Graz – Für viele war es am Dienstag ein recht beunruhigendes Bild: Am Stadthimmel über Graz war neben dunklen Gewitterwolken auch ein Tornado zu sehen, der unter anderem Bäume entwurzelte. Das zeigten nicht nur Videos auf Social Media, auch Geosphere Austria bestätigte offiziell das Auftreten des Tornados in der steirischen Landeshauptstadt. Aber sind Wirbelstürme in Österreich tatsächlich etwas Ungewöhnliches? Und wie gefährlich war der Tornado in Graz? DER STANDARD gibt einen Überblick.

Frage: Hat der Tornado in Graz für Schäden gesorgt?

Antwort: Es gab zwar kleinere Schäden in Graz, aber keine Verletzten. Besonders am Weingartenweg, in der Göstingerstraße und in der Bergstraße – alle nahe des UKH Graz – kam es zu Beschädigungen, beispielsweise durch umgestürzte Bäume. Auch mehrere Dächer wurden zum Teil zerstört. Rund 20 Einsätze verzeichnete die Grazer Berufsfeuerwehr wegen des Tornados.

Mehr Schäden verursachten aber am Dienstag "normale" Unwetter rund um das Grazer Stadtgebiet. Es kam wegen starker Niederschläge zu Überschwemmungen in den Bezirken Graz-Umgebung sowie in Regionen in Feldbach und Hartberg. Rund 1000 Feuerwehrleute waren dort im Einsatz.

Durch den Tornado in Graz wurden Bäume entwurzelt und Dächer beschädigt.
APA/BF GRAZ

Frage: War der Tornado in Graz nur ein Einzelfall, oder sind Tornados in Österreich ein regelmäßiges Phänomen?

Antwort: Ein Tornado ist zwar ein ungewöhnliches Bild hierzulande und sorgt meist für Staunen, jedoch treten in Österreich regelmäßig Tornados auf – laut Daten von Geosphere Austria gab es im Schnitt seit 1999 vier pro Jahr. 2023 traten sogar mit sieben Tornados deutlich mehr als in den Jahren zuvor auf.

Tornados sind meist ein flüchtiges Wetterphänomen und betreffen oft nur ein kleines Gebiet (meist nur wenige Kilometer). Darum fallen der breiten Öffentlichkeit viele Tornados gar nicht auf, wenn sie nicht gerade mitten in einer Großstadt zu sehen sind.

Frage: Kann ein Tornado überall in Österreich auftreten?

Antwort: Ja, aber in manchen Regionen deutlich häufiger als in anderen. Ein Tornado benötigt für seine Entstehung besonders feuchte Luft und ein Tiefdruckgebiet, das sich langsam zusammenzieht, oder Böenfronten von Gewittern aus unterschiedlichen Richtungen, die zusammenstoßen. Zudem ist laut Georg Pistotnik, Experte für Klimawandel und Tornados bei Geosphere Austria, auch noch eine flache Landoberfläche für die Entstehung förderlich. Diese Bedingungen seien vor allem im Wiener und Grazer Becken sowie im Burgenland gegeben, erklärt Pistotnik.

Im Vorjahr war besonders Niederösterreich mit vier Vorfällen in Weitersfeld, Ziersdorf, Großriedenthal und Bergern im Dunkelsteinerwald betroffen sowie Oberösterreich im Bezirk Braunau. In den Bezirken Linz-Land und Steyr und bei einem Vorfall in der Stadt Salzburg war eine Kombination aus Fallwinden und Tornados feststellbar.

Gerade in Europa stellen Tornados eine geringe Gefährdung dar. Über längere Zeiträume betrachtet fordern andere Unwetter wie Sturm, Hochwasser oder Murenabgänge mindestens zehnmal höhere Personenschäden und mindestens tausendmal höhere Sachschäden.

Für die Entstehung eines Tornados braucht es bestimmte Bedingungen. 
APA

Frage: Aus den USA erreichen uns immer wieder Bilder von Tornados, die ganze Landstriche verwüsten. Erwartet uns wegen des Klimawandels nun auch in Österreich eine regelmäßige Tornado-Saison?

Antwort: Nein, denn eine solch extreme Wetterlage wie im Mittleren Westen der USA sei hierzulande gar nicht möglich, sagt Pistotnik. Ob es aber in Österreich in Zukunft häufiger zu Tornados kommt, sei noch schwer zu sagen. '"Das hängt vom Auftreten bestimmter Wetterlagen ab, dessen Änderung schwer vorherzusagen ist", sagt der Klimaexperte. Daher sei auch kaum abschätzbar, welche Regionen in Zukunft stärker betroffen sein werden. "Global gesehen werden Tornados jedenfalls in einem wärmeren Klima häufiger."

Tornado in Graz
Leberkasbepi

Frage: Und wie gefährlich war der Tornado in Graz am Dienstag?

Antwort: Laut vorläufigen Einschätzungen der Geosphere Austria beliefen sich die Windspitzen des Tornados in Graz auf etwa 120 km/h, was einem heftigen Wintersturm entspricht. Dass Personen von dem Tornado eingesaugt werden, wie es etwa in diversen Action-Filmen zu sehen ist, sei bei dieser Stärke laut Pistotnik nicht der Fall. Lebensgefährlich seien aber – wie bei jedem starken Sturm – herumfliegende Gegenstände in der Luft und umstürzende Bäume. "Am sichersten ist es, einen Innenraum aufzusuchen, wenn man einen Tornado sieht", sagt Pistotnik.

Frage: Kann ein Tornado in Österreich überhaupt eine derartige Stärke erreichen, dass auch Tote zu beklagen sind?

Antwort: Tatsächlich kam es im Juli 1916 in Wiener Neustadt zu einer großen Tornado-Katastrophe. Dabei handelte es sich um den bisher stärksten registrierten Tornado in Österreich: Es kamen 34 Menschen ums Leben, und weite Teile der Stadt wurden zerstört. Nach heutigen Berechnungen beliefen sich die Windspitzen damals auf mehr als 300 km/h. (Max Stepan, 22.5.2024)