Kassbach – ein Portrait (1979) war ein erster Höhepunkt in der Zusammenarbeit zwischen dem engagierten, linken Autor Helmut Zenker und dem Regisseur Peter Patzak auf dem Gebiet des Kinospielfilms (gefolgt von Den Tüchtigen gehört die Welt 1982 und Tiger – Frühling in Wien 1984). Davor hatten sie bereits gemeinsam ein Hörspiel Zenkers rund um den Wiener Polizeimajor Adolf Kottan für eine TV-Serie des ORF adaptiert, die schnell Kult werden sollte. Kottans subversives Potenzial wurde jedoch zunehmend in einer medienspezifischen Dynamik von schwarzem Humor, Slapstick und Selbst-Referenzialität neutralisiert. Mit Kassbach (der auf Zenkers Roman Kassbach oder das allgemeine Interesse an Meerschweinchen von 1974 beruhte) zeichneten Zenker und Patzak dagegen die genaue politische Analyse der faschistischen Persönlichkeitsstruktur ihres Anti-Helden.

 

Kassbach ist – sein Untertitel weist bereits darauf hin – als Porträt angelegt. Strukturell beruht es auf dem Konstrukt einer polizeilichen Untersuchung: Schon zu Beginn werden die Personalien des Gemüsehändlers Karl Kassbach sozusagen aufgenommen und erste Statements (wenn schon nicht Zeugenaussagen) von Leuten, die ihn kennen, eingeholt. Das schafft Abstand und spornt die Neugier des Publikums an. Dann erst rollen die Credits über ein pixeliges Schwarz-Weiß-Still, auf dem im Zoom Männer in Wehrmachtsuniform und von ihnen offenbar schikanierte, nackte (jüdische?) Frauen erkennbar werden, das schließlich vom eingefrorenen Bild des essenden Kassbach abgelöst wird. Hier etablieren sich mühelos zwei Leitmotive: die Oberfläche betont harmloser wienerischer Normalität, die jedoch alles andere als unschuldig ist („… Erbsen mit Speck: des kennt i essen bis zur Vergasung!“), und der Hang zu perverser, auf dem Missbrauch von Machtverhältnissen beruhender Sexualität.

Kassbach (Walther Kohut) ist ein Eingefleischter, der im Geheimen seine Pläne schmiedet und nur kommuniziert, um seiner Gewaltbereitschaft Ausdruck zu verleihen: sei es in Briefen von der Front an die Mutter, in aggressionsgeladenen Dialogen mit Kundinnen oder mit seinen Kameraden, mit denen er Linke und so genannte Gastarbeiter zusammenschlägt oder Meerschweinchen abknallt. Widerstand scheint ihm nur in der Figur seines Sohnes (Konrad Becker) entgegenzutreten, ihre Beziehung ist geprägt von Verzweiflung und Hass und spitzt sich verhängnisvoll zu.

Über Kassbach, einer der ersten österreichischen Filme, der das Tabuthema des Faschismus als Charakterdisposition offen zur Diskussion stellt und der 1979 für einen Goldenen Bären in Berlin nominiert war, sagte Patzak: „Ich habe Dinge verarbeitet, die man in Wien sehen und hören kann. Ich will die Leute auf Töne, Sätze, Reaktionen, Symbole aufmerksam machen, damit man sie endlich erkennen und nicht mehr bagatellisieren kann.“ (Sylvia Szely ist Filmhistorikerin, Hg. „Export Lexikon“ (Wien, 2007), lebt in Rotterdam)