Luxuriös wohnen im ersten Bezirk: Der Quadratmeter kommt hier auf 9000 Euro.

Foto: STANDARD/ Andy Urban
Dachausbauten boomen. Statt im Reihenhaus am Stadtrand wollen immer mehr Wiener lieber mitten in der City ihre Grün-Oase. Das Leben unter dem Dach hat allerdings einen hohen Preis – und wird durch die neue EU-Verordnung demnächst noch teurer - Martina Stemmer

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Wien – Kleine Urwälder, großzügige Schwimmbecken, gemütliche Loggien: Wer selbst kein Dachgeschoß bewohnt und sich Wien schon länger nicht mehr von oben angeschaut hat, sollte Aussichtspunkte wie das Dach des Flakturms im Esterhazypark oder das Restaurant im obersten Stock der Stadtbibliothek lieber meiden. Danach wirkt der eigene kleine Balkon nämlich noch kleiner.

80 Prozent der Dachböden noch nicht ausgebaut

Unter dem Dach zu wohnen ist in den vergangenen Jahren sehr modern geworden. Damit sich die Wiener nicht zwischen Reihenhaus in der Pampa und einer Bleibe mitten im Stadtgeschehen entscheiden müssen, setzt man vielen Gründerzeithäusern einfach eins drauf. Zwischen Ring und Gürtel, schätzt Robert Kniefacz, Chef der Magistratsabteilung 19, die die Dachausbauten genehmigt, werden 50 Prozent der Altbaudachböden bereits als Wohnfläche genutzt. In der Innenstadt stehen gar nur noch 20 Prozent der ausbaubaren Dachböden leer. Nur außerhalb des Gürtels, sagt der Experte, gibt's noch jede Menge Platz unterm Dach: "Wir schätzen, dass da noch 80 Prozent nicht ausgebaut wurden."

Dachwohnung ist nicht Dachwohnung

Allerdings: Dachwohnung ist nicht gleich Dachwohnung. Unter manchen Dächern kommt nämlich eher Kellergefühl auf. Das trifft vor allem auf jene Ausbauten zu, die Mitte der Neunzigerjahre entstanden sind, als eine Novelle der Bauordnung erstmals das Wohnen unter dem Dachstuhl ermöglichte.

Haus auf dem Haus

Das Gegenstück zu diesen taubenschlagartigen Kleinwohnungen hat das Büro Delugan-Meissl vor ein paar Jahren realisiert. Das Architektenehepaar Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan lebt in einem Haus auf dem Haus: Dem Flachdach eines 60er-Jahre-Zweckbaus wurde ein Stahlskelettbau verpasst, zu den 230 Quadratmetern Wohnfläche kommt eine großzügige Terrasse samt Pool.

Außergewöhnliche Dachausbauten schwer möglich

"Es wären in Wien viel mehr außergewöhnliche Dachausbauten möglich", sagt Roman Delugan. "Leider ist es nicht immer ganz einfach, sie zu verwirklichen." Wie futuristisch das neue Dach eines historischen Wohnhauses anmuten darf, bestimmen Bezirksleitung und Baubehörde. Nahe dem Stephansplatz sind moderne, gut sichtbare Aufbauten grundsätzlich nicht realisierbar, je weiter ein Haus vom Stadtzentrum entfernt ist, umso größer werden die Chancen auf eine Genehmigung. "Es ist unverantwortlich, wegen des Weltkulturerbes auf hochwertige, sichtbare Architektur zu verzichten", sagt Delugan.

Luxus am Karlsplatz

Recht auffällig ist der Dachausbau in der Friedrichstraße an der Ecke Nibelungengasse beim Verkehrsknotenpunkt Karlsplatz, der sich derzeit noch in Bau befindet: Architekt Rüdiger Lainer hat hier zwölf Luxuswohnungen plus dazugehöriger Terrassenlandschaft konzipiert. Alle Wohnungen sind bereits verkauft, die stolzen Besitzer, die zwischen 9000 und 10.000 Euro pro Quadratmeter hingeblättert haben, ziehen demnächst ein.

Neue EU-Verordnung: Erdbebensicher

Zwar sind nicht alle Dachgeschoßwohnungen so teuer wie jene in der Nibelungengasse, wer aber weniger als 2500 Euro pro Quadratmeter für eine Eigentumswohnung im Dachgeschoß – beziehungsweise neun Euro pro Quadratmeter Miete – zahlt, ist ein Glückspilz. Und das Leben in luftiger Höhe wird bald noch kostspieliger: Ab 2009 tritt eine EU-Richtlinie in Kraft, die Dachausbauten nur noch auf erdbebensicheren Häusern erlaubt, deren Mauern über eine bestimmte Mörtelfestigkeit verfügen. Wer ein_ausbaubares Dach hat, sollte das Projekt also schleunigst in Angriff nehmen, denn das Genehmigungsverfahren dauert mindestens ein halbes Jahr. (DER STANDARD Printausgabe 18.10.2007)