. Die intensive Suche vieler EU-Staaten nach qualifizierten Arbeitskräften in Südostasien scheint derzeit trotz des starken Wettbewerbs unter einem besonders guten Stern zu stehen, der noch dazu stark auf Österreich strahlt.

Bis zu 14 Millionen im Ausland tätig

Auf 13 bis 14 Millionen schätzt Staatssekretärin Caunan die Zahl der Filipinas und Filipinos, die im Ausland arbeiten, Geld nach Hause schicken und dadurch die philippinische Wirtschaft stützen. Erste Adresse war für viele bisher die englischsprachige Welt. Englisch ist aufgrund hunderter unterschiedlicher Sprachen und Dialekte, die auf den tausenden Inseln des philippinischen Archipels gesprochen werden, die gemeinsame, verbindende Sprache dort. Dasselbe gilt für Indonesien, das nun ebenfalls in den Fokus jener Länder rückt, die gut ausgebildete Arbeitskräfte suchen, darunter Österreich.

Nun ist eine Umorientierung unter ausreisewilligen Filipinas und Filipinos vom englischsprachigen Raum in andere Regionen im Gang. Nicht ganz freiwillig: Zwar würden viele nach wie vor lieber in den USA, Kanada, Australien oder Großbritannien ihr Geld verdienen; weil die genannten Länder aber die Eintrittsbarrieren verschärft haben, gewinnt Europa an Strahlkraft.

Das geht einher mit dem steigenden Bedarf an Fachkräften hierzulande. Dieser ist der Demografie geschuldet und Statistikern seit Jahren bekannt. Schon jetzt fehlen in Österreich übers Jahr gesehen knapp 200.000 Arbeitskräfte, die laut Wirtschaftsvertretern weder im Inland noch im benachbarten Ausland gefunden werden können, weil dort ebenfalls Flaute herrscht.

Patricia Yvonne Caunan, Staatssekretärin im Ministerium für Migration der Philippinen.
Ist mit steigender Nachfrage konfrontiert: Patricia Yvonne Caunan, Staatssekretärin im relativ neu geschaffenen Ministerium für Migration der Philippinen.
Günther Strobl

Immer mehr Angehörige der Babyboomer-Generation gehen sukzessive in Pension, können aber durch die nachkommenden, geburtenschwachen Jahrgänge auch nicht ansatzweiser kompensiert werden. Die Rede ist von bis zu 500.000 Stellen, die allein in Österreich in den nächsten Jahren nicht besetzt werden könnten – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum, Sozialstaat und Wohlstand im Land. Deshalb versucht man gegenzusteuern – durch Anwerben von Fachkräften mittels Rot-Weiß-Rot-Karte, unter anderem auf den Philippinen mit seiner mehrheitlich katholischen Bevölkerung, neuerdings auch im benachbarte Inselstaat Indonesien, wo die muslimische Religion überwiegt.

Erste Anwerbeversuche durch Österreich auf den Philippinen reichen in die 1970er-Jahre zurück. Damals waren es überwiegend Krankenschwestern, die ins Land geholt wurden, um Lücken in Wiener Spitälern zu schließen. Jetzt werden ebenfalls Krankenschwestern und Pflegekräfte gesucht, darüber hinaus aber auch andere Qualifikationen – österreichweit. Die Zahl der Berufe, wo es einen Mangel an Fachkräften gibt, ist zuletzt auf 110 gestiegen.

Langer Atem notwendig

Einer, der Erfahrung wie kein Zweiter bei der Vermittlung von Personal an Pflegeeinrichtungen nach Deutschland und seit kurzem auch nach Österreich hat, ist Christian Hallerbach. Der Gesellschafter und Geschäftsführer der C&C Human Ressources Development GmbH spricht von einem "langen Atem", den man haben müsse, vor allem finanziell. Gerade während Corona seien viele Personalagenturen umgefallen, die nicht über andere Einnahmequellen verfügten. C&C ist Teil der Pro-Civitate-Gruppe, die 25 Pflegeeinrichtungen in Deutschland betreibt. Weil man selbst mit Personalnot konfrontiert war, habe man die Suche professionalisiert, 2014 ein eigenes Unternehmen, C&C, gegründet und in Edi-Staffbuilders eine starke Partneragentur auf den Philippinen gefunden. Deren Chef, Cesar Averia, bestätigt die gute Zusammenarbeit.

Das meiste Geld verdient Edi-Staffbuilders mit Arbeitskräfteüberlassung an internationale Unternehmen auf den Philippinen, nicht mit der Vermittlung von Fachkräften ins Ausland. Damit lasse sich kein großes Geld verdienen, wenn man seriös arbeite. Die Kosten, die anfallen, werden in aller Regel von den bestellenden Unternehmen getragen, Flugspesen inklusive. Es soll aber auch Fälle gegeben haben, wo Kosten arbeitsuchende Filipinos und Filipinas angehängt wurden, die dafür aufgenommene Kredite dann mühsam abstottern mussten.

Küchenpersonal beim Hantieren von Pfannen.
Auch in der Küche heimischer Hotels und Restaurants werden Fachkräfte gesucht, nicht nur, aber auch aus den Philippinen. Das dortige Ministerium für Migration vergewissert sich im Vorfeld, ob die Arbeitsbedingungen stimmen.
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Solche Machenschaften will auch das Migrationsministerium in Manila möglichst ausschließen. Es wird genauestens geprüft, von wem wer wohin vermittelt wird und wie gut die betreffende Person im Zielland arbeitsrechtlich geschützt ist.

Hallerbach, der mit einem Dutzend anderer Personalvermittler an einer Wirtschaftsmission mit Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, an der Spitze nach Südostasien teilgenommen hat, sieht Österreich in einer guten Position. Australien und Kanada ließen die Leute fast nur noch mit einer Art Studentenvisum einreisen. Dort würden die Kosten, die bei der Rekrutierung entstehen, der jeweiligen Fachkraft umgehängt, die nicht entsprechend ihrer Ausbildung eingestuft und bezahlt werde. In die USA seien die Einreisehürden für Arbeitsuchende schon unter Präsident Donald Trump stark angehoben worden, weil das ein großes Wahlkampfthema war. Dasselbe gelte für Großbritannien, das sich damit wohl à la longue ins eigene Fleisch schneide, meint Hallerbach.

Deutsch als Hürde

Dadurch könnten Länder wie Deutschland oder Österreich profitieren, obwohl sie mit Deutsch eine Sprache haben, die Arbeitssuchende anders als Englisch erst mühsam lernen müssen. Bis eine Fachkraft am Bestimmungsort ist, dauert es inklusive Vorarbeit in der Regel rund 1,5 Jahre. Da gebe es noch Luft nach oben, meint nicht nur Hallerbach. Seine C&C Human Ressource Development, die mit dem Berufsförderungsinstitut in Linz kooperiert, hat bisher an die 80 Pflegekräfte und Krankenhausmitarbeiter nach Oberösterreich vermittelt, Ende des Jahres dürften es in Summe knapp 100 sein. (Günther Strobl, 18.5.2024)