Der Sozialdemokrat Jean Asselborn (58) war lange Zeit führender luxemburgischer Parlamentarier. Seit 2004 ist er Außenminister.

Foto: Matthias Cremer
Luxemburgs Jean Asselborn bedauert im Gespräch mit Christoph Prantner die Ausnahmen bei der Grundrechtecharta.

***

STANDARD: Luxemburg ist sehr integrationsfreundlich, jetzt wird aus der Verfassung ein abgespeckter Reformvertrag. Zufrieden?

Asselborn: Ich hätte mir mehr gewünscht. Es ist nicht nur am Text gescheitert, sondern auch an der Psychologie. Aber: Es gibt ja keine 100 Kilometer Distanz zwischen dem Verfassungstext und dem Text, der jetzt vorliegt.

STANDARD: Großbritannien und Polen haben Opt-outs bei der Grundrechtecharta. Ist das in einer Wertegemeinschaft wie der EU zulässig?

Asselborn: 25 haben "Ja" zu dieser Charta gesagt. Die Frage war: Können wir diese rechtsverbindlich machen oder haben wir gar nichts? Großbritannien hat das Common Law und will derzeit nichts anderes. Aber es dauert vielleicht noch eine Generation, und die Briten geben das auch auf. Was mich aber wirklich wundert, ist dass Polen ein Opt-out wünscht.

Das Land hatte über Jahrzehnte keine Freiheit. Und jetzt kommt es dort zu einer Blockade, nur weil es Befürchtungen wegen der Gleichberechtigung Homosexueller gibt. Aber auch die Polen werden über kurz oder lang die Charta voll übernehmen.

STANDARD: Also kein Grund darüber nachzudenken, ob Warschau nicht außerhalb der Union besser aufgehoben wäre als innerhalb?

Asselborn: Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir sagen müssen: Gehen wir zu fünfundzwanzigst weiter, oder blockiert man wieder das Ganze wegen zweier Länder. Ich glaube, wir haben die einzig richtige Entscheidung getroffen.

STANDARD: Erwarten Sie für den Gipfel noch Überraschungen aus London oder Warschau?

Asselborn: Überraschungen werden wir keine mehr sehen. Die Briten haben jetzt doch keine Wahlen und wollen ratifizieren. Zu den Polen: Es ist schwer, sie immer zu verstehen und schade, dass wir jetzt eine solche Verkrampfung haben durch die Position zur Todesstrafe. Solche Einzelmeinungen können der EU schaden. Stellen sie sich vor, in zehn Jahren kommt die Türkei und will mit Verweis auf Polen alle möglichen Ausnahmen.

STANDARD: Kann es eine Kosovo-Lösung außerhalb des UN-Rahmens geben?

Asselborn: In der Kosovo-Frage geht es ums Eingemachte. Wir dürfen uns die Lösung nicht von Russland oder den USA aufzwingen lassen. Die nächsten Außenministerräte haben die Aufgabe eine koordinierte Position zu finden. Aus meiner Sicht gibt es nur eine Lösung, wenn wir alle zusammen versuchen, irgendwie einen Link zur UNO zu halten. Ich bin überzeugt, dass weder die Russen noch die Serben bis zum Schluss ihr Njet durchhalten. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2007)