Zwei Ereignisse von weltpolitischer Bedeutung, die irgendwie auch thematisch zusammenhängen, spielten sich diese Woche in Wien ab, ohne dass sich bis Freitag etwas am Lauf der Welt geändert hätte. Sonntag gelobte der burgenländische Landeshauptmann im "Kurier": "Keine Residenzpflicht für Flüchtlinge". Zwei Tage später tauchte der britische Premierminister Rishi Sunak bei Karl Nehammer auf, um mit ihm, wie einer Notiz in der "Kronen Zeitung" zu entnehmen war, zwei Probleme auf einmal zu erledigen, nämlich zum Thema illegale Migration eine harte Linie zu verfolgen und die Lösung dazu in Abschiebungen in "sichere Drittstaaten" zu sehen.

Premier Rishi Sunak und Bundeskanzler Karl Nehammer im Kanzleramt.
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Dass die beiden Premiers Hans Peter Doskozil nicht ihren Gesprächen zugezogen haben, darf man nicht als eine Brüskierung des Burgenlandes verstehen, sondern ist der verständlichen Tatsache geschuldet, dass Nehammers Asyl-Achse mit Sunak („Die Presse“) keinen Belastungen durch Doskozils Anregung, Wien zu Ruanda zu machen, ausgesetzt werden sollte.

Niemand hat die historische Dimension des anglo-Austrian Treffens besser erfasst als "Die Presse". Schon um acht Uhr früh erklang auf dem Ballhausplatz zu Ehren des Gasts aus der Downing Street in London die britische Hymne – und womöglich zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg "God Save the King". Wenn man den Leserinnen und Lesern des Blattes schon nicht vorenthält, dass sich die Downing Street in London erstreckt, hätte man ihnen schon auch verraten können, dass sich der Ballhausplatz in Wien befindet. Den Touristen entging das Schauspiel der offiziellen Begrüßung auf dem roten Teppich im weiträumig abgesperrten Regierungsviertel. "Early Bird" Sunak war ohnehin sehr früh dran, und seine Stippvisite von Geheimniskrämerei geprägt.

Früher Vogel Nehammer

Was nicht ganz im Sinne des frühen Vogels Nehammer lag, der mit dem Gast endlich einmal wieder einen Wurm gefunden hatte, an dem er sich im Migrationskampf mit Herbert Kickl zu kräftigen hoffte. Die beiden Vögel müssen den Nationalgesang in Hörweite des "Presse"-Berichterstatters mitgezwitschert haben – wie sonst hätte der erkannt, dass die britische Hymne zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg in gegenderter Form aufgeführt wurde?

Entpuppten sich laut der Grazer "Kleinen Zeitung" Wien und London als strategische Partner, kann man das von Wien und Eisenstadt nicht behaupten. Sah der "Kurier" vom Mittwoch britischen Regierungschef und Bundeskanzler einig in Migrationsfragen, hatte er schon Sonntag gemeldet: Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann weist die Wiener Asyl-Forderungen zurück. Nicht nur das! Er droht mit dem Verfassungsgerichtshof, wenn die Wiener Zweitwohnsitzabgabe kommt.

Damit die Werte der Partei ja nicht steigen

Wie es scheint, erfreut sich die Asyl-Achse Doskozils mit Wiens Hacker nicht derselben Festigkeit wie Nehammers Asyl-Achse mit Sunak. "Die Presse" erklärt warum. Wo der britische Premier Rishi Sunak nach hartem Widerstand mit dem Ruanda-Modell schon ist, will Kanzler Nehammer noch hin: zu Asylverfahren in einem Drittstaat. Ob sie viribus unitis, die Grenzen ihrer Länder und die der EU überschreitend, auch dorthin gelangen, ist noch nicht entschieden, ja sogar fraglich. Die Wiener Asyl-Forderungen hingegen haben bei Doskozil keine Chance, was nicht nur am Unterschied zwischen einer Residenzpflicht im Burgenland und in Ruanda liegt. Wer mehr darüber erfahren wollte, konnte das am Mittwoch in der "Presse", wo es in der Kolumne Quergeschrieben hieß: Hans Peter Doskozil hackt gern auf der eigenen Partei herum, das ist bekannt. Seit seiner Niederlage gegen Andreas Babler im Kampf um die Führung der SPÖ wurde das Verhältnis eher nicht besser.

Kaum aus Wien zurück, kündigte Sunak Neuwahlen am 4. Juli an, was Nehammer ein wenig entblößt dastehen lässt. Eben hat er den Briten laut "Kurier" noch als "Wegbereiter und strategischen Partner" gefeiert, und schon im Sommer steht er allein da mit seiner Migrationsstrategie gegen die Freiheitlichen. Aber möglicherweise nicht mehr lange, wird doch auch in Österreich bald gewählt, und wer weiß, was dann aus Residenzpflichten in Ruanda und anderswo werden soll. Doskozil kann sich da sicher fühlen. "Wenn meine Werte hinter jene der Partei fallen würden, würde ich mich zurückziehen", versprach er dem "Kurier". Wie soll es dazu kommen, wenn man nur gelegentlich ein Interview geben muss, damit die Werte der Partei ja nicht steigen? (Günter Traxler, 25.5.2024)