New York - Wegen der Krise an den Immobilien- und Kreditmärkten zieht die größte US-Hypothekenbank Countrywide die Notbremse und streicht ein Fünftel aller Stellen. Mit dem angekündigten Abbau von bis zu 12.000 Jobs setzt der Branchenführer ein Alarmsignal, da bisher kein von der Krise betroffenes Institut ähnlich tiefe Einschnitte beim Personal vornehmen musste. Ein unerwarteter Rückgang der Zahl der Arbeitsplätze in den USA hatte jüngst Angst vor einer Rezession aufkommen lassen. Experten schließen nun nicht mehr aus, dass sich die US-Notenbank Fed zu einer Senkung des Leitzinses noch vor der Sitzung am 18. September entschließen könnte.

Absenkung möglich

"Eine Senkung ist durchaus möglich und ehrlich gesagt, wäre ich nicht überrascht, wenn sie noch vor dem 18. kommt", sagte Michael Metz von Oppenheimer & Co. Er halte zudem eine Absenkung um 50 Basispunkte für möglich. Die Fed hält seit Juni 2006 den Zielsatz für Tagesgeld konstant bei 5,25 Prozent. In Reaktion auf die vom Hypothekenmarkt ausgehenden Turbulenzen an den Kreditmärkten hatte die Notenbank Mitte August den Diskontsatz bereits auf 5,75 von 6,25 Prozent gesenkt. Dieser Zinssatz gilt für kurzfristige Kredite der Geschäftsbanken bei der Notenbank.

Jüngst erreichten die Fed neue Hiobsbotschaften - diesmal vom Arbeitsmarkt. Am Freitag hatte das Arbeitsministerium den Verlust von 4.000 Stellen im August bekannt gegeben, statt eines erwarteten Anstiegs von 110.000 Arbeitsplätzen. Als Ursache des Stellenabbaus wird vor allem die US-Hypothekenkrise gesehen.

Binnen drei Monaten erledigt

Mehrere Konzerne waren in den vergangenen Wochen in Finanzierungsprobleme geraten, weil viele Hypotheken-Schuldner mit niedriger Bonität nicht mehr zahlen konnten. Die in Kalifornien ansässige Bank Countrywide teilte nun am Freitag mit, der massive Arbeitsplatzabbau solle binnen drei Monaten über die Bühne gehen. Einige Stellen seien bereits weggefallen. Es ist der mit Abstand größte Jobabbau eines einzelnen Konzerns in der akuten US-Immobilienkrise, durch die bereits zehntausende Beschäftigte ihre Stellen verloren haben. Auch der Kreditgeber IndyMac kündigte den Abbau von 1.000 Arbeitsplätzen an. Damit verlieren rund zehn Prozent der IndyMac-Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz.

Countrywide-Chef Angelo Mozilo erklärte in einem Brief an seine Mitarbeiter, der aktuelle Abschwung seit "mit Sicherheit der schwerste in der zeitgenössischen Geschichte unserer Branche". In den vergangenen zwei Jahren sei der Anstieg der Eigenheimpreise zum Stillstand gekommen und habe sich in Teilen des Landes sogar umgekehrt. Zudem verwies er auf eine Zunahme von Zahlungsausfällen und Zwangsvollstreckungen "bei viel zu vielen Kreditnehmern".

Kreditmarktanlage

Der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan sagte der Zeitung "Wall Street Journal", die derzeitige Kreditmarktlage erinnere ihn an die Krisen 1987 und 1998. Die Entwicklungen seien in vielerlei Hinsicht identisch, zitierte die Zeitung Greenspan in ihrer Internetausgabe vom Freitag. Greenspan übernahm die US-Notenbank 1987 kurz bevor der Dow Jones an einem einzigen Tag im Oktober 23 Prozent ins Minus stürzte. 1998 brachte der Kollaps des Hedgefonds Long-Term Capital Management infolge der russischen Finanzkrise die Derivate-Märkte ins Wanken.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Krise an den Finanzmärkten trifft die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag Greenspans Nachfolger Ben Bernanke. Dieser wird in Berlin im Rahmen einer Bundesbank-Lecture zum Thema "Globale Ungleichgewichte" sprechen. Wie ein Regierungssprecher am Wochenende in Berlin mitteilte, wird Merkel den Fed-Chef zu einem Meinungsaustausch zu allen aktuellen Fragen treffen.(Neil Shah/Reuters)