"Wenn du eine Frau bist, hängt es von deinen Kontakten ab, wie du behandelt wirst. Wenn du mit sehr traditionellen Leuten zusammen bist, wirst du in einem traditionellen Sinn wie eine Frau behandelt."
Zdenka Badovinac leitet seit fünfzehn Jahren die "Moderna Galerija" in Ljubljana.
Foto: Dejan Habicht
"Moderna Galerija" - Außenansicht
Foto: Dejan Habicht
Ausstellung "Jeder Mensch ist ein Kurator" in der "Moderna Galerija"
Foto: Dejan Habicht

Unter Zdenka Badovinac Ägide als Museumsdirektorin für Zeitgenössische Kunst verwandelte sich die "Moderna Galerija" in Ljubljana von einem National-Museum zu einem mit internationaler Sammlung zu osteuropäischen Avantgarde-Pratiken. Ein Interview von Kerstin Kellermann.

dieStandard.at: Sie sind seit 15 Jahren Museumsdirektorin der "Moderna Galerija", des Museums für zeitgenössische Kunst in Ljubljana. Wie veränderte sich in dieser Zeit die Rolle des Museums?
Zdenka Badovinac: Im Laufe der Zeit entstand eine neue Art von Verantwortung gegenüber dem lokalen Umfeld in Ljubljana. Das Haus blieb nicht das Museum für Nationale Kunst, wie es 1948 installiert worden war. Bis Jugoslawien zusammen brach, waren wir die zentrale Institution für moderne Kunst für eine der Republiken Jugoslawiens. Als Slowenien zu einer unabhängigen Republik wurde, wurde das Museum zur zentralen Institution im Land. In der Zeit des Krieges fragten wir uns ernsthaft, was die Rolle der Institutionen im Krieg beinhaltet. Mitte der 80er Jahre beteiligten wir uns aktiv am Aufbau eines zukünftigen Kunst-Museums in Sarajevo. Gemeinsam mit KünstlerInnengruppen wie Irwin versuchten wir die Kunstszene in Sarajewo zu unterstützen. Wir etablierten mit elf internationalen KünstlerInnen wie z.B. Marina Abramovic den Teil der Sammlung, der heute Ljubljana-Sammlung genannt wird.

dieStandard.at: Nicht nur Jugoslawien, sondern ganz Osteuropa veränderte sich ja stark in Ihrer Amtszeit...
Zdenka Badovinac: Regierungen brachen zusammen, die Geografie veränderte sich, ganze Länder verschwanden.... Also gestalteten wir 1998 die Ausstellung "Body and the East", die erste thematische Ausstellung zu osteuropäischer Kunst. Sie drehte sich um Körper-Kunst, um die Performance-Kunst in Osteuropa von den 60er Jahren bis zur heutigen Zeit. Später etablierten wir die internationale Sammlung 2000+ über Neo-Avantgarde Praktiken im osteuropäischen Kontext. Harald Szeemann machte die Ausstellung "Epicenter Ljubljana" für uns, er empfahl uns einige westliche KünstlerInnen wie Jenny Holzer für unsere Sammlung.

Das Ziel der folgenden Ausstellungen "Arteast 2000+", "Territorien, Identitäten, Netze" (2005) oder "Interrupted Histories" (2006) war es, die Geschichte der osteuropäischen Kunst neu zu überdenken, und zu versuchen, sie neu zu definieren und in einen Kontext mit anderen Orten zu stellen. Die erste Präsentation der Sammlung fand in der Metelkova, einem Komplex von Baracken der ehemaligen Militärarmee Jugoslawiens statt. Dort entsteht jetzt gerade ein neues Museums-Viertel mit dem ethnografischen Museum, dem nationalen Museum und hoffentlich uns. Im Moment diskutiert das Ministerium noch unseren Vorschlag, denn es gibt auch andere Nutzungsvorschläge. Unser Haupthaus wird gerade wegen Renovierung für ein Jahr geschlossen und wir ziehen in eine ehemalige Tabakfabrik. Wir müssen dort Miete zahlen und uns bleibt kein Geld für Projekte.

Nur für die Ausstellung "Jeder Mensch ist ein Kurator", für die hundert junge KünstlerInnen ihre Kunst ins Museum brachten, ist die "Moderna Galerija" noch geöffnet. Diese Ausstellung kostete nichts. Ich schrieb einen Brief an die Zivilgesellschaft, um sie zur Beteiligung aufzurufen. Es war wie ein Test zum Thema kulturelle Politik. Und es hat funktioniert. In früheren Perioden war unsere Institution vielleicht zu verschlossen für junge KünstlerInnen, aber Ende der 80er Jahre wurden wir mit der neuen Gruppe von jungen KuratorInnen wie Igor Zabel, der vor kurzem gestorben ist, offener.

dieStandard.at: Befasste sich irgendwann einmal eine Ausstellung mit Frauenthemen?
Zdenka Badovinac: In den 90er Jahren erschienen in Slowenien plötzlich viele Künstlerinnen der jüngeren Generation in der Kunstszene. Vorher hatten wir nicht wirklich viele. Sicher schlossen wir sie in unsere Shows ein, aber wir behandelten sie nicht als Frauen-Künstlerinnen. Auch ihre Themen standen nicht in Beziehung zur Position der Frau, sondern setzten sich mit ähnlichen Inhalten auseinander wie die Männer.

Das Thema Feminismus war in der zeitgenössischen Kunst in Slowenien nicht so stark präsent, das ist vielleicht auch der Grund, warum wir keine Ausstellung zu diesem wichtigen Thema gestalteten. Wir sollten jetzt nicht nur Ausstellungen mit zeitgenössischen Künstlerinnen machen, sondern ebenfalls zur Frage der Position von Frauen im 20. Jahrhundert. Denn das ist eine wichtige Frage in bezug auf den Sozialismus, wie die Rolle der Frauen aussah, die offiziell natürlich mit den Männern gleich gestellt waren. Genauso wie bei den Partisanen im Krieg. In den sozial-realistischen Denkmälern wurde die Frau als starke, mutterähnliche Figur dargestellt. Vielleicht nicht besonders sexy, ohne besonderen Sex-Appeal... (lacht). Es gab öffentliche Diskussionen zu den PartisanInnen-Denkmälern.

dieStandard.at: Aber gab es eine Periode, wie z.B. in den USA, in der es eine Menge Performances gab, oder in der Künstlerinnen in den öffentlichen Raum gingen?
Zdenka Badovinac: Nein, in Slowenien nicht. In Kroatien sicher und in Serbien, dort gibt es eine andere Tradition, wie z.B. Marina Abramovic oder Sanja Ivekovic, die sich schon in den 70ern speziell mit Performance und öffentlichem Raum auseinander setzten. Diese Form der Neoavantgarde-Praktiken war in Zagreb stärker als in Slowenien, was im Zusammenhang mit dem Modernismus steht. In Slowenien war die Neo-Avantgarde mehr mit Fragen verbunden, die z.B. die Gruppe OHO in den 60er Jahren eröffnete. Es gab keine Künstlerin in dieser Gruppe. In den 80ern änderte sich das, mit KünstlerInnen, die mehr mit der Subkultur-Szene verbunden waren, wie z.B. den Video-Künstlerinnen Marina Grzinic und Aina Smidt. In den 90ern setzten sich Künstlerinnen mit der Rolle der Institutionen und der Kuratoren auseinander.

dieStandard.at: So wie Tanja Ostojic mit Harald Szeemann bei der Kunst-Biennale in Venedig?
Zdenka Badovinac: Ja, aber die Frage des Verhältnisses von Kurator und KünstlerInnen wurde schon von den Künstlerinnen Nika Span und Maja Licul eröffnet, in bezug auf Peter Weibel z.B., der 1996 die Triennale für slowenische zeitgenössische Kunst kuratierte. Sie machten eine Art Beziehungs-Witz mit dem Kurator. Tanja Ostojic war erst 2001 der "Schutzengel" von Harald Szeemann. Aber die bedeutendste internationale Künstlerin dieser Zeit ist Marjetica Potrc, sie beschäftigt sich mit Urbanismus, sozialer Architektur, den "Wilden Zonen" der Stadt. Sie machte Kunst in den Favelas in Sao Paulo. Sie baut kleine Häuser, die sich in Bezug auf die Energie selbst tragen. Das hat aber nichts mit Frauenthemen zu tun.

dieStandard.at: Macht es für Sie einen Unterschied, ein weiblicher Museumsdirektor zu sein?
Zdenka Badovinac: Ich denke nie darüber nach (lacht). Aber wahrscheinlich macht es einen Unterschied. Wenn du eine Frau bist, hängt es von deinen Kontakten ab, wie du behandelt wirst. Wenn du mit sehr traditionellen Leuten zusammen bist, wirst du in einem traditionellen Sinn wie eine Frau behandelt. Aber ich musste nie die Erfahrung machen nach meinem Geschlecht beurteilt zu werden. In Ljubljana gibt es viele Direktorinnen in den Institutionen. In der Politik will man auch mehr Frauen ins Parlament bringen, obwohl es dort nur sehr wenige gibt... (lacht). Aber es gibt ein Bewusstsein. In der National-Galerie gibt es eine Direktorin, im internationalen Grafikzentrum, im ethnografischen Museum, im Theater und in der Direktion für das Festival für zeitgenössischen Tanz. In Slowenien war es in den letzten 15 Jahren nie ein öffentlich diskutiertes Thema, dass eine Frau eine Position nicht kriegt, weil sie eine Frau ist.

dieStandard.at: Und in Zusammenhang mit Geld? In Wien gibt es z.B. den Albertina-Direktor, der eine Menge Sponsoren für sein Museum aufgestellt hat... Gewisse Männer haben vielleicht bessere Verbindungen zur Wirtschaft.
Zdenka Badovinac: Es gibt sicher informelle Verbindungen und, da das Benehmen und Verhalten von Männern klare Unterschiede zu dem von Frauen aufweist, gibt es sicher Welten, die wir nicht betreten können. Männer können vielleicht wirklich bessere Verbindungen zur Wirtschaft aufbauen, schließlich sind die meisten Direktoren überall und immer noch Männer. In Slowenien ist es so, dass der Direktor nach seiner bisherigen Arbeit ausgewählt wird, man muss schon etwas zeigen können. Es gibt genug Frauen in der Theorie, im Feld der kulturellen Praxis.

Aber wenn es im politischen oder ökonomischen Feld um die Frage des Dialoges und des Lobbyismus mit anderen Teilen der Welt geht, ist das anders. Ich würde behaupten, dass auch die Männer in der Welt der Kultur, in unserem kulturellen Berufsfeld, anders sind als die Männer in der Wirtschaft. Ich habe männliche Kuratoren, die sind in diesem Zusammenhang nicht mehr "Mann" wie ich es bin oder eine andere Frau. Vielleicht manchmal genau im Gegenteil (lacht). Es ist der Beruf und es ist der Kontext, in dem du arbeitest. Die Kunst-Welt und die Kultur-Welt sind nicht so aggressiv wie jede andere Welt. Auch für jeden anderen meiner Kollegen wäre es schwierig eine starke Verbindung zur Wirtschaft aufzubauen. Aber eigentlich war ich sehr erfolgreich mit den Sponsoren.

dieStandard.at: In welche Richtung geht die Kunst in Slowenien gerade?
Zdenka Badovinac: Heute arbeiten die jungen KünstlerInnen an anderen Themen, als die, die die Legitimität der Gruppe "Neue Slowenische Kunst" ausmachten. Mehr zu Medien und Globalisierung. Die KünstlerInnen kommen wieder verstärkt auf die aktuellen, politischen Probleme in Slowenien zurück. Z.B. haben sich jetzt drei junge Künstler offiziell in Janez Jansa umbenannt und änderten ihre Dokumente. Sie heißen jetzt genau gleich wie der slowenische Ministerpräsident. Ist aber keine Frau dabei (lacht). (dieStandard.at/8. September 2007)