Marlene Streeruwitz diskutiert weibliche Selbst- und Fremdbilder und erforscht das Verhalten auf dem gesellschaftlichen Parkett. (Zeichnung: Ander Pecher)
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Wien/Paris/Los Angeles - Mausi wohnt immer noch in der lugnersch ehelichen Villa. Mörtel sucht nach Zärtlichkeit und bucht Schwarzhaarige, Blonde und Großbusige für seine ATV-Auftritte. Bis zur Festigung einer dieser Buchungen in Form einer Beziehung tritt er mit Tochter Jaqui auf. Fiona kann nur ein Monat nach der Geburt ihrer Tochter schon wieder das grünsamtene Dirndl aus vorschwangeren Tagen anziehen und auf der Wies'n mit Karl-Heinz schmusen.

Paris will ein hübsches Kind und sucht deshalb nach einem Mann mit guten Genen. Pamela will heiraten und hat den Papierkrieg begonnen. Der Auserwählte wiederum hat schon mit Paris den Dilettantenporno "A night in Paris" gedreht und musste dafür nicht nach Paris reisen.

Victoria Beckham will nach der Kinderpause wieder in ihren Beruf zurück und auf die Bühne. Hans Krankl wurde Opa und freut sich, dass er eine Enkeltochter hat. Die kann er mit schönen Sachen verwöhnen. Viktoria, die neue Frau von Heiner Lauterbach hat sich beim Gala-Abend des deutschen Fernsehpreises der vorherigen Frau von Heiner Lauterbach Jenny vorgestellt. Jenny wiederum bestätigt die Wahrheit des Seufzers von Melanie Scheriau, dass man für Berühmtheit Aufmerksamkeit um jeden Preis erregen muss. Jenny Elvers musste schließlich behaupten, mit all diesen Männern im Bett gewesen zu sein, um zuerst als Luder Karriere gemacht haben zu können, bis sie dann mit genügend Aufmerksamkeit im Rücken ein ruhigeres Leben mit einem festen Partner beginnen konnte. Schlecht verdient, müssen wir das nennen. Aber. So ist das Leben. Und das Leben ist eine einzige große Kinderparty. Und es geht um die eine große Frage. Wer mit wem. Oder genauer. Wer mit welcher. Da wird nichts anderes berichtet, als zu Zeiten Puschkins auf der Tanzkarte einer Dame notiert wurde. Wer mit welcher. Heute muss da weitergegangen werden, um eine solche Notiz auszulösen. Mittlerweile muss da ein Baby nachweisen, wer mit welcher. Während die persönlichen Ordnungen zusammenbrechen und unter dem Druck der globalisierten Auflösung des Mittelstands eine "Entschicksalung" erzwungen wird.

Die mobile, joborientierte und an alle Arbeitsanforderungen anpassbare Person hat ja kein Schicksal mehr. Und wenn doch. Weil es Wünsche gibt. Zum Beispiel ein Baby. Eine Beziehung. Irgendein Glück halt. Dann wird es schwierig, und da kann man dann leider nichts machen. Prekär ist das Wort, dass dann ins Spiel kommt. Am Ende von Kulturen müssen die Mythen die Kultur ersetzen. Der Mythos von der Person mit einem persönlichen Leben. Die Gesellschaftsberichterstattung leistet das. Die Erinnerung daran, dass Personen ihr Leben gestalten und bestimmen. Diese Erinnerung wird mit den Tanzkartenlisten behauptet.

Wir sitzen heute am Rand der Tanzfläche und werden mit Gerüchten abgespeist. Wie die Ausgeschlossenen immer mit Vermutungen über die abgespeist wurden, die sich auf der Tanzfläche bewegen. Wer mit welcher. Die Nostalgie der Angelegenheit erfüllend sind die Frauen die Landschaft des Mythos. Weil das schon immer so war. Wichtig ist es nicht mehr. Die Auflösung betrifft alle Geschlechter. Darin ist die Gleichunberechtigung gelungen. - Eine spannende Frage bleibt noch. Trägt Frau Grasser wirklich ein altes Dirndl auf. Wir wollen unsere Promis doch immer fesch und teuer zu sehen bekommen und nicht über Sparmaßnahmen lesen. Das gehört sich da wirklich nicht. (DER STANDARD, Print, 6./7.10.2007)