ModeratorIn: Wir begrüßen herzlichst Helmut Graupner, Präsident und Rechtsanwalt des Rechtskomitees LAMBDA im Chat und bitten die UserInnen um ihre Fragen.

Helmut Graupner: Ich begrüße alle recht herzlich und freue mich auf eine interessane Diskussion.

Heidelbeere: Josef Pröll hat im letzten Chat gesagt, dass er „mit vielen Verbänden und Homosexuellen Diskussionen geführt und daraus auch seine Schlüsse gezogen habe. Hat er mit Ihnen auch gesprochen? Wenn ja, wie war das?

Helmut Graupner: Minister Pröll hat uns im Frühjahr empfangen und wir waren seither in Kontakt und in der Perspektivengruppe war ich eingeladen einen Vortrag zu halten. Ich habe den Eintruck, dass der Minister unseren Anliegen sehr aufgeschlossen gegenüber steht.

ModeratorIn: UserInnenfrage per Mail: Ist die ÖVP in den letzten Wochen wirklich so einen großen Schritt gegangen, oder wollen sie sich nur einen aufgeschlosseneren Anschein geben?

Helmut Graupner: Das wird man in den nächsten Wochen und Monaten sehen.

Rafaela: Was sagen Sie zum ÖVP-Vorschlag der eingetragenen Partnerschaft?

Helmut Graupner: Dazu kann man noch nicht viel sagen, weil man noch nciht weiß wie der Vorschlag konkret aussehen wird. Derzeit gibt es unterschiedliche Signale, einerseits das Ergebnis der Perspektivengruppe und andererseits die Aussagen vom Klubobmann Schüssel.

ModeratorIn: UserInnenfrage per Mail: Wird das von der ÖVP ein "Umfaller"?

Helmut Graupner: Ich hoffe nicht. Ich hoffe das sich in der ÖVP die Linie Pröll und das Ergebnis der Perspektivengruppe durchsetzten wird.

asora1: Welche ihrer Vorschläge hat Minister Pröll nicht berücksichtigt?

Helmut Graupner: Das Adoptionsrecht und zwar leider auch nicht die Stiefkinderadoption. Also die Adoption von Kindern die ohnehin bereits in Regenbogenfamilien leben.

ModeratorIn: Dazu fragt eine Userin per Mail: Wie viele Kinder wachsen eigentlich auch jetzt schon in homosexuellen Partnerschaften auf?

Helmut Graupner: Untersuchungen gibt es in Österreich dazu keine. Wenn man die Zahlen aus Deutschland auf Österreich umlegt, sind es mind. um die zehntausend.

mans zelmerlöw: Guten Tag Herr Graupner, denken Sie nicht, dass die jetztige "Lösung" (sollte sie kommen) viel zu kurz greift? Während in etlichen anderen Ländern bereits die vollständige Gleichstellung erreicht wurde, werden in Österreich die Homosexuellen mit die

Helmut Graupner: Ja grundsätzlich ist unser Ziel nicht eine Sonderregelung. Wir sind keine Sonderlinge und es gibt etwa auch kein Steuerrecht für Menschen mit weißer Hautfarbe und ein anderes für Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Wieso sollte es dann für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare 2 getrennte Partnerschaftsreche geben? D.h. wir streben nicht getrenntes Recht an sondern ein Recht für alle, also die Aufhebung des Eheverbots. Als Zwischenlösung können wir als Realisten eine eingetragenen Partnerschaft akzeptieren. Diese müsste aber genau aus den von Ihnen angesprochenen Gründen die gleiche Rechte und Pflichten mitsich bringen wie die Ehe.

ModeratorIn: Eine Userfrage kam gerade ebenfalls per Mail: Wie ist das eigentlich in andern Ländern mit eingetragenen Partnerschaften bzw. Ehe etc? Hängt das auch davon ab, wie katholisch ein Land ist?

Helmut Graupner: Interessanterweise haben gerade die katholischeren Länder kein Sonderrecht neben der Ehe geschaffen sondern die Ehe dadurch gestärkt dass sie sie auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben (Belgien, Spanien).

ModeratorIn: UserInnenfrage per Mail: Ist es den Homosexuellen eigentlich wichtig, dass sie auch von der Kirche akzeptiert werden?

Helmut Graupner: Gläubigen Homosexuellen ist es sicherlich wichtig, von ihrer jeweiligen Glaubensgemeinschaft akzeptiert zu werden.

ats: wenn man mit einem sogenannten drittstaatsbürger eine eingetragene partnerschaft eingehen möchte - glauben sie wird es eine möglichkeit geben, damit der partner dann in österreich leben und arbeiten darf? wie wird das in anderen eu-ländern üblicherw

Helmut Graupner: Die Notwendigkeit eines Nachweises des Bestehens einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsland ist bereits geltendes Recht für (Hetero- und Homosexuelle) Paare. Ich gehe davon aus, dass mit der kommenden eingetragenen Partnerschaft solche eingetragenene Partner auch im Fremdenrecht mit Ehepaaren vollkommen gleichgestellt werden, wie das in den meisten anderen EU-Ländern auach der Fall ist.

ModeratorIn: Per Mail kam grade rein: Vielleicht eine blöde Frage: Aber was sind konkret die Nachteile einer eingetragenen Partnerschaft gegenüber einer "richtigen" Ehe (außer eben Adoptionen etc.)?

Helmut Graupner: Eine eingetragene Partnerschaft kann beispielsweise gleiche Rechte und Pflichten nur auf Bundesebene bringen nicht aber auf Landesebene (z.B. Landes- und Gemeindebedienstete, Wohnbauförderung, Grundverkehr).

asora1: @ Adoption: Warum sträubt sich die ÖVP hier so sehr?

Helmut Graupner: Weil die betreffenden Personen in der ÖVP jahrhunderte alten Vorurteilen noch immer anhängen, wie etwa dass gleichgeschlechtlich liebende Menschen für Kinder gefährlich seien.

Thabo Mbeki: Ich habe den Eindruck, dass die ÖVP im "Notfall" nur schneller sein will als die Gerichte und einfach einmal präventiv ein Papierl vorlegt und abwartet. Sind demnächst richtungsweisende OGH, VfGH oder EuGH Urteile in Zusammenhang mit der Anerkennung

Helmut Graupner: Es sind eine Reihe von Fällen vor den Höchstgerichten anhängig. Ein Fall vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof betrifft beispielsweise die Stiefkinderadoption.

asora1: Hätten Sie sich von den Vorschlägen der Perspektivengruppe mehr erwartet oder war das eh schon vorhersehbar?

Helmut Graupner: Innerhalb der Perspektivengruppe ging die Diskussion zeitweise sogar in Richtung Öffnung der Zivilehe (ohne Adoption). Minister Pröll hat sich dann leider nur für die zweitbeste Variante entschieden. Aber auch das ist für die ÖVP ein Quantensprung und es ist nicht aller Tage Abend.

mans zelmerlöw: Herr Pröll und seine Freunde von der ÖVP benützen immer das Sätzchen "Wer für sich eine alternative Lebensgemeinschaft GEWÄHLT hat ,....". Warum glaubt die ÖVP nach wie vor, dass Homosexualität eine "Question of choice" ist?

Helmut Graupner: Weil solche Leute grundsätzlich davon ausgehen, dass Heterosexualität die Norm ist und alles andere eine Abweichung davon und die wissenschaftliche Erkentnisse ignorieren, dass beides Spielarten der einen Sexualität des Menschen sind, zwischen denen auch fließende Übergänge bestehen.

Annouk Valenti: Was ist eigentlich mit der SPÖ, wieso können sich die in diesen Themen überhaupt nicht durchsetzen?

Helmut Graupner: Als die SPÖ noch die parlamentarische Mehrheit dafür gehabt hätte, war sie noch nicht soweit. Als sie soweit war hat sie die parlamentarische Mehrheit dafür nicht mehr.

asora1: Wären bei einer SPÖ-Alleinregierung schon mehr Rechte für gleichgeschlechtliche Paare umgesetzt?

Helmut Graupner: Geht man von der Beschlusslage in der SPÖ aus, so ist es zu vermuten.

asora1: Sind Sie nicht manchmal total grantig auf die Politik und deren Lahmarschigkeit?

Helmut Graupner: Allerdings.

Frau Glas: Viele ÖsterreicherInnen haben ein Bild von Homosexuellen, wie es von so voyueristischen und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen wie der "Life Ball" oder die "Gay Parade" erzeugt wird (ein peinliches und unrichtiges Bild, wie ich aus meinem Beka

Helmut Graupner: Wenn das ein Grund wäre Homosexuellen Paaren oder Menschen ein Adoptionsrecht zu verwehren, so müsste es auch heterosexuellen etwa aufgrund von traditionellen Perchtenläufen, Oktoberfestexzessen und ähnlichen verweigert werden. Homosexuelle Menschen leben in ihrem Alltag genauso wenig so wie sie bei Paraden oder dem Lifeball auftreten, wie auch heterosexuelle Menschen, die an Pechtenläufen oder am Oktoberfest teilnehmen, ihren Alltag so leben wie sie dort auftreten.

ModeratorIn: User hat per Mail angefragt: Man hat irgendwie den Eindruck, dass nur homosex. Männer sich für ihre Rechte öffentlich einsetzen bzw. irgendwie öffentlicher damit umgehen. Stimmt das? Woher kommt denn mein Eindruck, wenn es nicht stimmt?

Helmut Graupner: In der Bewebung sind mehr Männer als Frauen aktiv. Das ist aber ein generelles Problem der Politik, auch im gesellschaftspolitischen Bereich. Viele lesbische Frauen engagieren sich auch in der Frauenbewegung, weil sie doppelt diskriminiert werden: als Lesben und als Frauen.

asora1: Was wollen Sie konkret unternehmen um mehr Rechte für die homosexuellen Paare durchzusetzen?

Helmut Graupner: So weiter arbeiten wie die vergangenen 20 Jahre. Überzeugungsarbeit bei PolitikerInnen und in der Öffentlichkeit und vorallem auch durch gerichtliche Präzedenzfälle.

ModeratorIn: An dieser Stelle wäre vielleicht interessant zu wissen, wie sich dieser "Kampf" in den letzten 20 Jahren verändert oder gewandelt hat?

Helmut Graupner: Der "Kampf" hat sich in den letzten 20 bzw. 30 Jahren seit Beginn der Homosexuellen Bewegung in Österreich sicherlich professionalisiert. Die Bewebung ist quasi erwachsen geworden. Und im Unterschied zu früher werden wir heute ernst genommen und reden die PolitikerInnen auch mit uns. Bestes Beispiel ist, dass die ÖVP in der Perspektivengruppe das erste Mal in ihrer Geschichte nicht mehr über sonden auch mit Homosexuellen gesprochen und diskutiert hat.

Hans-Peter Weingand: Am 24. Oktober tagt ja wieder die Familienrechtsreform-Arbeitsgruppe im Familienministerium. Wird man da die anwesenden VertreterInnen aus der Lesben- und Schwulenbewegung zum zweiten Mal befragen: "Was hättets denn gerne?" oder rechen Sie damit, da

Helmut Graupner: Wir haben der Berger/Kdolsky-Arbeitsgruppe bereits im Sommer einen ausformulierten Gesetzesvorschlag vorgelegt. Justizministerin Berger hat kürzlich angekündigt, in der Sitzung am 24. Oktober einen eigenen Gesetztesvorschlag einzubringen. Geschieht das, so werden wir dort sicherlich darüber diskutieren und wenn der Vorschlag in derArbeitsgruppe Anklang findet, könnte die Sache dann recht rasch gehen. Das liegt dann am Justizministerium und an den Regierungsparteien. Vorallem aber hängt die gesamte Sache vom Ausgang des derzeitigen disbezüglichen Machtkampfs innerhalb der ÖVP ab.

Ingrid Kornberger: Nun hatten wir auf landesebene (Bsp. Drexler in der Steiermark) und auch auf bundesebene in den vergangenen Jahren schon öfter Vorschläge. Mir scheint dieses ÖVP-Papier ist nun wieder ein Vorschlag, dann wird darüber diskutiert und dann versinkt es

Helmut Graupner: Der Unterschied zu bisherigen Vorstößen ist, dass der jetzige Vorschlag das Ergebnis eines breiten und offiziellen Reformprozesses in der ÖVP ist und der Parteiobmann bereits erklärt hat, dass dieser Vorschlag auch umgesetzt wird. Problematisch sind jedoch die Verwässerungsversuche von Klubobmann Schüssel. Dadurch dass die ÖVP diese Frage nicht wie üblich auf Regierungsebene verhandeln sondern im Parlament einen eigenen Gesetzesantrag einbringen will, hat er dazu leider einige Möglichkeiten.

Angelika70: Eine dringende Frage an sie als Rechtsanwalt: Bei einem befreundeten Ehepaar (2 Kinder) lässt sich der Mann nun zur Frau umoperieren. Dürfen die beiden nach der OP verheiratet bleiben???? Was geschieht mit den Kindern??? Bleiben beide verheiratete E

Helmut Graupner: Die beiden bleiben verheiratet und selbstverständlich auch rechtlich weiterhin Elternteile ihrer Kinder. Genau das haben wir im Vorjahr vor dem Verfassungsgerichtshof erkämpft.

ModeratorIn: UserInnenfrage per Mail: Andreas Kohl hat mal gesagt: "Die Ehe ist die Ehe ist die Ehe". Klingt irgendwie nach Rumpelstielzchen, das nicht wahrnehmen möchte, dass sich die Dinge ändern, oder?

Helmut Graupner: Dass die Ehe die Ehe ist ist eine Binsenweisheit. Aber warum soll die staatliche Zivilehe, die nichts anderes ist als eine beim Standesamt eingetragene Partnerschaft ist und die in keiner Weise die Fähigkeit zur Kinderzeugung voraussetzt, nicht auch zwischen zwei Männern oder zwei Frauen geschlossen werden können, wie dies in einer Reihe von Ländern bereits möglich ist. Auch in Österreich haben wir ja bereits gültige gleichgeschlechtliche Ehen. Nämlich dann wenn einer der beiden Ehepartner während der Ehe das Geschlecht ändert und auch dann, wenn beide Ehepartner Staatsbürger eines Landes sind, dass die gleichgeschlechtliche Ehe zulässt.

7a27d331-4269-40fd-8c93-fb923d5a9875: Besteht die Möglichkeit, über die Institutionen der Euorpäischen Union ein Adoptionsrecht durchzusetzen?

Helmut Graupner: Die EU hat im Familienrecht keine Kompetenzen. Das ist Sache der Mitgliedstaaten. Wir versuchen derzeit, die Stiefkinderadoption im Rahmen des Europarates durch Beschwerden an den europäischen Menschenrechtsgerichtshof zu ermöglichen.

mans zelmerlöw: Ihr Tipp: In welchem Jahr hat Österreich die vollständige Gleichstellung?

Helmut Graupner: Dazu bräuchte ich eine Kristallkugel. Vielleicht nur so viel: von der Aufhebung der Todesstrafe für Homosexualität bis zur Aufhebung des Totalverbots dauerte es 184 Jahre. Von der Aufhebung des Totalverbots bis zur Beseitigung des letzten Antihomosexuellen Sonderstrafgesetztes 31 Jahre. Von der Beendigung der strafrechtlichen Diskriminierung bis zur Schaffung eines Schutzes von Homosexuellen gegen Diskriminierung nur mehr 2 Jahre. Sollte nächstes Jahr tatsächlich die eingetragene Partnerschaft eingeführt werden, dann hat es hiefür auch nur weiter 4 Jahre gebraucht. Wir dürfen also durchaus berechtigt hoffen, dass wir die vollständige Gleichstellung noch erleben werden.

ModeratorIn: Leider ist die Zeit schon wieder um und wie immer konnten wir aus Zeitmangel nicht alle Fragen behandeln. Herzlichen Dank aber fürs Mitchatten an unsere UserInnen und an Helmut Graupner fürs Kommen. Ein interessanter Chat.

Helmut Graupner: Ich bedanke mich für die interessante Diskussion und wenn wir alle gemeinsam in unserem jeweiligen Umfeld daran arbeiten, dann werden wir die vollständige Gleichberechtigung noch vor unserem Pensionsalter erleben.