Spätestens nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, der eine Explosion der Energiekosten nach sich gezogen hat, sahen viele in Photovoltaikanlagen auf dem eigenen Dach einen Ausweg. Einen Ausweg, bei dem sich durch das Einspeisen von Strom ins öffentliche Netz sogar Geld verdienen lässt. Das ging eine Zeitlang wirklich gut. Vor zwei Jahren gab es bis zu 50 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde (kWh).

Doch die Goldgräberstimmung dürfte vorbei sein. Der Grund: Die Strompreise sind gesunken – gut für Konsumentinnen und Konsumenten, schlecht für jene, die selbst ins Netz einspeisen. Am Dienstag erreichte der "Abwärtstrend" den bisherigen Höhepunkt: Die Energie AG Oberösterreich (EAG) hat die Verträge von 20.000 PV-Kunden gekündigt.

Ein Mann steht auf einem Dach und montiert eine PV-Anlage.
140.000 PV-Anlagen gingen laut E-Control vergangenes Jahr neu ans Netz. Diese liefern mehr Energie als alle österreichischen Kraftwerke entlang der Donau – allerdings nur bei Sonnenschein.
Christian Fischer

Frage: Warum hat die Energie AG die Verträge gekündigt?

Antwort: Kurzum, es wurde zu teuer. Kunden bekamen bisher jede eingespeiste kWh mit mindestens 15,73 Cent vergütet. Damit ist Schluss. Die EAG bietet nun ein dynamisches Tarifmodell an. Vom Marktwert werde bei künftigen Verträgen ein Abschlag abgezogen, dieser werde aber bis Jahresende ausgesetzt. Nach unten sei der Tarif gedeckelt, die Minimalvergütung liege bei zwei Cent pro kWh – vorausgesetzt, man bezieht Strom von der EAG. "Unser neues Modell gibt den Markt gerecht wieder", sagte EAG-Geschäftsführer Klaus Dorninger im Ö1-Morgenjournal. Die momentane Lage sei ein Nachteil für die Einspeisenden, das könne sich aber schnell ändern, wenn die Preise wieder anziehen.

Frage: Können Energieversorger Einspeiseverträge einfach so kündigen?

Antwort: Die Energie AG hält die Kündigungen für rechtlich wasserdicht. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass Gegenteiliges der Fall sei, sagt Ulrike Weiß, Leiterin des Konsumentenschutzes bei der Arbeiterkammer Oberösterreich. Üblicherweise werde in den Verträgen geregelt, unter welchen Bedingungen die Geschäftsbeziehung beendet werden kann. Dabei müsse es eine "angemessene" Kündigungsfrist geben. Im Gegensatz zu Lieferverträgen gibt es bei Einspeiseverträgen keine besonderen Schutzbestimmungen, erklärt Florian Stangl, Anwalt für Energierecht. "Es gibt zwar ein Recht auf Grundversorgung, aber umgekehrt kein Recht darauf, seinen Strom abgeben zu können."

Frage: Werden andere Anbieter nachziehen und Verträge ebenfalls kündigen?

Antwort: "Der Markt für PV-Strom hat sich komplett gedreht", sagt Stangl. Der Jurist geht deshalb davon aus, dass andere Energieversorger ihre Fixpreisverträge ebenfalls kündigen und auf Floater umsteigen werden. Auch Weiß rechnet damit, dass weitere Anbieter folgen. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass Vertragskündigungen auch im Energiebereich üblich werden." Rechtlich ist nach wie vor oft unklar, wann Preisanpassungen in laufenden Verträgen möglich sind. Für Energieversorger ist es deshalb einfacher, alte Verträge zu kündigen und neue abzuschließen. "Vielleicht ist das Ganze auch ein Anstoß für uns Konsumentinnen und Konsumenten, uns besser am Markt umzuschauen", sagt Weiß. "Die Wechselrate ist nach wie vor relativ gering."

Frage: Was zahlen andere Anbieter für Stromeinspeisungen?

Antwort: Es gibt durchaus große Unterschiede bei den Summen. Beim Verbund etwa bekommt man sechs Cent pro kWh, bei der Energie Steiermark sind es 4,63 Cent, bei der Salzburg AG 3,1 Cent und bei der Wien Energie sogar 12,04 Cent. Bei der OeMAG (Abwicklungsstelle für Ökostrom) lag der Einspeisetarif zuletzt bei 4,65 Cent.

Frage: Ist der PV-Boom nun vorbei?

Antwort: Dass der Boom ein Ende hat, gilt bei Expertinnen und Experten als unwahrscheinlich. "Dass Energieunternehmen früher oder später auf die sinkenden Strompreise reagieren, ist keine Überraschung", sagt Wolfgang Urbantschitsch, der Vorstand der Strom- und Gas-Regulierungsbehörde E-Control, zum STANDARD.

Frage: Wie sieht die Entwicklung von PV-Anlagen in Österreich aus?

Antwort: "Allein vergangenes Jahr gingen 140.000 neue Anlagen ans Netz. Bei Sonnenschein liefern sie mehr Energie als die ganze Kraftwerkskette entlang der Donau", sagt Urbantschitsch. Er geht davon aus, dass dieser Trend auch weiter anhalte – vermutlich aber in abgeschwächter Form.

E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch glaubt nicht daran, dass der PV-Boom ein Ende hat. Allerdings geht er davon aus, dass die Nachfrage etwas nachlässt.
APA/ROBERT JAEGER

Frage: Gibt es Probleme beim Betrieb von PV-Anlagen?

Antwort: Das Nadelöhr sind die Netze. Wird privat zu viel Strom produziert, kann das die Stromnetze überlasten. Das wurde vergangenen Sommer in Oberösterreich deutlich. Weil sich Betreiber von PV-Anlagen nicht an die Einspeisebegrenzungen gehalten hatten, kam es in der Region Steyr zu einem mehrere Stunden andauernden Stromausfall. Außerdem gab es Ende vergangenen Jahres – ebenfalls in Oberösterreich – Beschränkungen für Stromeinspeisungen in sieben Umspannwerken.

Frage: Was ist beim Netzausbau geplant?

Antwort: Bis zu zwei Milliarden Euro sollen jährlich in den Netzausbau fließen. Dass dieser nicht so schnell gehe wie von allen erhofft, liegt laut Urbantschitsch an Genehmigungsverfahren, langen Lieferzeiten (zum Beispiel für Trafos) oder örtlichen Bedenken von Bürgern. Das Geld und der regulatorische Rahmen seien da.

Frage: Wie sieht es bei Anbietern von PV-Infrastruktur aus?

Antwort: Hört man sich im Markt um, sprechen einige von sinkender Nachfrage. Grund dafür seien unter anderem die übervollen Lager von Groß- und Zwischenhändlern. Die Energiekrise löste eine extrem hohe Nachfrage aus, dazu kamen in den vergangenen beiden Jahren anhaltende Lieferkettenprobleme durch Corona-Lockdowns in China. Es kam zu Doppel- oder Dreifachbestellungen, die dann wieder storniert wurden. Von einer Marktbereinigung ist die Rede.

Frage: Was hat es mit einem negativen Strompreis auf sich?

Antwort: Strom muss immer gleichermaßen ins Netz eingespeist und verbraucht werden. Scheint die Sonne, und alle PV-Anlagen laufen, kann es sein, dass man jemanden bezahlen muss, damit er den Strom abnimmt. Bei kurzfristigen Spotmärkten kann Strom also vorübergehend einen negativen Preis haben. Laut Urbantschitsch wird es künftig noch wichtiger werden, wann und wo Strom erzeugt wird. Das Optimum sei, wenn kleine PV-Anlagen so viel Strom erzeugen, dass er lokal wieder verbraucht wird. Eine Möglichkeit dafür sind etwa Energiegemeinschaften.

Frage: Wie viele Energiegemeinschaften gibt es in Österreich?

Antwort: Die Anzahl steigt ständig. Laut E-Control gab es Ende 2021 fünf Energiegemeinschaften, Ende 2022 waren es 161 und Ende 2023 rund 1000. (Andreas Danzer, Jakob Pflügl, 22.5.2024)