Wem gehört meine Wohnung? Erst mit einer Parifizierung, also mit einer Zuweisung der Nutzwerte, kann diese Frage eindeutig beantwortet werden.

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Man kann eine Wohnung kaufen – und man kann eine Wohnung kaufen. Die einen werden sich daran erfreuen, dass sie ihre eigenen vier Wände erworben haben. Die anderen werden früher oder später erkennen, dass sie nicht eine Wohnung, sondern nur bestimmte Anteile an einem Wohnhaus gekauft haben. Der Grund: Erst mit einer Parifizierung, also mit einer Zuweisung der tatsächlichen Nutzwerte, wird man Herr über seine eigene Wohnung.

"Viele ältere Wohnhäuser, die im Laufe der Zeit ins Eigentum mehrerer Leute übergegangen sind, sind bis heute nicht parifiziert. Und das wissen viele nicht", erklärt Reinhold Harlfinger, ein auf Liegenschaftsschätzungen und Wohnungseigentum spezialisierter Sachverständiger. Das so genannte schlichte Miteigentum an einer Liegenschaft bzw. einem Haus funktioniere in der Regel, solange sich alle Parteien verstehen. Doch die Gefahr, dass irgendwann einmal ein Interessenkonflikt entsteht, ist groß. Harlfinger: "Manche Leute fühlen sich nur wohl, wenn sie streiten können. Wie wir wissen, lauern derartige Leute in vielen Häusern." Vor allem im Falle einer Belastung der Liegenschaft stellt sich das Miteigentum ohne Parifizierung als Schlangengrube heraus – zum Handkuss kommen dann alle.

Fünf Prozent weniger wert

Nicht zuletzt ist eine unparifizierte Wohnung auf dem freien Markt schlichtweg weniger wert als begründetes Wohnungseigentum. "Im Normalfall kann man von etwa fünf Prozent Wertverlust sprechen", sagt Harlfinger, "in vereinzelten Situationen ist es aber auch weitaus mehr." Fragt sich angesichts so großer Nachteile: Weshalb gibt es immer noch so viele unparifizierte Gebäude? "Teilweise liegt der Grund in einer gewissen Vernachlässigung, oft liegt es aber auch an fehlenden Planunterlagen", so Harlfinger.

Sind die vorhandenen Baupläne – zum Tragen kommt lediglich der offizielle Planstand auf der Baubehörde – auf dem neuesten Stand und decken sie sich auch tatsächlich mit der Wirklichkeit, dann dauert die Erstellung eines nötigen Gutachtens aus ziviltechnischer Sicht gerade einmal ein paar Tage. Schwierig wird es erst, wenn keine aktuellen Planunterlagen bestehen. "Ein gesamtes Wohnhaus auszumessen ist ein immenser Aufwand", sagt Architekt Franz Bernhart, "bis man einmal alle Leute erreicht und sie zwecks Naturmaßaufnahme zu Hause besucht hat, vergehen oft Wochen und Monate – und das geht ins Geld."

Das kleine Einmaleins

Die privaten Flächen innerhalb des Wohnverbandes auszumessen und daraus einen Anteil am gesamten Haus zu errechnen ist einfach. Weitaus komplizierter gestaltet es sich beispielsweise bei Freiräumen wie Balkonen, Loggien, Terrassen und Gärten, aber auch bei Garagenstellplätzen. Bernhart: "Die Berechnungen sind zwar kompliziert, aber das Eigentumsgesetz 2006 gibt streng vor, wie was zu bewerten ist. Dennoch: Ein bisschen Interpretationsspielraum bleibt immer. Beispielsweise ist ein Garagenstellplatz in der Innenstadt anders zu bewerten als etwa am Stadtrand."

Wie lange ist so eine Parifizierung aktuell? Oft wird umgebaut und ausgebaut, manchmal wird die Wohnungseingangstür versetzt, dann verändert sich auch die Nutzfläche der Wohnung und somit der Anteil am gesamten Haus. In diesem Fall können die Miteigentümer eine Neuparifizierung beantragen – möglich ist dies ab einer Abweichung von drei Prozent.

Wichtig bei Neubauprojekten

Weitaus wichtiger ist die Parifizierung jedoch bei gemeinschaftlichen Neubauprojekten, beispielsweise beim Ankauf eines gemeinsamen Grundstücks, das in der Folge mit einigen Einfamilienhäusern bebaut werden soll. In so einem Falle wird die Liegenschaft in ideelle Teile gegliedert. "Doch was passiert, wenn sich die ehemaligen Freunde eines Tages nicht mehr verstehen?", fragt Rechtsanwalt Clemens Gärner, der sich auf Immobilienerwerb spezialisiert hat, "wenn einer der Miteigentümer seinen Anteil verkaufen möchte, kann dies ohne Parifizierung übel enden." Können sich die Parteien nicht einigen, kommt es im schlimmsten Fall zu einer Teilungsklage. Dann wird das gesamte Grundstück versteigert und der Anteil auf alle verteilt. Gärner: "Ein Horrorszenario."

Wo liegen die notariellen Kosten? "Preise sind schwer zu nennen, aber für die Parifizierung eines durchschnittlichen Gründerzeithauses in Wien kann man mit 5000 und 10.000 Euro rechnen." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.9.2007)