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Auf "The World" soll ein Sissi-Hotel entstehen.

Foto: APA/JOSEF SZALAY

Ganz Österreich ist umgeben von Stränden. Hellgelb sind sie, aus feinem Sand, immer wieder durchsetzt von aberzehntausenden Muschelschalen. Leichter Wind weht diesen Morgen gleichmäßig übers Land und sorgt für eine kleine Erfrischung. Die Wassertemperatur liegt bei 26 Grad, und Niederschlag schließen die Meteorologen für die nächsten neun Monate kategorisch aus.

Die höchste Erhebung bringt es auf weniger als etwa drei Meter. Irgendwer hat dort die österreichische Fahne in den Sand gesteckt. An Austrias Westküste ragt ein Pontonsteg ins Wasser, wo gerade das Speedboat von Hussein al Yasiri festgemacht hat. An Bord: Interessenten, die das benachbarte Deutschland kaufen wollen – und hinter deren Schultern sich gut sichtbar die reale Wolkenkratzer-Skyline Dubais am Horizont aus dem Dunst schält.

Die Idee zur Erschaffung der Welt hatte der liebe Gott. Sechs Tage hat er dafür gebraucht, und am siebten wollte er ruhen. In Dubai war es Scheich Mohammed bin Rashid al Maktoum, der ungefähr dieselbe Idee hatte und sein bisher ambitioniertestes Projekt "The World" nannte. Die Höflichkeit gebot es, dafür von vornherein ein bisschen mehr Zeit zu veranschlagen als der liebe Gott gebraucht hat. Aber allzu lange sollte die Umsetzung dann doch nicht dauern, denn Scheich Mohammed ist für seine Ungeduld gefürchtet: Der Herrscher Dubais lässt derzeit die Kontinente vier Kilometer vor der Küste seines Emirates aus 300 künstlichen Inseln nachbilden – und will damit 2008 fertig sein.

Konzept vorlegen

Aus der Luft sieht diese neue Welt im Persischen Golf auf einer Fläche von neun Kilometer Länge und bis zu sieben Kilometer Breite schon jetzt aus wie die klassische Landkarte mit Amerika im Westen, Australien im Südosten, mit Europa, Asien und Afrika halbwegs in der Mitte – all das zerlegt in eine Vielzahl von Inseln, die in der Form ungefähr den einzelnen Ländern entsprechen und deren Namen tragen sollen.

"Wer kaufen will, muss ein Konzept für 'seine' Insel vorlegen", so al Yasiri vom staatlichen Baukonzern Nakheel, "das im Idealfall thematisch zum zugeordneten Land auf der realen Weltkarte passt" – und das den Segen der Scheichs findet.

Dabei steht den künftigen Besitzern frei, ob sie womöglich "nur" eine Privatvilla errichten und keine Fremden auf ihr Eiland lassen oder aber auf gewerblichen Nutzen mit Edel-Hotel, Restaurants, Yachthafen und Shopping-Center setzen möchten. Am Ende soll diese Mischung die neue Welt im Golf auch für normale(re) Menschen erlebbar machen – und sei es nur ein teures Abendessen lang oder bei etwas größerem Budget über ein paar Nächte hinweg im Luxushotel. The World soll selbst im an Superlativen nicht eben armen Emirat touristisch alles übertreffen, was bisher entstand. Damit kein Zwist vorprogrammiert ist, gibt es sicherheitshalber weder die Insel Palästina noch Israel.

Österreich, so viel steht fest, wird Hotelinsel. Der Immobilienmakler Josef Kleindienst, Ex-Polizist und Aufdecker der FPÖ-Spitzelaffäre, hat sich die derzeit noch sandige und auf ewig völlig gebirgslose Replik seines Herkunftslandes gekauft und die Araber mit dem Konzept eines besonderen Fünfsternehotels als Referenz an Kaiserin Sisi auf Anhieb überzeugt.

"350 Tage im Jahr Kaiserwetter"

Sogar die passende Website unter empress-sissi.com hat er bereits freischalten lassen, und die Landsleute via Internet zum Ideenwettbewerb bei der Gestaltung des künftigen Hotels auf der arabischen Insel Österreich aufgerufen – und bereits den Slogan "350 Tage im Jahr Kaiserwetter" erfunden.

Das Projekt zählt zu den wenigen Investments auf The World, die Generalunternehmer Nakheel offiziell und unter konkreter Namensnennung bestätigt. Ansonsten gibt man sich in der Konzernzentrale an der Al Sufouh Road noch verschlossener als beim vorangegangenen Mega-Bauprojekt The Palm Jumeirah.

"Unsere Klientel", so Nakheels The World-Sprecher, Adnan Dawood, "ist sehr sensibel. Sehr reiche Leute. Und die wenigsten davon gestatten uns, über das Geschäft zu reden und ihre Namen preiszugeben. Meistens sind Stillschweigevereinbarungen Vertragsbestandteil. Diese Leute wollen auf The World ihre Ruhe vor Paparazzi haben."

Ferien für afrikanische Kinder

Dass Dawood ausgerechnet das schönste Gerücht ausdrücklich "weder bestätigen noch dementieren" will, mag in dem Kontext so etwas wie ein nahezu klares Ja sein: Demnach hat Hollywood-Star Angelina Jolie die Insel Äthiopien erstanden, um dort ein Ferienheim für afrikanische Kinder zu errichten, denen es auf der neu erschaffenen Badeinsel im Persischen Golf ein paar Urlaubswochen lang weit besser gehen soll als in ihren realen Heimatländern – in die sie freilich nach der Verschickung ins derart außergewöhnliche orientalische Ferienlandheim wieder zurückfliegen müssen.

Knapp die Hälfte der Eilande sind bereits verkauft – zu Preisen zwischen 15 und 45 Millionen US-Dollar je nach Größe. Die Bau- und Begrünungskosten nach individuellen Plänen sind in diesen Summen so oder so nicht eingeschlossen. Die Insel Thailand zum Beispiel ging an eine Investorengruppe, die dort ein Fünfsterneresort mit Stelzenhäusern über dem Wasser errichten will, das auch in Phuket oder Ko Samui ein paar tausend Kilometer weiter östlich stehen könnte – Baubeginn 2008, angepeilte Eröffnung um das Jahr 2010 herum.

Schon jetzt jedenfalls ist diese Welt klar zu erkennen, wenn man mit der Yacht durch einen der fünf Durchbrüche im Riff-Ring in den streng abgeschirmten Innenbereich hineinschippert, den wenige Dutzend Meter langen Panama-Kanal durchpflügt, den einsamen Stuhl an der Küste Floridas im Sand stehen sieht, das Wachhäuschen auf Südafrika, den Schwimmbagger bei der Arbeit weit hinten am Horizont irgendwo in Höhe Japans, wie er tonnenweise Sand im hohen Bogen durch die Luft speit und die letzten sechs Prozent Neuland aus dem Persischen Golf wachsen lässt.

Verrückt, aber nicht dumm

Das Wasser ist überraschend klar, der Blick bis zum Meeresgrund in durchschnittlich acht bis 15 Metern Tiefe abseits der Schwimmbagger ungetrübt.

"Wir mögen ein bisschen verrückt sein, aber dumm sind wir nicht", meint Hussein al Yasiri vom staatlichen Baukonzern Nakheel und rückt die Designer-Sonnenbrille zurecht. Mit anderen Worten: Gewöhnt euch das Wundern ab. Wir machen ohnehin wahr, was wir ankündigen – ganz egal wie unmöglich es für eure Ohren klingen mag.

Holländische Experten mit ihren Spezialschiffen haben die Welt im Eilverfahren erschaffen, 320 Millionen Kubikmeter Sand und Muschelkalk an anderer Stelle vom Meeresgrund gesaugt und damit hier Land aufgespült. 34 Millio- nen Tonnen Felsen als Fundament sorgen für die nötige Stabilität – und bilden um The World herum das größte künstliche Riff der Erde. Dieser 27 Kilometer lange Ring ragt vier Meter hoch aus dem Wasser.

Im Laufe des kommenden Jahres sollen die ersten Eilande an ihre Eigner übergeben werden. Eine Insel mit Privatvilla hoch oben in Grönland am nördlichen Ende der künstlichen Mega-Landkarte ist bereits jetzt bezogen – um letzten Zweiflern zu beweisen, dass im (Über-)Morgenland rein gar nichts unmöglich ist. Und dass der liebe Gott so viel schneller dann auch nicht war. Schließlich musste er nur die Welt an sich erschaffen und nicht auch noch die Häuser der Bewohner schlüsselfertig bauen. (Helge Sobik/Der Standard/rondo/21/09/2007)