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Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski (rechts) bot beim TV-Duell gegen Herausforderer Donald Tusk laut Umfrage kein gutes Bild.

Foto: REUTERS/Peter Andrews
Polens größte Oppositionspartei, die rechtsliberale Bürgerplattform (PO), scheint ihr Tief überwunden zu haben. In Umfragen, die am Montag veröffentlicht wurden, lag die PO erstmals seit Wochen wieder vor der regierenden rechtsnationalen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Premier Jaroslaw Kaczynski. In einer Erhebung für die Zeitung Dziennik kam PO sogar auf 46 Prozent, was eine absolute Parlamentsmehrheit von 236 der 460 Sitze bedeuten würde. Auf PiS entfielen 32 Prozent. Eine Umfrage für die Gazeta Wyborcza gibt der PO allerdings mit 38 Prozent nur einen Prozentpunkt Vorsprung auf PiS.

Den Umschwung könnte das TV-Duell zwischen PO-Chef Donald Tusk und Jaroslaw Kaczynski am Freitagabend gebracht haben. Strahlend vor Glück und Erleichterung und bejubelt von Zuschauern im Studio stand der 50-Jährige neben Kaczynski, der seine Niederlage noch gar nicht recht fassen konnte. Der gebürtige Danziger Tusk wirkte im Wahlkampf bisher seltsam blass, brav und entscheidungsschwach. Nicht nur die Gegner machten sich über den „netten Jungen von nebenan“ lustig, dem man zwar einen Gebrauchtwagen abkaufen, aber nicht die Regierung eines Landes anvertrauen würde. Auch in der eigenen Partei rumorte es. „Tusk muss mehr Biss zeigen“, murrten die einen, während die andern gar zum Wechsel an der Spitze aufforderten: „Mit so einem Weichei gewinnen wir die Wahlen nie!“

Der Ausgang des Fernsehduells hat die Zweifler in den eigenen Reihen zum Verstummen gebracht. „Die Hoffnung ist zurück“, sagte eine der PO-Anhängerinnen im Fernsehstudio. Als Sieger im Rededuell konnte Tusk bei 67 Prozent der Befragten punkten, während sein Kontrahent Kaczynski nur 33 Prozent Zustimmung erzielte, wie das Institut GfK Polonia ermittelte. Im Internetportal onet.pl fiel das Votum noch deutlicher aus: Dort stimmten von rund 53.000 Teilnehmern 77 Prozent für Tusk und nur zwölf für Kaczynski.

Nur eine halbe Stunde nach dem Duell gab Kaczynski eine Pressekonferenz, die von den Fernsehsendern life übertragen wurde. Schuld an seiner Niederlage sei nicht er, sondern Tusk und dessen Anhänger, die Journalisten und die Nichteinhaltung des vorher genau festgelegten Reglements. In Wirklichkeit habe er gewonnen. „Ich fühle mich als Sieger!“

Tusk war bestens vorbereitet in das einstündige Duell gegangen, war witzig, erstaunlich angriffslustig, hatte Zahlen parat, konterte gut, und stellte präzise Fragen. Kaczynski hingegen wirkte nervös und unkonzentriert, verhedderte sich in Kampf-Phrasen – gegen die angeblich allgegenwärtige Korruption in Polen, gegen Altkommunisten und Wirtschaftsliberale, konnte aber nicht einmal auf die einfache Frage, ob er Polen liebe, eine überzeugende Antwort geben. So konnte Tusk im Schlussplädoyer sagen: „Ich will ein Polen schaffen, in dem sich nicht nur meine Kinder und Enkel wohlfühlen werden, sondern sogar Sie, Herr Ministerpräsident.“ (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2007)