Ein Programm mit fünf Filmen des großen österreichischen Avantgardisten Ferry Radax – ein Querschnitt durch seine unterschiedlichen Aktivitäten der späten Fünfziger- und der Sechzigerjahre. Als Zeitzeugnisse herausragend sind dabei zwei Literaturreportagen für den ORF, H. C. Artmann und Forum Dichter Graz, jeweils 42 Minuten lang und quasi „back-to-back“ im Sommer 1967 in Graz gedreht. Artmann, angemessen exzentrisch, verwandelt sich in verschiedene seiner literarischen Gestalten und macht sie lebendig – eine vergnügliche und sichtlich vergnügte Begegnung des Filmemachers mit seinem Spezi, dem „Dichterfürsten“, auf dem Zenit von dessen Schaffen. Unnachahmlich, wie Artmann seinen eigenen Blaubart aus „med ana schwoaazn tintn“ gibt. Forum Dichter Graz zeigt Klaus Hoffer, Alfred Kolleritsch, Gunther Falk, Wolfgang Bauer und Barbara Frischmuth – auch sie lesen nicht einfach aus ihren Werken, sondern spielen Szenen nach – eine äußerst lebendige und amüsante Art, Literatur zu präsentieren. Dazu gibt es einen Kurzauftritt des 25-jährigen Peter Handke und entspannte Gespräch zwischen Radax und den Schriftstellern bzw. zwischen diesen selbst.

 

Große Liebe (1966), gedreht im Tirolerhof des Tiergartens Schönbrunn, ist ein deutlicher Hinweis auf die große Kinoleidenschaft des Ferry Radax, ein 26-minütiges Konzentrat eines – siehe Titel – großen Liebesdramas zwischen dem jungen Maler Dominik und seiner Frau, die mit dem Auto tödlich verunglückt. Dominik folgt ihr in ein bizarres Reich der Untoten, wo ihn eine Figur mit einer Maske in Bann schlägt. Nur wenig später entstand ein weiterer experimenteller „Spielfilm“ von Radax, die exzentrische Science-Fiction-Film-Parodie – oder eigentlich – Hommage Testament, in der Österreich von einem Diktator mit Hitlerstimme und -duktus unterjocht wird, der das Land in einen Bürgerkrieg führt. Neun wilde Amazonen kämpfen für den Tyrannen, und es wird geschossen und gekämpft, was das Zeug hält. Kung-Fu-Einlagen und Schlägereien ergänzen die tumultartigen Szenen, und ein Fähnlein Aufrechter hält sich im Stephansdom verborgen, dem Nationalheiligtum, um zu retten, was scheinbar nicht mehr zu retten ist. Als ob das alles nicht genug wäre, ist das Geschehen unterlegt mit – jeweils passenden – Wienerliedern, die den ganzen Wahnsinn geradezu lakonisch kommentieren. Ein großer Spaß, und das ganz offensichtlich auch für alle Beteiligten.

Höhepunkt dieses (und jedes) Ferry-Radax-Programmes ist aber Sonne halt! (1959–1962), hier in seiner dritten und endgültigen 25-Minuten-Fassung, mit Texten von Konrad Bayer, der als Matrose und Dandy auch die „Hauptrolle“ spielt. Wie ein Juwel funkelt Radax’ spektakuläre Schwarz-Weiß-Bild- und Toncollage bis heute, trotz all der Schwierigkeiten, die das geringe Budget und die aufwendige Gestaltung seinerzeit mit sich brachten. (Andreas Ungerböck ist langjähriger Viennale-Mitarbeiter, Herausgeber des Filmmagazins „ray“)