Carlos Katastrofsky, entropy: New York (2004), aus der Werkserie entropy.

Foto: Carlos Katastrofsky

Ausstellungsansicht stimulus/response, Projektraum Sonnensegel, Pressgasse 28, 1040 Wien

Foto: Michael Kargl

I am filenumber 1100
I am a unique piece of art
I was just created and will be gone in a few seconds


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In kurzen Abständen erscheinen diese Sätze auf dem Bildschirm eines vergilbten Computers und verschwinden genauso schnell wie sie von einer Software erzeugt wurden. Weiße Standardtypografie auf schwarzem Hintergund, Satz für Satz, Sekunde für Sekunde, bei jedem Neubeginn ein neues Kunstwerk. Oder etwa doch nicht?

 

Mit der Arbeit objects of desire fragt der unter dem Pseudonym carlos katastrofsky arbeitende Medienkünstler Michael Kargl im Projektraum Sonnensegel nach den Bestimmungsparametern für digitale Kunst: Muss man Kunst erst angreifen und besitzen können, um sie als solche zu definieren? Oder genügt eine fortlaufende Nummer, um von einem Original zu sprechen: 1101, 1102, 1103? Das unscheinbare aber konzeptuell starke Kunstwerk objects of desire ist eine Galerie-Adaption der ursprünglich rein Internet-basierten Arbeit the original und gleichzeitig zentral positionierter Ausgangspunkt für eine Ausstellung, in der sich der Betrachter am fein geschnittenen Grat zwischen Konzept- und Computerkunst bewegt.

In der fünfteiligen Werkserie entropy etwa verarbeitet der Künstler Bilder von Überwachungskameras aus New York, Mexiko City, Moskau, London und Tokyo. Mit der Titelwahl legt er sowohl informationstheoretische als auch physikalische Parameter an und fasst die jeweiligen Orte ausschließlich durch das Prinzip der Bewegung. Alles Unbewegliche existiert nicht, Häuser entstehen erst durch den Schatten vorbeiziehender Wolken, Straßen durch fahrende Autos und ein Zebrastreifen durch die Fußgänger, die ihn benutzen. Auf diese Weise generieren sich fünf zu Einzelbildern komprimierte Arbeiten, die sowohl in gesellschaftspolitischen Fragen nach kollektiver Transparenz im Internet als auch in kunsttheoretischen Fragen nach prozessorientierten Phänomenen münden.

Die kontemplative Wirkung der Bilder von entropy setzt sich in der Arbeit remote impressionist art fort, bei der ebenfalls Webkameras als Ausgangsmedium dienen. In vier auf einem Bildschirm in unterschiedlichen Blau- und Grautönen erscheinenden Quadraten sieht der Betrachter den Himmel über nicht näher bestimmten Orten auf dieser Welt. Die Licht- und Farbqualität der wie die Pixel eines zu stark vergrößerten Fotos wirkenden Bilder wechselt alle 10 Sekunden. Auf diese Weise wird zum einen der Veränderlichkeit der untersuchten Materie Licht Rechnung getragen, zum anderen wird den Prinzipien des Impressionismus Reverenz erwiesen und Internet-Kunst allgemein in einen kunsthistorischen Diskurs gebettet.

Mit insgesamt zwölf Positionen, die von der generativen Videoinstallation welcometothejungle über das Netzwerkprojekt project MetaMap bis zur reinen Textarbeit landscapes reichen, deckt Michael Kargl ein breites Spektrum von Computer-basierter Kunst ab. Die Fragen nach den Produktionsbedingungen Neuer Medien Kunst, die in der Ausstellung stimulus/response aufgeworfen werden, sind zwar keineswegs neu, verdichten sich jedoch im poetischen Schlusssatz der Arbeit objects of desire:

You own me now until you forget about me

(red, derStandard.at/09.10.2007)