Ein bisschen einstiger Škoda Yeti, ein bisschen verflossener Kia Soul, ein bisschen Volvo EX30, letztlich aber doch recht eigenständiges Design, markant und modern.
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Das war vielleicht eine Häme, als 2021 der Ioniq 5 auf den Markt kam und sich herausstellte, dass die technische Architektur, die der Hyundai-Kia-Konzern für den und viele weitere Fahrzeuge ersonnen hat, den VW-Konzern in einem ganz wichtigen Kapitel rechts überholt hatte: Mit ihrem MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten) waren die Deutschen zwar ein Jahr früher dran, der läuft aber mit 400-Volt-Technik. E-GMP (Electric Global Modular Platform) hingegen verwirklichte als erster Massenhersteller 800 Volt.

In einem Gespräch mit dem damaligen Hyundai-Entwicklungschef Albert Biermann, der von BMW zu den Koreanern gekommen war, meinte dieser, "die hätten ja auch nur zum süddeutschen Zulieferer gehen müssen", und fügte mit gewisser Skepsis hinzu, er habe aber nicht übermäßig großes Vertrauen in die BEV-Kompetenz des VW-Konzerns.

Der EV3 setzt auf 400 Volt Betriebsspannung. Die maximale Ladekapazität hat Kia noch nicht kommuniziert, die Koreaner verweisen aber auf Goodies wie bidirektionales Laden und Plug and Charge.
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Der gemeinte Zulieferer ist die einstige Conti-Tochter Vitesco, sie wird gerade von Schaeffler übernommen, die bisherigen mit 800-Volt-Technik belieferten Fahrzeuge auf E-GMP sind durchwegs größere Gebinde – und damit zum aktuellen Anlass, zum Kia EV3.

Es zeigt sich bei diesem kleineren Format: Die Koreaner kochen auch nur mit H2O (siehe Dampfzeitalter; mitunter verwenden sie das H davon aber auch für Antriebsaktivitäten, Stichwort Brennstoffzelle); 800 Volt sei in preissensibleren Segmenten einfach nicht darstellbar, ergo 400 für den EV3, so das Argument, mit dem wiederum VW recht behielte.

Sitzprobe

Erster Lokalaugenschein, erste Sitzprobe nahe Frankfurt – Optik und Haptik: Beginnen wir gleich damit, sehen uns den EV3 genauer an und lauschen den Designern bei ihren Erörterungen, weshalb ihnen genau diese Form in den Sinn kam.

Innen wirkt alles hell und freundlich – im unteren Bereich findet sich aber viel Hartplastik.
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"Opposites united" laute auch hier die Philosophie, meint Exterieur-Designer David Hart. Da treffen, kurz gesagt, rund und eckig ebenso aufeinander wie Ratio und Emotio. Sieht auf den ersten Blick aus wie ein zu warm gewaschener EV9, hat auf den zweiten dann aber durchaus das, was Hart mit dem Anspruch betont, dass alle Autos unter diesem Slogan ihren eigenen Charakter hätten.

Satt und aufrecht steht er da, mit den kurzen Überhängen, die diese elektrischen Plattformen begünstigen, mit viel rustikaler Kunststoffbeplankung, die den SUV-Charakter betont, und durchaus wieder leicht futuristisch im Gesamteindruck.

Der lange Heckspoiler dient der Aerodynamik, wird aber eine Herausforderung bei der Autowäsche. Und die Kunststoffbeplankung soll den SUV-Charakter betonen.
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Lässige LED-Leuchtengrafik vorn und hinten, scharfe, technoide Linien bis hin zum extravaganten Felgendesign. Hinten betont ein langer Spoiler die Vertikale, viel Spaß in der Waschstraße, den blinden Fleck für Waschbürsten kriegt man nimmermehr sauber, und Interieurdesigner James Moon betont, auch innen seien klare Linien im überschneidenden Horizontal-Vertikal-Einsatz essenziell für die Formgebung gewesen.

Offene, luftige Atmosphäre, das ist dann der primäre Eindruck beim Platznehmen (sind nicht die Sitzflächen vorne etwas kurz geraten?), sauber und aufgeräumt, mit hübschen Details und netten Ideen wie der ausfahrbaren Mittelkonsole. Panoramadisplay wie im EV9, HUD ist ebenfalls vorgesehen. Prima auch der flache Boden hinten, den die Unterflurbatterie erlaubt. Hingegen das viele Hartplastik im unteren Bereich: branchenüblich, aber na ja.

Der Kofferraumboden ist eine Stufe weit absenkbar: vergrößert das Fassungsvermögen, bewirkt bei umgelegten Rücksitzen aber eine hohe Stufe.
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Platzverhältnisse? Den Dimensionen angemessen, und die lauten: 4,3 Meter lang – zwischen (ausgelaufenem) Kia Soul und Niro also –, 1,85 breit, 1,56 hoch, Radstand 2,68. Gute Kopffreiheit auch hinten. Ist sonst oft ein Manko bei E-Plattformen. Hier nicht, weil der EV3 auch hinten weit emporstrebt. Erst für Menschen im Gardeformat wie Kia-Österreich-Sprecher Gilbert Haake wird es auch hier bei Jimi-Hendrix-Frisur knapp.

Der Kofferraumboden lässt sich in einer höheren und tieferen Stellung fixieren, auch hier wiederum: Verdammt viel Plastik (wenn auch mit reichlich Rezyklat), und die Rücksitze lassen sich zwei zu eins umlegen – mit großer Stufe, wenn die untere Brettstellung angewählt ist. Kofferraumvolumen: 460 bis 1250 Liter, der Frunk vorne fasst 25 Liter.

Der Frunk fasst 25 Liter, bietet also Platz für Kabel zum Beispiel.
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Als Gegner nimmt der kleinste nurelektrische Kia, der im November als Fronttriebler startet – Allrad folgt später – laut Produktmanager Rogier Priester Gegner wie Cupra Born, VW ID.3, Volvo EX30, Smart #1 ins Visier. Er sei als "globales Auto mit Kernmarkt Europa" konzipiert, "unser kompakter Allrounder, mit dem wir Elektromobilität für die Masse erschwinglich machen".

Technologie, Design, Leistbarkeit sind laut Priester die Kernpunkte des geschnürten Pakets. Wir sind also gespannt auf die Preise, die noch nicht fix sind, und referieren noch kurz die technischen Inhalte.

Der Großteil des Bedienkonzepts ist auf Touch ausgerichtet, aber eben nicht alles. Für Klima und Lautstärke gibt es physische Tasten und Regler.
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Die hochflexible, modifizierte EGMP-Plattform arbeitet hier, wie erwähnt, mit 400 Volt Betriebsspannung. Zwei Batterien mit 58,3 kWh und 81,4 kWh (netto) stehen zur Auswahl, damit kommt man hie normtechnisch 410 km weit, da 560. Von zehn auf 80 Prozent geladen ist der EV3 in rund 30 Minuten, die maximale Ladeleistung wurde noch nicht kommuniziert, Kia verweist aber auf Bidirektionalität sowie Plug and Charge. Und für den Antrieb sorgt ein E-Motor mit 150 kW (204 PS). (Andreas Stockinger, 23.5.2024)