Überlebende des Völkermords an den bosnischen Muslimen in Srebrenica im Juli 1995 begrüßten am Donnerstag die Annahme einer Resolution durch die UN-Generalversammlung zur Einführung eines internationalen Gedenktages. "Ich möchte der Welt danken, dass sie am Ende ein Bewusstsein dafür entwickelt hat", sagte etwa Nura Begović, die Präsidentin der Vereinigung der Mütter von Srebrenica, zu Balkan Insight.

Für die Angehörigen der Opfer ist die Leugnung der Massengewalt psychisch sehr belastend, weil sie den Eindruck bekommen, dass ihnen trotz der Grausamkeiten, die ihnen widerfuhren, nicht einmal geglaubt wird. Für viele fühlt sich die Leugnung deshalb wie eine Verhöhnung an. Die Betreiber der Gedenkstätte für die Opfer des Völkermords unweit von Srebrenica gaben bekannt, dass der Kampf gegen die Leugnung des Völkermords auch nach der Resolution fortgesetzt werde, aber die Leugner aus dem Fokus der Aufmerksamkeit rücken würden. Das Gedenkzentrum werde weiterhin eine Brücke des interreligiösen und interethnischen Dialogs sein, hieß es weiter.

Ein Mann trauert vor einem Sarg
Tausende Menschen wurden 1995 in Srebrenica ermordet.
AP/Armin Durgut

Politischer Konsens erreicht

Željko Komšić, Mitglied im dreiköpfigen bosnischen Staatspräsidium, begrüßte ebenfalls die Resolution, die unter anderem von Deutschland und Österreich unterstützt worden war. Komšić meinte, die Annahme der Resolution habe einen jahrzehntelangen Prozess beendet, "der mit der Anklage des Völkermords begann, mit der Verkündung der endgültigen Urteile vor internationalen Gerichten fortgesetzt wurde und schließlich mit der Annahme der Resolution bei den Vereinten Nationen endete".

Damit sei nach dem rechtlichen Konsens durch die Gerichte auch ein politischer Konsens erreicht worden. "Die Meinung derjenigen, die außerhalb des erreichten rechtlichen und politischen Konsenses stehen, ist überhaupt nicht relevant", sagte er zu jenen Politikern aus dem bosnischen Landesteil Republika Srpska und aus dem Nachbarstaat Serbien, die weiter den Genozid leugnen und gegen die Resolution agitierten. Der bosnische Außenminister Elmedin Konaković sprach von einer "teilweisen Gerechtigkeit für die Opfer". Er sagte: "Kinder werden in den Schulen darüber lernen, und die Sensibilisierung für den Völkermord in Srebrenica wird für den zivilisierten Teil des Planeten unerlässlich sein."

Aleksandar Vučić mit umgehängter serbischer Flagge
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić erschien mit umgehängter serbischer Flagge zur Abstimmung.
REUTERS/Eduardo Munoz

Mehr als 8000 Ermordete

Durch die Resolution, die auch von Ruanda – wo es zur selben Zeit einen Völkermord gab – eingebracht worden ist, wird der 11. Juli nun zum Internationalen Tag der Erinnerung an den Völkermord rund um die ostbosnische Stadt Srebrenica. Im Juli 1995 hatten Soldaten auf Befehl des bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladić, der unter anderem deswegen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, mehr als 8000 Menschen mit muslimischen Namen ermordet.

Diese Menschen wurden nach der Einnahme der Stadt Srebrenica, die eigentlich von UN-Soldaten geschützt werden sollte, teils in Gebäude gebracht und dort zusammengepfercht erschossen, teils tagelang von den Soldaten von Mladić durch die Wälder gejagt und ermordet. Die meisten Opfer waren männlich, aber es gab auch weibliche Opfer, wie etwa ein Baby, das ganz kurz nach seiner Geburt am 13. Juli 1995 verstarb, oder das älteste Opfer, Frau Saha Izmirlić, die 1901 geboren wurde. Die meisten bosniakischen Zivilisten wurden in Ostbosnien bereits im Jahr 1992 von serbischen Milizen ermordet. Diese Massengewalt wurde von den internationalen Gerichten aber nicht als Genozid gewertet.

Russland und China dagegen

Die Genozid-Leugner und Geschichtsrevisionisten setzten indes ihre Kampagne gegen die Resolution auch nach der Abstimmung weiter fort. So meinte etwa der Vizepremier der Regierung in Serbien, der unter US-Sanktionen stehende, Kreml-nahe Rechts-außen-Politiker Aleksandar Vulin: "Für uns Serben ist dies ein Tag des Stolzes." Und weiter: "Deutschland, die USA und ihre Kolonien dachten, die Serben seien eine leichte Beute. Es gibt aber mehr UN-Mitgliedsstaaten, die die Resolution nicht unterstützt haben, als solche, die es getan haben." Vulin verwies damit offenbar auf die 68 Staaten, die sich enthalten hatten.

84 Länder stimmten für die Resolution und 19 dagegen, darunter die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats Russland und China. 22 stimmten gar nicht ab. Vulin sprach von einem "Sieg für Serbien, seine aufrichtigen Freunde und einem Sieg für die unglaubliche Beharrlichkeit und den eisernen Willen des Präsidenten aller Serben, Aleksandar Vučić". Vučić selbst nutzte die UN-Vollversammlung für Propaganda. Er hängte sich eine Flagge Serbiens um. Der Finanzminister Serbiens, Siniša Mali, trug während der Abstimmung ein T-Shirt mit dem Slogan "Ich bin stolz, ein Serbe zu sein".

Drohungen von Dodik

Auch in Montenegro versammelten sich rechtsgerichtete Nationalisten, und als bekannt wurde, dass Montenegro die Resolution unterstützte, skandierten sie "Verrat" und den Namen des Massenmörders Ratko Mladić. Der Kreml-Freund und Präsident des bosnischen Landesteils Republika Srpska, Milorad Dodik, drohte wiederum – wie schon so oft – mit Sezession der Republika Srpska. Er verlautbarte: "Dies ist eine gescheiterte Resolution, und das bedeutet, dass die Uno sie nicht unterstützt hat. Ihre Absicht, den Serben Schuld und moralische Disqualifizierung aufzuerlegen, ist nicht gelungen."

Revisionisten wie Dodik versuchten bereits im Vorfeld der Resolution die Aufmerksamkeit weg von den Opfern und auf sich selbst zu ziehen, indem sie meinten, dass die Resolution "serbenfeindlich" sei, ohne dass es dafür irgendwelche Anhaltspunkte gäbe. Die US-Botschaft in Sarajevo twitterte: "Die wiederholte Leugnung des Völkermords von Srebrenica macht das internationale Gedenken an die Ereignisse von 1995 noch wichtiger und dringlicher. Die Resolution richtet sich nicht gegen einen UN-Mitgliedsstaat und weist keiner Gruppe von Menschen eine kollektive Verantwortung zu." (Adelheid Wölfl, 24.5.2024)