Ein bisschen etwas geht immer: Opportunistisch ist die Haltung der SPÖ, die beim Asyl- und Bleiberecht grundsätzlich hart bleibt, aber im speziellen Fall der Familie Zogaj ein „humanitäres Visum“ ausstellen lassen will. Und morgen ist es dann die Familie Zekaj aus Wieselburg, deren 16-jähriger Sohn Denis wie Arigona nun auch medientauglich damit droht, auf keinen Fall in den Kosovo zurückzugehen. Oder jener Afrikaner aus Nigeria, der sich am Montag mitten auf dem Stadtplatz in Steyr selbst verletzt hat, mit einer Botschaft in der Hand, er werde lieber sterben, als nach Afrika zurückzugehen.

Die ÖVP wird auch ihre bisherige Linie im Einzelfall nicht durchhalten können; schon alleine deshalb nicht, weil die Boulevardzeitungen in seltener Einmütigkeit Stimmung für jene Flüchtlingsfamilien machen, die dem Fremdenrecht in Österreich ein Gesicht geben.

Warum sollen Kinder, die jahrelang in Österreich gelebt haben, hier zur Schule gegangen sind, plötzlich entwurzelt werden? Warum werden Menschen, die sich in Österreich ans Gesetz gehalten und hier auch Steuern gezahlt haben, von einem Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt?

Es ist schlicht unmenschlich, wenn Asylverfahren jahrelang dauern. Mehr als 3000 warten schon länger als fünf Jahre auf eine Entscheidung. An der langen Bearbeitungsdauer wird auch ein Asylgerichtshof nichts ändern, der erst ab Mitte 2008 arbeiten soll. Warum erst nach Installierung des Asylgerichtshofs eine generelle Evaluierung des Asyl- und Fremdenrechts erfolgen soll, ist nicht nachvollziehbar.

Familien, die integriert sind, die Sprache gelernt haben und in Österreich Steuern zahlen, sollen auch ein Recht bekommen, hier zu bleiben. Das geht nur, indem man einen Strich zieht, ein Bleiberecht ausspricht und damit auch Rechtssicherheit schafft. Denn die anvisierte Einzelfallprüfung hat etwas von einem Gnadenakt, der gewährt wird oder auch nicht. Außerdem wird damit keine Rechtssicherheit geschaffen.

Solche Legalisierungsmaßnahmen haben andere europäische Länder bereits praktiziert, denn der Umgang mit Flüchtlingen, Asylwerbern und illegal Eingereisten ist kein spezifisch österreichisches Problem. Immer wieder haben Staaten Einwanderer nach längerer Aufenthaltsdauer einen legalen Status ermöglicht. Vor allem die Mittelmeer-Anrainerstaaten Italien, Griechenland, Frankreich und Spanien haben in den vergangenen Jahren diesen Weg bestritten.

In Italien gab es seit 1982 mehrere „Generalamnestien“ für die bisher Illegalen, zuletzt 2002. Griechenland hat 1998 und drei Jahre später vor allem zehntausende Albaner, die als Landarbeiter gekommen waren, offiziell aufgenommen. Die „sans papiers“ sorgten in Frankreich 1996 erstmals für Schlagzeilen. Seither gibt es immer wieder Amnestien. Die letzte große Eingliederungsaktion startete Spanien 2005. Rund 700.000 illegal im Land lebende Ausländer bekamen eine Niederlassungsbewilligung. Im US-Senat ist im Juni dagegen die geplante Einwanderungsreform gescheitert.

Auch Österreich sollte sich eingestehen, dass es ein Einwanderungsland ist und Menschen hierher zum Arbeiten und zum Leben kommen. Wer sich integriert hat und integriert ist, soll hier leben dürfen, egal, aus welchen Gründen sie oder er gekommen ist. Österreich kann sich eine Amnestie für die rund 3000 Betroffenen, die in Familien hier leben und von Abschiebung bedroht sind, leisten. Damit wird kein System ausgehebelt, diese Anzahl bringt weder den Rechtsstaat noch den Innenminister ins Wanken.

Österreich setzt sich für eine Aufnahme der Westbalkan-Staaten in die EU ein. Der Kosovo, von wo viele der jetzt von Abschiebung Betroffenen kommen, gehört dazu. Es wäre schon ein Witz der Geschichte, wenn die nun Abgeschobenen in einigen Jahren als EU-Bürger nach Österreich zurückkehren könnten. Es geht nicht nur um Menschlichkeit, sondern auch um Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2007)