Baumgartner übersetzt neutrale Vorlagen in bedrohliche Szenarien: "Transall".

Foto: Albertina
Im Medium Video besteht jede abgespielte Sekunde aus 25 Einzelbildern, sogenannten Stills. Diese Stills verwendet die 1967 in Leipzig geborene Christiane Baumgartner als Vorlage für ihre monumentalen Papierarbeiten.

Für die 25-teilige Bildfolge "1 Sekunde" hat sie etwa jedes dieser Einzelbilder in Holz geschnitten. Damit übersetzen ihre großformatigen Drucke das die Geschwindigkeit des realen Lebens am wirklichkeitsgetreuesten abbildende Medium Video in das wohl "langsamste" künstlerische Medium: den Holzschnitt.

Baumgartner übersetzt die Pixel ihrer Motive in ein Längsraster, in an- und abschwellende Linien, die sich quer über die Breite der Druckbögen ziehen. Erst mit fortschreitender Entfernung ergibt sich für den Betrachter aus dem in Nahsicht abstrakten Liniengeflecht ein annähernd scharfes Bild, das in seiner Körnigkeit an eine Fotografie erinnert.

"Christiane Baumgartners Kunst ist langsam, wie langsames Kochen", zitiert der Katalog einen Text des britischen Kurators Jeremy Lewison. "Sie braucht Zeit, um zu entstehen und ausgekostet zu werden. Mit diesem Merkmal ausgestattet, scheint sie gegen die Geschwindigkeit der Welt zu protestieren."

Beunruhigende Linien

Baumgartner, die neben Neo Rauch und Tilo Baumgärtl zu den bekanntesten Vertretern der Neuen Leipziger Schule gezählt wird, gibt der traditionellen Technik des Holzschnitts durch die Verbindung mit Fotografie und Film eine neue, zeitgenössische Form.

Für Transall, jene Arbeit, die in der Ausstellung den riesigen Unikat-Drucken, des Schweizers Franz Gertsch gegenübergestellt ist, griff Baumgartner allerdings nicht selbst zur Kamera: Als Vorlage diente eine Aufnahme aus dem Magazin Der Spiegel, die aufgereihte Militärflugzeuge auf einem Rollfeld zeigt und vermutlich heimlich gemacht wurde. Dem eigentlich neutralen Bild der - möglicherweise Waffen transportierenden - Flugzeuge haftet in Baumgartners stiller, schwarz-weißer Übersetzung etwas Beunruhigendes an, die Bedrohlichkeit der Flugzeuge findet auch in den Dimensionen des Bildes eine Entsprechung.

Ähnliches zeigt sich auch bei Baumgartners Brügge -Bildern, die ebenso neutral wie unheimlich sind: Nachtaufnahmen von leeren, beleuchteten Autobahnen, die von einer Überwachungskamera für den Verkehr stammen könnten. Am Computer transferiert sie die an und für sich banalen Bilder in eine kodierte Botschaft: In unserer geschwindigkeitsberauschten Zeit mahnt sie uns, einen kurzen Moment innezuhalten, die Zeit im Sinne des Nachdenkens anzuhalten. (Anne Katrin Feßler /SPEZIAL / DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2007)