Der Ostblock-Charme des Wiener Vorortes hat sich gehalten. Seit den Dreharbeiten für den James Bond-Streifen hat sich in dem Währinger Grätzel nur wenig geändert. Nur ein einziger Neubau wurde seither hier errichtet

Foto: STANDARD/Fischer

Eva Silberbauer in ihrer alten Heimat an der Endstelle der Straßenbahnlinie 42: "Hier fuhr der Timothy immer ums Eck."

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Wien – "Hier fuhr der Timothy immer ums Eck", erinnert sich die Sängerin Eva Silberbauer. Und obwohl das schon ein gutes Zeiterl her ist, bekommt sie immer noch ein leicht schwärmerisches Glänzen in den Augen, wenn sie sich daran erinnert. Auch wenn sie das Endprodukt im Kino dann wie so viele andere alles andere als enthusiasmiert hat.

Trotzdem: "Hier bin ich immer am Fenster gehangen und wollte entdeckt werden", berichtet uns Eva Silberbauer und deutet hinauf auf ein Fenster. Das lange Warten hat sich gelohnt. Denn endlich, exakt 20 Jahre nach den Dreharbeiten, wird sie doch noch entdeckt – wenn auch nur von uns – als Augenzeugin.

Damals, 1987, waren die kommunistischen Regime noch intakt und gegen Produkte oder Filmproduktionen des dekadenten Westens abgeschirmt – also musste wieder einmal der morbide Charme der Wiener Außenbezirke als klassische Ostblockkulisse herhalten, was recht praktisch war: Denn andere Szenen des Bond-Filmes "Der Hauch des Todes" ("The Living Daylights") spielen ohnehin im echten Wien – oder was für die internationalen Filmleute halt das "echte Wien" ist.

Die U-Bahn "sprengen"

Mitte der 80er-Jahre wurden die Bond-Leute in Wien recht herzlich aufgenommen: Der damals amtierende Bürgermeister Helmut Zilk kündigte umgehend eine umfassende Kooperation mit der prominenten Filmproduktion an: Falls nötig, könne das Team "auch die U-Bahn in die Luft sprengen", bot Zilk an – rein cineastisch, natürlich. Derartiges war dann doch nicht nötig, und auch die Nostalgie-Straßenbahn überstand den Dreh unbeschadet. Sie fuhr im Wiener "Bratislava".

Die Station, in deren Nähe sich im Film die Wohnung des "Bondgirls" Maryam d'Abo befindet, ist die Endstelle der Linie 42 in Wien-Währing. Und auch heute noch verbreitet die Gegend den Charme einer Plattenbausiedlung kommunistisch geprägter Vororte. "Nur ein einziger Neubau wurde seit den Dreharbeiten hier errichtet", erläutert uns Eva Silberbauer, während sie uns in ihrer alten Heimat herumführt.

"Internationale Versammlung"

Sie selbst hatte ums Eck gewohnt, in der Sommarugagasse, "und ich habe diese Gasse geliebt", denn sie beherbergte schon damals eine besondere Mischung: "Nur Ausländer – vielleicht zwei Österreicher wohnten hier. Ansonsten Türken, Schwarze, Inder, Serben – wie eine internationale Versammlung."

Und in jenem Haus, in dem sie selbst wohnte, ging es auch im wirklichen Leben gelegentlich zu wie im Krimi: "In einer anderen Wohnung hat auch ein ehemaliger Einbrecher gewohnt, der hat mir immer, wenn ich meinen Schlüssel vergessen hatte, die Tür aufgemacht." Und als er die entscheidenden Handgriffe durchführte, sagte er stets: "Madl, jetzt schaust kurz weg." Doch wir setzen unsere Spurensuche an der Straßenbahnendstelle "Antonigasse" fort. Genau an dem Eck, an dem im Bond der KGB auf die Cellistin wartete, hat inzwischen das Lokal "Urknall" eröffnet. "Der Anfang nach dem Nichts", heißt es in der Eigenwerbung. Auf einer großen Videowall wird drinnen gerade Kriminelles übertragen – eine Folge der Serie "CSI Miami". Davor, auf einer Couch, dämmert ein Mann vor sich hin, er hat sich offenbar heute Abend schon mit einem mächtigen alkoholischen Urknall in andere Sphären weggesprengt.

Einsamer Kontrabass

Zwei Ecken weiter finden sich dann auch noch die Reste jener alten Remise, in deren Halle Timothy Dalton cellobeladen in der Toilette verschwand. Über den Großteil des Straßenbahnschlupfwinkels ist inzwischen ein Neubau mit einem "Eurospar"-Supermarkt gewachsen. Doch die denkmalgeschützte Ziegelfassade der Remise steht noch, auf der die Inschrift "Städtische Straßenbahnen – Bahnhof Währing" entziffert werden kann. Das Gebäude wird inzwischen anders genutzt, wie ein Schild verkündet: "Musikschule – Eingang im Hof rechts". Hier hätte also eine Cellistin wie Kara Milovy ihre erste Ausbildung erhalten können. Eine Cellistin erblicken wir hier dennoch nicht, das wäre vielleicht auch ein wenig zu viel verlangt.

Doch als wir uns so umsehen, schleppt ein Kontrabassist seinen schweren Kasten durch die Ostblockkulisse des nächtlichen Wien. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 1./2.9.2007)