139 der 193 Uno-Mitgliedsstaaten erkennen bis dato Palästina als eigenen Staat an. Nun kommen – während nach dem Hamas-Massaker in Israel im Gazastreifen heftig gekämpft wird – mit Norwegen, Spanien und Irland gleich drei weitere Länder dazu. Und auch Slowenien und Malta haben ähnliche Ambitionen signalisiert. Waren es bisher vor allem die osteuropäischen EU-Länder, die sich seit langem zu einem eigenen Staat für die Palästinenser bekennen, reihen sich mit Madrid und Dublin auch weit westlich gelegene Hauptstädte ein. Israel hat als erste Reaktion seine Botschafter aus Norwegen, Spanien und Irland zurück nach Jerusalem gerufen.

Auch in Spanien wurde für eine Waffenruhe im Gazastreifen demonstriert.
AP/Emilio Morenatti

Österreich gehört so wie Deutschland zu der Mehrheit der EU-Staaten, die den Staat Palästina bisher nicht anerkennen, auch wenn sie, ähnlich wie die USA, diesen grundsätzlich befürworten. Ob das so bleibt und wie Israel und die Palästinenser reagieren, hat DER STANDARD in einem Frage & Antwort zusammengefasst.

Frage: Welche Argumente führen die Regierungen in Oslo, Dublin und Madrid ins Feld?

Antwort: "Die Palästinenser haben ein grundlegendes, unabhängiges Recht auf einen eigenen Staat. Sowohl Israelis als auch Palästinenser haben das Recht, in Frieden in getrennten Staaten zu leben. Es kann keinen Frieden im Nahen Osten ohne eine Zweistaatenlösung geben", hieß es in einer Pressemitteilung der norwegischen Regierung. Ministerpräsident Jonas Gahr Støre kündigte den formalen Schritt für den 28. Mai an. Irland argumentiert ähnlich: Mit der Anerkennung Palästinas als Staat solle die Option einer Zweistaatenlösung am Leben gehalten werden, sagte ein Regierungssprecher in Dublin. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, ein Sozialist, bezeichnete seine Entscheidung als eine Aktion zugunsten "des Friedens, der Kohärenz und der Gerechtigkeit". Die Anerkennung von Palästina als Staat sei keine Entscheidung "gegen das Volk von Israel, ein Volk, das wir respektieren und schätzen". Die Anerkennung erfolge auch nicht zugunsten der Hamas, ergänzte Sánchez, "denn die Hamas ist auch nicht an einer Zweistaatenlösung interessiert".

Video: Mehrere Länder erkennen Palästinenserstaat an.
AFP

Frage: Wie halten es die anderen EU-Staaten bisher mit dem "Staat Palästina"?

Antwort: Unterschiedlich. Schweden, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Zypern erkennen Palästina schon seit längerem an, Irland und Spanien sollen noch im Mai dazukommen. Auch Slowenien und Malta haben eine Anerkennung in Aussicht gestellt. Die übrigen Unionsmitglieder tun dies bisher nicht. Außerhalb der EU haben bereits Russland, Belarus, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, die Türkei und Albanien Palästina anerkannt, nun gehört bald auch Norwegen dazu. Viele der osteuropäischen Palästina-Befürworter handeln in historischer Tradition, weil sie zu sozialistischen Zeiten gute Kontakte zu PLO-Chef Yassir Arafat pflegten. Tschechien gilt hingegen trotz der Anerkennung eines palästinensischen Staates als Unterstützer Israels und stimmte, wie auch Österreich, zuletzt gegen Anträge auf eine Waffenruhe in Gaza.

Frage: Und Österreich?

Antwort: Die Regierung in Wien hat sich Sánchez' Koalition nicht angeschlossen, eine Zweistaatenlösung wird aber weiterhin befürwortet, wie es auf STANDARD-Anfrage aus dem Außenministerium heißt: "Mit einer symbolischen Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt ist den Palästinensern nicht geholfen." Um zu einer "nachhaltigen Lösung" zu kommen, bedürfe es weiterer Verhandlungen. "Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass das die einzige Möglichkeit ist, die Israelis und Palästinensern ein friedliches Leben Seite an Seite erlaubt", heißt es weiter. 1980 hatte Österreich als erster westlicher Staat die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) anerkannt.

Frage: Wie reagiert Israel?

Antwort: Israels Außenminister Israel Katz forderte die Botschafter in Dublin, Oslo und Madrid umgehend zur Rückkehr auf. Zudem erwägt er laut einem Bericht weitere Strafmaßnahmen gegen die drei europäischen Staaten – bis hin zu einer Visa-Verknappung für diplomatisches Personal. Schwerwiegendere Folgen dürfte eine Entscheidung von Israels Finanzminister Bezalel Smotritch haben: Er wird ab sofort der Palästinenserbehörde sämtliche Gelder vorenthalten, die Israel ihr schuldet – vor allem Steuern und Zölle, die Israel stellvertretend für die Behörde einhebt. Smotritch gibt der Palästinenserbehörde die Schuld an der bilateralen Staatsanerkennung durch Norwegen, Irland und Schweden sowie dem jüngsten Antrag des Chefanklägers in Den Haag, Haftbefehle gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant zu verhängen. Beides sei Resultat eines gezielten Lobbyings der Behörde in Ramallah, das Smotritch als "politischen Terrorismus" bezeichnet.

Frage: Und was sagen die Palästinenser zu der Entscheidung?

Antwort: Der Generalsekretär des Exekutivkomitees der PLO, Hussein al-Sheikh, hat den Schritt Irlands, Norwegens und Spaniens in einer ersten Reaktion auf X am Mittwoch als "historischen Moment" bezeichnet. Nach Jahrzehnten des palästinensischen nationalen Kampfes, Leidens, der Unterdrückung und Besatzung triumphiere die freie Welt. Auch die Hamas, die im Gazastreifen ein Terrorregime führt, begrüßte die geplante Anerkennung. (Florian Niederndorfer, Maria Sterkl aus Jerusalem, 22.5.2024)