Ansicht von oben auf Schokoladentafeln, Kakaobohnen und Kakaopulver – ein braunlastiges Bild.
Eine neue Methode zur Schokoladenherstellung verzichtet auf zugesetzten raffinierten Zucker.
matka / Imago

Kakao wird aus Bohnen gewonnen – und kann deshalb nicht allzu ungesund sein, wenn es nach einem alten Schmäh geht. Tatsächlich steckt das größere Gesundheitsproblem beim ausgiebigen Schokoladenkonsum weniger im Kakao als im zugesetzten Zucker. Nun hat ein Forschungsteam in Zusammenarbeit mit der Schokoladenindustrie eine Variante entwickelt, deren Süße nicht aus Kristallzucker stammt, sondern aus anderen Bestandteilen der Kakaofrucht. Das macht sie nicht nur gesünder, sondern auch ökologisch nachhaltiger.

Dass das Forschungsteam und die Kooperationspartner aus der Schweiz kommen, dürfte beim Thema Schokolade nicht verwundern. Erstautor ist Lebensmittelverarbeitungsingenieur Kim Mishra, der an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich lehrt und beim Hersteller Planted arbeitet. Neben pflanzlichen Fleischalternativen befasst er sich aber auch mit potenziellen Desserts. Mit Kolleginnen und Kollegen der Hochschule, des Schokoladenherstellers Felchlin und des Start-ups Koa arbeitete er an der neuartigen Süßspeise, die sie als Kakaofruchtschokolade bezeichnen. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Nature Food veröffentlicht.

Ein Kakaobauer in Côte d'Ivoire hält eine geöffnete Kakaofrucht in den Händen. Die Schale ist gelb, innen sieht man die weiße Pulpe, in der auch die Kakaobohnen in einzelnen Kammern stecken.
Blick in die Kakaofrucht: Aus der weißen Pulpe und der Innenschicht der Fruchtwand lässt sich ein süßes Gelee herstellen, das Zucker in der Schokolade ersetzen kann.
AP / Sophie Garcia

Dabei handelt es sich um eine Schokolade am bittereren Ende des Spektrums. Ihre Süßkraft ist vergleichbar mit Schokolade, die fünf bis zehn Prozent Kristallzucker enthält. Das ist weniger süß als handelsübliche Zartbitterschokoladen, die aus 30 bis 40 Prozent Kristallzucker bestehen. Um die Bitterkeit abzuschwächen und die Textur zu verbessern, musste das Forschungsteam zusätzliche Kakaobutter – also das Fett aus Kakaomasse – hinzufügen.

Gesundheitliche Vorteile

Dass es nach der neuen Methode nicht viel süßer geht, liegt daran, dass ansonsten die Konsistenz leidet und die Schokolade verklumpt. Die Süße stammt aus einem Gelee, das das Forschungsteam aus dem Fruchtfleisch und einem Teil der Kakaofrucht namens Endokarp, der Innenschicht der Fruchtwand, herstellte. Für dunkle Schokoladen wird normalerweise nur die Kakaomasse genutzt, die aus Kakaobohnen hergestellt wird, und mit Kristallzucker gemischt.

Die Grafik zeigt, dass die neuartige Kakaofruchtschokolade sowohl aus der Kakaoschale mit Fruchtfleisch als auch den Kakaobohnen mit Pulpe produziert wird. Aus Schale, Fruchtfleisch und Pulpe stellt man ein süßes Gelee her, das mit der aus Kakaobohnen gewonnenen Kakaomasse vermengt wird. Herkömmliche dunkle Schokolade besteht nur aus Kakaomasse aus Kakaobohnen, die mit Kristallzucker, zum Beispiel aus Zuckerrüben, vermengt wird.
So unterscheiden sich Kakaofruchtschokolade und übliche dunkle Schokolade in der Herstellung.
Kim Mishra

"Aus gesundheitlicher Sicht ist dies bemerkenswert und sehr positiv", schreibt Ernährungswissenschafter Alejandro Marangoni von der University of Guelph im kanadischen Ontario in einer begleitenden Einschätzung. Die Kakaofruchtschokolade enthält nicht nur um ein Drittel weniger Zucker als die durchschnittliche dunkle Schokolade, die in Europa verkauft wird, sondern auch um ein Drittel weniger gesättigte Fettsäuren. Diese können ein Gesundheitsrisiko darstellen, wenn sie im Übermaß verspeist werden, wie Erstautor Mishra in einer Aussendung der ETH Zürich hervorhebt: "Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem erhöhten Konsum gesättigter Fettsäuren und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen."

Dafür besitzt die neuartige Schokolade etwas mehr Ballaststoffe, nämlich 15 statt zwölf Gramm pro 100 Gramm Schokolade. Diese Nahrungsfasern können "die Darmaktivität auf natürliche Weise regulieren und den Blutzuckerspiegel beim Verzehr von Schokolade weniger schnell ansteigen lassen", sagt Mishra.

Der große CO2-Fußabdruck von Schokolade

Neben den gesundheitlichen Vorteilen heben die Fachleute auch den ökologischen Nutzen hervor. Denn so lässt sich ein größerer Anteil der Kakaofrucht verwenden. "Die Bauern könnten also neben dem Handel mit Kakaobohnen auch den Saft aus der Pulpe sowie das Endokarp trocknen, es zu Pulver mahlen und verkaufen", sagt Mishra. So werde ein Großteil der Frucht für die Schokoladen- und Süßungsmittelproduktion genutzt. Die verbleibende Fruchtschale verwende man normalerweise als Brennmaterial oder Kompost. Das kann die Einkommensquellen diversifizieren.

Braune Kakaobohnen liegen zum Trocknen aus.
Bei der neuen Methode werden nicht nur Kakaobohnen (hier im Bild) und Teile ihrer Pulpe verwendet, sondern auch andere Bestandteile der Kakaofrucht.
AP / Sophie Garcia

Um die nachhaltigere Kakaofruchtschokolade in größerem Stil herzustellen, bräuchten Kakaobauern jedoch zunächst Trocknungsanlagen, um das Pulver zu produzieren. Dann können Betriebe die neue Methode nutzen, die die ETH Zürich schon zum Patent angemeldet hat. Die Ergebnisse im Schokotest sind offenbar in Sachen Appetitlichkeit und Sinnesempfindung mit anderen dunklen Schokoladen vergleichbar.

Auch der CO2-Fußabdruck von Schokolade könnte so gesenkt werden, meint Marangoni, der nicht an der Studie beteiligt war. Hier schneide Schokolade ähnlich schlecht ab wie Käse, Lamm- und Rindfleisch. Hier spielt mitunter die Zuckerproduktion aus Zuckerrüben und Zuckerrohr eine Rolle: "Jede Verringerung des Zuckergehalts in Schokolade oder der Ersatz von raffiniertem Rohr- oder Rübenzucker durch andere Süßungsmittel kann zu einer erheblichen Verbesserung in Sachen Nachhaltigkeit führen", sagt Marangoni.

Kaugummi statt Schokolade?

Innovationen auf dem Schokoladenmarkt sind wichtiger denn je: Zuletzt ist Kakao so schnell wie nie teurer geworden, Schokolade dürfte um bis zu 30 Prozent teurer werden. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Gleichzeitig wenden sich Kakaobauern in Ghana und Côte d'Ivoire, wo der Großteil des Kakaos herkommt, zum Kautschuk hin. Kautschukpflanzen brauchen weniger Pflege als Kakaobäume, die an ihre ökologischen Grenzen kommen.

Kakaobauer in sportlicher Kleidung nimmt eine gelbe Kakaofrucht vom Baum, der Boden der Plantage ist mit herabgefallenen Blättern bedeckt.
Kakaobäume und Kakaobauern geraten zunehmend unter Druck.
AP / Sunday Alamba

Sie sind anfällig für die Folgen der Klimakrise, zu denen höhere Temperaturen und mehr Extremwetterereignisse gehören. "Deshalb wurden Kakaobäume schon mit Kanarienvögeln im Bergwerk verglichen, die früher Minenarbeiter warnten, wenn sich die Luftbedingungen verschlechterten", sagt Liam Dolan vom Wiener Gregor-Mendel-Institut für molekulare Pflanzenbiologie der Akademie der Wissenschaften. "Der Tod der Kakaobäume warnt uns vor der nahenden Bedrohung vieler anderer Pflanzen und Tiere auf der Erde." Außerdem machen schwierige Verhältnisse in Monokulturen sowie Pilz- und Viruserkrankungen vielen Kakaopflanzen den Garaus. Ob die Herstellung von Süßungsmittel aus der Kakaofrucht und nachhaltigere Schokolade eine kleine Stellschraube sein könnte, die das System auf unterschiedlichen Ebenen verbessert, wird sich zeigen. (Julia Sica, 25.5.2024)