In meinem Freundeskreis gibt es noch zwei Exemplare einer aussterbenden Spezies: Die beiden sind seit ihrem Eintritt ins Berufsleben im gleichen Unternehmen. Früher war das das Karriereideal, heute wird es beargwöhnt. Wer 1990 in den Beruf einstieg, wechselte in nur zehn Jahren den Job genauso oft - im Schnitt viermal - wie der, der 1970 einstieg, in 30 Jahren.

Die Company World - gekennzeichnet durch relative Stabilität und Abhängigkeit von einem Arbeitgeber - ist längst nicht mehr das einzige Karrierefeld. Daneben gibt es die klassische Selbstständigkeit, die mit stabilen Arbeitsinhalten und Beziehungen aufwartet. Neue Karrierefelder sind "Free Floating Professionalism" mit häufigem Wechsel des Arbeitgebers. Manager auf Zeit und IT-Spezialisten tummeln sich hier. Oder "chronische Flexibilität": Viele unterschiedliche Auftraggeber und Aufträge gleichzeitig, rasche Wechsel, kein klares Berufsbild - begleitet von der "Erosion des Normalarbeitsverhältnisses" mit den unerwünschten Nebenwirkungen, die der US-Soziologe Richard Sennett im Buch "Der flexible Mensch" treffend beschreibt.

Für die Bessergebildeten und Jüngeren sind diese Karrieren nicht nur Jammertal, sondern auch Desideratum: Nur 42 Prozent der Wirtschaftsakademiker wollen nach dem Studium in die Company World, 20 Prozent in die Selbstständigkeit, 38 Prozent wünschen sich neue Karrieren, wobei die chronische Flexibilität mit 27 Prozent am attraktivsten ist.

Und es sind gerade die Besten, die mit der Unternehmenswelt nichts mehr am Hut haben: Höhere Leistungs- und Führungsmotivation, mehr soziale Kompetenz, Flexibilität und emotionale Stabilität. Die Recruiter großer Firmen müssen erkennen, dass gesuchte High Potentials vorerst nicht zu ihnen wollen. Aber: Karrierewunsch ist nicht gleich Karrierewirklichkeit. Karrierewünsche ändern sich auch mit dem Alter - irgendwann ist wieder Stabilität gefragt. Während beim Jobeinstieg nur 30 Prozent in der Company World landen, sich hingegen 36 Prozent als Free Floating Professionals und 24 Prozent als alte oder neue Selbstständige sehen, sind nach sechs Jobjahren 88 Prozent in klassischen Arbeitsverhältnissen und nur zwölf Prozent selbstständig oder in neuen Karrierefeldern. (Michael Meyer*, Der Standard, Printausgabe 8./9.9.2007)