Würden die Seiten sechs bis 15 des Regierungsprogrammes in Plassnik-Prozent gemessen, dann wäre das Ergebnis eindeutig: Der Inhalt des Kapitels „Österreich – Partner in Europa und der Welt“ entspricht nahezu 100 Plassnik-Prozent. Ein Beitrag der SPÖ in diesem Bereich scheint kaum nachweisbar. Selbst einzelne Formulierungen decken sich mit jenen, die schon die schwarz-blaue Vorgängerregierung verwendet hatte.

Die Sozialdemokratie schien in den ersten Jännertagen 2007 alles andere als Außenpolitik zu interessieren. Dabei hatte beinahe auf den Tag genau 20 Jahre zuvor Bruno Kreisky den Ehrenvorsitz der Partei zurückgelegt, weil er fuchsteufelswild war, dass Franz Vranitzky in der großen Koalition das Außenamt an die ÖVP abgegeben hatte.

In den vergangenen Monaten allerdings hat sich die innenpolitische Außenpolitik-Lagebeurteilung grundlegend gewandelt. Kanzler Alfred Gusenbauer, dessen erklärtes Vorbild Kreisky ist, mischte sich mehr und mehr in auswärtige Angelegenheiten ein. Beispiel Kosovo: Im Frühjahr sorgte ein Interview des Kanzlers mit einigen eigenwilligen Positionen für Aufsehen. Im August gerieten er und Außenministerin Ursula Plassnik aneinander, weil das Bundeskanzleramt der Ansicht ist, der Kosovo-Status könne nur im UN-Rahmen bestimmt werden. Das Außenamt dagegen geht wegen der Blockade des Sicherheitsrates durch die russische Vetodrohung von einer Lösung des Problems außerhalb der UNO aus.

Provokationen

Ein paar Tage später nannte Verteidigungsminister Norbert Darabos das geplante US-Raketenschild in Osteuropa eine „Provokation“. Plassnik musste sich mit verärgerten Amerikanern und enthusiastischen Russen herumschlagen – und machte im Interview mit dem STANDARD klar, dass „ich in außenpolitischen Themen die Linie vorgebe“.

Die Reaktionen aus dem Bundeskanzleramt auf diese Ansage waren wenig diplomatisch. „Das ist ja bizarr“, hieß es. Obwohl der Kanzler – im Gegensatz zu seiner deutschen Amtskollegin – keine Richtlinienkompetenz in einzelnen Politikfeldern hat, will sich der in der Sozialistischen Internationale großgewordene Gusenbauer seinen außenpolitischen Wirkungskreis nicht nehmen lassen.

Zuletzt waren er und Plassnik bei der UNO in New York aktiv. Eine Bühne wird Gusenbauer wieder bei anstehenden EU-Gipfeln bekommen. Dabei hat er einen Startvorteil vor der Außenministerin. Er sitzt am Tisch der EU-Mächtigen, kann mitreden und – wie zuletzt an Nicolas Sarkozy – auch Zigarren verschenken. (DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.9.2007)