Unternehmer Siegfried Wolf mit nachdenklichem Blick.
Wolf dürfte ein gutes Verhältnis zu dem damaligen österreichischen Botschafter in Russland gehabt haben. Er meldete sich regelmäßig mit Anliegen.
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Mitte 2018 ist bei Siegfried Wolf Feuer am Dach. Der österreichische Geschäftsmann managt damals Gaz, einen russischen Automobilkonzern mit tausenden Beschäftigten. Doch das Geschäft steht kurz vor dem Kollaps. Wegen neuer US-Sanktionen gegen den Konzerneigentümer und Wolf-Vertrauten Oleg Deripaska könnte das Unternehmen wichtige Zulieferer und Partner in Europa verlieren. Wie aus Chats hervorgeht, schreibt Wolf mehrfach dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), damit dieser für ihn bei den US-Behörden interveniert.

Abseits dieser größeren Probleme sind es mitunter aber auch profanere Dinge, die Wolf in dieser Zeit umtreiben und ihn dazu bewegen, seine Kontakte in Politik und Verwaltung spielen zu lassen. Das erhellt sich aus Chats, die im Rahmen des U-Ausschusses zur Cofag (kurz auch Benko-Ausschuss genannt) bekannt wurden. Abgeordnete gingen dort der Frage nach, ob Österreichs Verwaltung Reiche besser als Normalbürger behandelt.

Rasch ans Visum kommen

Bei Wolf ging es zum Beispiel um Visa für Russen, die in Österreich zu tun hatten. So meldet sich Wolf am 7. Juni 2018 mit einer "Bitte" bei Johannes Eigner, dem damaligen österreichischen Botschafter in Moskau. Er fahre nächste Woche mit seinem alten Gaz eine Oldtimer-Rallye, es gebe allerdings technische Probleme, erzählt Wolf. Ein Mechaniker aus Russland soll ihm helfen, doch die Zeit für die Ausstellung des Visums für den Mann drängt. "Der Antrag ist heute bei Euch – kannst du das bitte freigeben lassen, damit er am Sontag Abend anreisen kann? Danke Sigi", bittet Wolf. Eigner zeigt sich hilfsbereit: "Lieber Sigi, unser Generalkonsul wird sich darum kümmern."

Das Verhältnis zwischen Wolf und Eigner dürfte gut gewesen sein. Denn Wolf meldet sich im Laufe des Jahres immer wieder bei ihm, vor allem dann, wenn es bei der Ausstellung von Visa eng wird. Am 2. November 2018 etwa: Da fragt Wolf den Botschafter, ob man einem Kollegen ein "Multi Visa" (sic) ausstellen könne. Oder im Herbst 2019, da bittet ein befreundeter russischer Geschäftsmann Wolf darum, ihn bei einem kurzfristigen Visum für eine Baletttänzerin zu unterstützen. "Could you call the Ambassador to speed things up?", fragt er Wolf. Bereits eine Stunde später dürfte die Sache geritzt sein, der Geschäftsmann bedankt sich: "Thank you for calling Ambassador and helping out with the visa."

"Entscheidung stets auf Grundlage der Vorgaben"

Wolfs Interventionen werfen Fragen auf, die von öffentlichem Interesse sind: Hat der Botschafter Wolfs russische Kontakte bei der Ausstellung von Visa bevorzugt? Wie könnten derartige Vorreihungen gerechtfertigt werden?

Auf eine Anfrage bei Botschafter Eigner meldet sich das Außenministerium. Österreichische Wirtschaftstreibende würden "immer wieder unsere Vertretungsbehörden in aller Welt" kontaktieren, um "um Unterstützung bei der Beschleunigung der Abläufe in der Visaaustellung zu ersuchen". Die Regeln seien dabei für alle gleich. "Es müssen ausnahmslos alle gesetzlichen Vorgaben, besonders die sanktionsrechtlichen, eingehalten werden", heißt es aus dem Ministerium. "Die Kolleginnen und Kollegen an der Botschaft und im Generalkonsulat in Moskau haben über die Vergabe von Visa selbstverständlich stets auf dieser Grundlage entschieden." Wolfs Sprecher wollte keine Stellungnahme zu diesem Thema abgeben. (Renate Graber, Jakob Pflügl, 27.5.2024)