Agent in Bewegung: Jason Bourne (Matt Damon) nimmt in "The Bourne Ultimatum" auch gern die Londoner U-Bahn.

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Wien – Die schlechte Reproduktion eines Gesichts, von den Schlieren mangelhafter Übermittlung durchzogen. Das Bild von einem, der sich selbst nicht kennt. Mit Lücken, die es rasch zu füllen gilt. In den Händen derer, die des Mannes habhaft werden müssen, damit dann auch das Bild ein für alle Mal aus ihren Datenbanken verschwinden kann.

The Bourne Ultimatum von Paul Greengrass ist der dritte – und wie sein Ende nahe legt, auch nicht unbedingt letzte – Teil jener kleinen Filmserie, die 2002 mit The Bourne Identity begann und 2004 mit The Bourne Supremacy fortgesetzt wurde. Matt Damon spielt – angelehnt an eine Romanvorlage von Robert Ludlum – einmal mehr jenen gejagten US-Amerikaner, der dem Geheimnis seiner Identität nun immer näher kommt.

Die Unrast des Helden, der immer unter Zeitdruck steht, die Verfolger dicht auf den Fersen, wird wenig überraschend von einer nervösen Kameraführung und Montage unterstrichen und nicht selten noch von musikalischem Bombast befeuert. Trotz dieser zeitgemäß handelsüblichen Umsetzung ist The Bourne Ultimatum in vieler Hinsicht ein klassischer Verschwörungsthriller:

In anonymen, neonkalten Räumen gehen etwa abgeklärte Wissenschafter ihrer von der Politik diktierten Arbeit nach. Bourne wird gleich zu Beginn des neuen Films während einer Verfolgungsjagd von ersten, irritierenden Erinnerungssplittern heimgesucht, die ihn als deren Opfer zeigen: bei der Zurichtung zur skrupellosen Kampfmaschine, die sich schließlich mit all ihren Fähigkeiten gegen ihre Schöpfer wendet.

Dabei ist gute alte analoge Action gefragt: Auf seiner hektischen Fluchtbewegung über Kontinente macht Bourne etwa in London Station. Die Recherchen eines britischen Journalisten (Paddy Considine) berühren nämlich möglicherweise auch seine mysteriöse Vergangenheit.

Ferngesteuerte Aktion

Das konspirative Treffen findet im Menschengewirr der Liverpool Street Station statt. Und der Film inszeniert das Katz-und-Maus-Spiel der drei Parteien (auch auf dem Radar der CIA ist der unliebsame Zeitungsmann längst aufgetaucht) als per Mobiltelefon und (anderem) Überwachungsgerät ferngesteuertes Bewegungsmanöver mit überraschenden, dynamischen Volten.

An anderer Stelle wird die Altstadt von Tanger zur perfekten Bühne: für ein Rennen, Springen, Hechten – durch enge Gassen, von Dach zu Dach, durch Fenster in Gebäude und wieder hinaus – und für wildes Schlittern auf Motorrädern, in scharfen Kurven über Treppen und auf dicht befahrenen Straßenzügen.

Nicht nur darin erinnert The Bourne Ultimatum an Casino Royale (und dessen atemberaubende Parcourseinlagen). In beiden Filmen spielt die Bildung beziehungsweise Auflösung der Agentenidentität, der Konflikt zwischen ethischen Grundsätzen und Loyalität gegenüber Vaterland und Vorgesetzten eine zentrale Rolle. Und in beiden wird dieser Konflikt auf das holzschnittartige Format eines potenziellen Blockbusters herunter gebrochen. Während 007 fortan allerdings im Dienste Ihrer Majestät agieren wird, hat sich der Mann, der nun weiß, wer Jason Bourne ist, am Ende wohl dauerhaft für seine eigene Seite entschieden. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 08./09.09.2007)