In den Regierungsparteien ist es ein offenes Geheimnis: Am internationalen Parkett steigen sich Kanzler Alfred Gusenbauer und Außenministerin Ursula Plassnik oft auf die Zehen. Jüngster Anlass: Der Streit um die von der EU bekämpften Hürden für ausländische Medizinstudenten an Österreichs Unis.
Vergangene Woche hatte Gusenbauer gemeint, Österreich habe wenig Chancen, das Recht, den Zugang zu seinen Unis selbst zu regeln, im EU-Reformvertrag durchzusetzen. Stattdessen setzte der Kanzler auf eine Lösung durch einen Beschluss der EU-Kommission. Gestern, Montag, verfolgte aber Außenministerin Plassnik wieder genau den Kurs, den Gusenbauer als wenig erfolgversprechend verworfen hatte - nämlich die Verankerung im Reformvertrag, der diese Woche beschlossen werden soll.
"Wir hatten sehr gute Verhandlungsergebnisse, dann fuhr der Kanzler über uns drüber - nicht zum ersten Mal," sagt ein Diplomat zum Standard. Noch deutlicher der ÖVP-Parlamentarier Spindelegger: "In so heiklen Fragen sollte der Kanzler nicht auf Applaus im Inland schielen", sagt er und verweist auf Gusenbauers harte Töne gegenüber der EU-Kommission in der Causa: "Wenn jemand so die Muskeln spielen lässt, drohen Irritationen."
Genauso kritisch sieht Spindelegger Vorstöße des Kanzlers in der Kosovo-Debatte. Und auch zum EU-Beitritt Serbiens gehen die Meinungen auseinander - was schon dazu geführt haben soll, dass Kanzlermitarbeiter in den Fliegern der Außenministerin zu diversen EU-Events keinen Platz mehr fanden.
Eine konzertierte ÖVP-Strategie, Gusenbauer anzupatzen, vermutet hingegen die SPÖ. "Gelingt etwas, ist Plassnik verantwortlich. Geht etwas schief, dann war's ein Roter", meint Caspar Einem.