Wien/Brüssel - Statt einheitlicher EU-Richtlinien für das Nebeneinander von konventionellen und gentechnisch veränderten (GVO-)Pflanzen sollen nun Leitlinien erarbeitet werden, die den Mitgliedstaaten als Grundlage für eine kommende GVO-Gesetzgebung dienen. Dies erklärte ein Sprecher von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel am Wochenende.

Erarbeitet werden diese Erfahrungswerte für verschiedenste landwirtschaftliche Produkte von einem "Koexistenz-Büro", das zum Jahreswechsel die Arbeit aufnimmt und beim Institut für Zukunftsstudien in Sevilla angesiedelt wird, sagte der Sprecher.

Neues ab 2008

Die ersten Ergebnisse sollen 2008 vorliegen und in Kriterien für den sicheren Anbau münden. So sollen etwa Mindestabstände für verschiedene Pflanzen definiert werden. Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist laut EU-Experten, dass die Untersuchungen die Unmöglichkeit des sicheren Anbaus bestimmter genmanipulierter Pflanzenarten ergeben. Derzeit ist de facto nur eine einzige Maissorte (Mon810) in Europa zum kommerziellen Anbau zugelassen, für die in Österreich ein Importverbot gilt. Allerdings sind weitere gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zur Zulassung für den Anbau in der Pipeline, und zwar bei Mais, Raps und Kartoffeln.

Die Kommission hatte 2003 beschlossen - und dies mittlerweile mehrmals bekräftigt -, keine EU-Richtlinie für Koexistenz zu erarbeiten, weil die Situation der Landwirtschaft in den Mitgliedstaaten zu unterschiedlich ist. "Wir bleiben dabei, weil es für Finnland nicht die gleichen Regeln geben kann wie in Griechenland", sagte der Sprecher.

15 Mitgliedstaaten - darunter auch Österreich, wo die Bundesländer zuständig sind - haben laut dem Kommissionssprecher mittlerweile Koexistenzgesetze in Brüssel eingereicht.

In Oberösterreich, wo ein Urteil des europäischen Gerichtshofs das allgemeine Gentechnik-Verbotsgesetz für das Bundesland kürzlich endgültig als nicht EU-konform kippte, wird nun auf Verbote gesetzt, die sich auf einzelne Kulturarten beziehen, sagte Grünen-Agrarsprecher Wolfgang Pirklhuber, der auch Bauer in Oberösterreich ist, dem Standard. "In Oberösterreich wird an einigen Studien zu Raps und Mais gearbeitet, was das Vermehrungsverhalten, Auskreuzungspotenzial und Risiko der Vermischung mit GVO betrifft", so Pirklhuber. "Ich gehe davon aus, dass auf Basis der Erkenntnise spezifische Verbote ausgesprochen werden können."

GVO-Register

Der oberösterreichische Agrarlandesrat Josef Stockinger (VP) betont die Wichtigkeit regionaler Vorsorgemodelle nach dem EuGH-Urteil. Sollten etwa Bauern mit GVO-Saatgut arbeiten wollen, würde das Bundesland ein öffentliches Register installieren, mit dem in das Was und Wo Einsicht genommen werden könnte. "Die Bayern haben so etwas bereits."

In Frankreich hat die Diskussion über Genmais eine unerwartete Wende genommen: Die Regierung prüft einen vorläufigen Anbaustopp. Alle seien sich darüber einig, dass die gentechnisch veränderten Pflanzen sich unkontrolliert auf den Feldern verbreiten könnten, sagte Umweltminister Jean-Louis Borloo der französischen Tageszeitung Le Mond3. "Folglich werden wir kein Risiko eingehen." Der französische Bauernverband reagierte empört. (ruz, APA, AFP, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.9.2007)