Kann sich noch jemand erinnern, wie Langeweile während der Lockdowns vertrieben wurde? Manche fingen an, die Blockchain und Kryptos verstehen zu wollen, andere hatten alle Yoga-Videos von Mady Morrison auf Youtube bereits zum dritten Mal durchgeturnt, und dann gab es da noch die Hardcore-Angeödeten, die plötzlich Putzen aufregend fanden. Zeitvertreib eins und zwei sind schlecht gealtert, seitdem die meisten von uns wieder raus dürfen. Der Saubermann mit lachendem Gesicht ist allerdings geblieben – zumindest mir.

Putzschwamm mit pinkfarbigen Smiley als harte Seite zum Schrubben
Vor allem Aaron Krause, der Erfinder von Scrub Daddy, hat jetzt leicht lachen bei einem Stückpreis von vier Euro im Drogeriemarkt.
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Scrub Daddy heißt der Putzschwamm mit dem Smiley-Gesicht, der irgendwann zu Beginn der Pandemie via Instagram bei mir vorstellig wurde. Wenn Sie mich fragen, war das damals auch der erste valide Beweis dafür, dass die KI deppert sein kann, denn ganz bestimmt habe ich nie zuvor in meinem Leben irgendwo den Suchbegriff "putzen" eingetippt. Oder sind die Algorithmen auf Social Media vielleicht doch ausgefuchster, als wir bisher annahmen? Ich verwende jedenfalls seit dem virtuellen Erstkontakt mit Scrub Daddy im echten Leben ausschließlich das überteuerte Putzschwammerl. Vermutlich weil die grinsende Reinigungskraft auch richtig gutes Storytelling kann.

Vom Teleshopping zu Tiktok

Der Autowäscher und nunmehrige Multimillionär Aaron Krause hat in den USA schon zur Jahrtausendwende solche Schwämme gebastelt. Er schnitt zunächst zwei Löcher in ganz normale Modelle, um seine Finger darin zu reinigen. Erst im Jahr 2012 gewann er in TV-Sendung Shark Tank eine Investorin für seine Putzschwamm-Idee. Erstmals feilgeboten wurde die Innovation namens Scrub Daddy schließlich auf dem amerikanischen Teleshoppingsender QVC.

Am ersten Tag der Präsentation verkaufte Krause 7000 Sets aus Schwämmen in nur sieben Minuten. Wohl schon deshalb hilft QVC in der Folge, den Schwamm auch in den regulären Handel zu bringen und bekannter zu machen. Unter anderem über Tiktok, wo der Smiley-Schwamm 2020 auftaucht. Man sieht schon: 20 Jahre Zeit von der ersten Entwicklung und eine weltweite Seuche wie Corona sind dann halt doch nötig, um das Putzen attraktiver zu machen. So richtig genderneutral ist die Sache aber nach wie vor nicht.

Pinkfarbiger Putzschwamm in der Verpackung.
Mit Doppelbelastung kommt auch bei Scrub Daddy nur die Mutti zurecht.Lediglich das Modell "Scrub Mommy" hat eine raue pinkfarbige und eine weiche Seite.
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Das Objekt der seltsamen Begierde neben meiner Spüle ist genau genommen kein saubermachender Vati, sondern viel klassischer eine Putzmutti: Bei der Marke "Scrub Daddy" hat nämlich nur das Modell "Scrub Mommy" eine weiche und eine harte Seite zum Saubermachen. Mit Doppelbelastung kommen also auch bei Spülschwämmen wieder einmal nur die Mütter zurecht. Sogar wie man das Schwammerl richtig bedient, zeigt im richtigen Leben eine Frau vor: 2021 konnte die Marke die wohl bekannteste Putz-Influencerin der Welt für sich gewinnen, die Finnin Auri Kananen. Sie demonstriert seither ihren mehr als elf Millionen Followern, wie gut Scrub Daddy mit Dreck klarkommt.

Knusprig und ohne Kratzer

Im Jahr 2024 frage ich mich, ob es nicht Zeit ist, mit der Pandemie endlich auch Scrub Daddy zu begraben. Immerhin kostet so ein Schwamm fast das Dreifache von funktionalen Modellen, die noch dazu aus recycelten Materialien stammen. Der pinke Smiley dagegen besteht aus geschäumtem Kunststoff, der so robust aussieht, als würde er auch nach drei weiteren weltumspannenden Seuchen nicht verrottet sein.

Allerdings hat sich Mommys raue Seite im täglichen Einsatz wirklich bewährt. Etwa bei den Pfannen des Schulkinds, das sich das Mittagessen schon selbst aufgewärmt, aber noch am feinen Unterschied zwischen "knusprig" und "verkohlt" tüftelt. Selbst hartnäckigste Rückstände in Töpfen lassen sich damit weitgehend ohne Spülmittel und völlig ohne Kratzer beseitigen. Ist danach der Schwamm schwarz wie zuvor der Pfannenboden, kommt er zum Reinigen und Desinfizieren in den Geschirrspüler. Selbst nach vielen Waschgängen in der Spülmaschine sieht das Ding dann immer wieder aus wie neu und erfüllt abermals seinen Zweck – oder viele Zwecke. Das Fahrrad lässt sich damit nämlich genauso problemlos von Dreck befreien wie Leder oder Fiberglas. Damit das aber wirklich ohne Kratzer vonstattengeht, sollte der Schwamm zuvor mit warmem Wasser weich gemacht worden sein.

Scrub Daddys Lächeln ist künstlich, also nur mit Mikroplastik zu erreichen. Dennoch fällt die Bilanz der Nachhaltigkeit im Vergleich zu anderen Produkten im Alltag nicht ganz so katastrophal aus, wie man meinen möchte. Ein halbes Jahr lang hält der Schwamm, der einen Autowäscher zum Millionär machte, nämlich auch bei intensivem Gebrauch locker durch. Und dann sind da noch die angenehmen Nebeneffekte eines Lächelns: Mit der Innenseite des Lachmundes lassen sich etwa intensiv verpickte Löffel super reinigen, wodurch diese nicht zwei- oder dreimal hintereinander in den Geschirrspüler müssen. Das ist Wasser-, Putzmittel- und Geldsparen über eine Umwegrentabilität. Nur eines konnten weder eine finnische Influencerin noch lustige Tiktok-Videos beeinflussen: Putzen wird mir nie auch nur ein Grinsen ins Gesicht zaubern. (Sascha Aumüller, 27.5.2024)